Wenig Geld, kaum Vermögen – aber große Chancen: Wie ein Altersvorsorgedepot für Millionen Menschen den Vermögensaufbau erleichtern könnte. Viele Haushalte in Deutschland verfügen über wenig Vermögen. Besonders im unteren Einkommensbereich bestehen beim Vermögensaufbau große Hürden, etwa wegen niedriger Einkommen, geringer Renditen und schlecht erreichbarer Förderprogramme. Um die Chancen für den Vermögensaufbau einkommensschwacher Haushalte zu verbessern, schlägt der Sachverständigenrat im heute der Bundesregierung vorgelegten Jahresgutachten 2025/26 eine tiefgreifende Reform vor. Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot in Kombination mit der bereits geplanten Frühstart-Rente soll den Kapitalmarkt für alle öffnen. Könnte dieses Konzept gelingen und den Vermögensaufbau in Deutschland gerechter gestalten? Sparverhalten zementiert Ungleichheit Das Jahresgutachten zeigt: Wer wenig verdient, spart meist für Notfälle und mithilfe risikoarmer, aber renditeschwacher Produkte wie Sparbücher oder Lebensversicherungen. Wer mehr Geld hat, investiert hingegen in Immobilien oder Unternehmen mit deutlich höheren Renditechancen. So wachsen die Vermögen in den oberen Schichten schneller, während ärmere Haushalte zurückfallen. Das verstärkt langfristig die Ungleichheit und vergrößert die Schere zwischen Arm und Reich. Aktivrente bis Boomer-Soli: So könnte die Rente reformiert werden Die Wirtschaftsweisen betonen, dass Politik und Wirtschaft die Vermögensverteilung aktiv beeinflussen können. Unterschiede seien ökonomisch sinnvoll, wenn sie auf individuellen Entscheidungen beruhen. Doch gezielte Umverteilungsmaßnahmen und staatliche Förderung könnten es ermöglichen, dass alle Menschen fairen Zugang zu Chancen und Kapitalmärkten erhalten. ETFs statt Sparbuch: Höhere Renditen für alle Aus diesem Grund plädieren auch die Gutachter für mehr Engagement privater Haushalte an den Kapitalmärkten . Wer bislang nur risikoarme Produkte nutzt, könnte ihrer Ansicht nach durch Aktien und Immobilienfonds langfristig mehr Vermögen aufbauen. Der Zugang sei heute einfacher denn je: Bereits mit kleinen Beträgen ließen sich ETF-Sparpläne einrichten . Auch REITs (Real Estate Investment Trusts) – also börsennotierte Immobiliengesellschaften – ermöglichten Investitionen in Immobilien, ohne ein Objekt direkt zu kaufen. Fast 70 Prozent dafür: Breiter Zuspruch für diese neue Rente Diese Anlageformen senken laut Experten die Einstiegshürden und erleichtern auch einkommensschwächeren Haushalten den Vermögensaufbau. Das Kapitalmarktangebot richte sich nicht mehr nur an institutionelle Investoren, sondern werde für breite Bevölkerungsschichten zugänglich. Altersvorsorge als Türöffner zum Kapitalmarkt Nach Ansicht der Wirtschaftsweisen spielt das Renten- und Vorsorgesystem beim Vermögensaufbau eine Schlüsselrolle. In Schweden führte beispielsweise eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge zu einer breiten Beteiligung am Aktienmarkt, besonders unter vormals nicht investierenden Haushalten. In Deutschland existieren zwar Förderprogramme wie die Riester-Rente . Diese erfordern jedoch Eigenbeiträge und oft einen Antrag. Viele einkommensschwache Haushalte bleiben daher außen vor, heißt es in dem Bericht. Die Gutachter sehen hier ungenutztes Potenzial – vor allem, wenn Kapitalmarktanlagen automatisch in die Vorsorge integriert werden. Das Altersvorsorgedepot – ein Neustart Als zentrales Reforminstrument schlagen die Wirtschaftsweisen ein staatlich gefördertes Vorsorgedepot vor. Es soll sowohl der Altersvorsorge als auch dem allgemeinen Vermögensaufbau dienen: ein einfaches, standardisiertes Produkt mit Lebenszyklusmodell. Altersvorsorgedepot: So sollte die FDP-Idee funktionieren Ein Lebenszyklusmodell ist eine Strategie für die Geldanlage, die sich automatisch dem Lebensalter und der Lebensphase eines Menschen anpasst. Die Grundidee: In jungen Jahren liegt der Fokus auf chancenreichen Anlagen, z. B. Aktienfonds, Aktien oder Immobilien. Mit zunehmendem Alter wird das Geld Schritt für Schritt in sicherere Anlagen umgeschichtet, etwa in Anleihen oder Tagesgeld . Die Depotstruktur soll nach Ansicht der Experten flexibel sein, auch für betriebliche Altersvorsorge oder zur Nutzung angesparter Mittel für Hausumbau oder Schuldentilgung. Bestehende Riester-Verträge könnten überführt werden, ohne dass bisherige Zulagen verloren gehen. Die Gutachter sehen in dieser Reform einen systematischen und breiten Zugang zum Kapitalmarkt. Frühstart-Rente: Vermögensbildung von Anfang an Die geplante Frühstart-Rente könnte laut Sachverständigenrat den Einstieg erleichtern. Kinder und Jugendliche sollen automatisch staatliche Kapitalmarkteinzahlungen erhalten – ohne Antrag und mit einfacher Verwaltung über die Familienkasse. Das senke Hürden und verhindere Selektionsprozesse, wie sie bei der Riester-Rente auftraten. Mit Erreichen der Volljährigkeit sollen die angesparten Beträge in das Altersvorsorgedepot übergehen. So entstehe ein durchgängiger Aufbaupfad: vom Kindesalter über die Erwerbsphase bis in den Ruhestand, und dies mit wenigen bürokratischen Hürden und transparenten Produkten. Förderkosten: höher, aber langfristig effizient Eine Reform mit breiter Teilhabe würde zunächst mehr kosten: Der Sachverständigenrat rechnet mit rund fünf Milliarden Euro an jährlichen Mehrausgaben für Zulagen zusätzlich zu den bisherigen vier Milliarden Euro für Riester. Steuerliche Mindereinnahmen kämen hinzu, da künftig mehr Menschen mit niedrigem Einkommen partizipieren würden. Gleichzeitig ließen sich durch die Zusammenführung bestehender Programme Einsparungen erzielen, etwa beim Wegfall der Arbeitnehmersparzulage (75 Millionen Euro), der Wohnungsbauprämie (220 Millionen Euro) oder durch eine automatische Erfassung der Kapitalerträge. Auch das auslaufende Baukindergeld (800 Millionen Euro jährlich) böte finanzielle Spielräume. Bildung als Fundament für Vermögensaufbau Ohne finanzielle Bildung bleibt jedoch das beste System wirkungslos. Die Wirtschaftsweisen betonen deshalb: Wer Finanzwissen in kluge Anlageentscheidungen umsetzen kann , spart erfolgreicher, investiert gezielter und verschuldet sich seltener übermäßig. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland hier laut Jahresgutachten schlecht ab. Doch gerade finanzielle Kompetenzen entscheiden darüber, ob staatliche Förderung und Kapitalmarktprodukte tatsächlich bei jenen ankommen, die sie am dringendsten benötigen.