Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Prozess nach Todesfahrt von Magdeburg beginnt

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Beim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt starben sechs Menschen, Hunderte wurden verletzt. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter setzt neue Dimensionen. Schon jetzt ist es eines der größten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte: Elf Monate nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat am Montag der Prozess gegen den 51-jährigen Todesfahrer begonnen. Insgesamt sind rund 40 Anwälte in das Verfahren involviert, sie vertreten 180 Betroffene und Hinterbliebene. Taleb al-Abdulmohsen saß aus Sicherheitsgründen in einem Glaskasten. Kurz nach Prozessbeginn gestand al-Abdulmohsen die Tat: "Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat." Ohne Reue zu zeigen oder sich zu entschuldigen, beschuldigte der Angeklagte mit weinerlicher Stimme und Taschentuch vor dem Gesicht die Polizei der Vertuschung. Er kritisierte zudem die Berichterstattung der Medien. Zuvor hatte der Angeklagte mysteriöse Botschaften auf seinem Laptop gezeigt. Zunächst hielt er die Aufschrift "Sept. 2026" in die Kamera, kurz darauf "#MagdeburgGate". Später erklärte er schließlich: "Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt". Route im Video: Details zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Magdeburg Mutter erhebt Vorwürfe: Behörden ließen sie nach Anschlag nicht zu ihrem Sohn Einige der Nebenkläger und Betroffene blickten dabei fassungslos, andere wandten sich ab. Nach Beginn des Prozesses hatte al-Abdulmohsen eine ausführliche Aussage angekündigte – er wolle sich "stundenlang, vielleicht auch tagelang" zu den Vorwürfen zu äußern. Am 20. Dezember des vergangenen Jahres fuhr er mit einem 340 PS starken Mietwagen über den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Sechs Menschen wurden dabei getötet, das jüngste Opfer war erst neun Jahre alt. Mehr als 300 Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt oder traumatisiert. Auch Menschen aus dem Ausland wie etwa Spanien oder Großbritannien befinden sich unter den Betroffenen. Betroffene von Magdeburger Anschlag leiden noch immer Oft brauchten sie Monate, um nach der Tat wieder in ihren Alltag zurückzukehren – oder kämpfen noch immer. Kerstin Stern wurde von dem Auto des Attentäters überrollt. Wie sie dem MDR vor dem Prozessbeginn erklärte, konnte sie monatelang nicht laufen. Erst seit Anfang Oktober arbeite sie wieder. Trotzdem gibt sie sich auch kämpferisch. Stern sagte: "Er möchte ja, dass die Opfer ein Leben lang damit zu kämpfen haben. Diesen Spielraum gebe ich ihm nicht." Andere Menschen, die zur Tatzeit auf dem Weihnachtsmarkt waren, berichten von Trauma und Albträumen. Phillip Peplau war mit Kollegen privat auf dem Weihnachtsmarkt. Er erzählte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich lebe. Aber der Anschlag hat mein Leben verändert, ich denke sehr oft daran." Er fügte hinzu: "Wenn ich mich in die Bahn gesetzt habe oder in den Bus, musste ich immer am Alten Markt vorbei. Das ging nicht mehr." Täter fand Lücke in Betonabsperrung Laut Generalstaatsanwaltschaft Naumburg dauerte die Todesfahrt knapp eine Minute. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 48 Kilometern pro Stunde soll al-Abdulmohsen über den Markt gefahren sein. Ihm wird versuchter Mord in 338 Fällen vorgeworfen. Der Täter war mit dem Mietwagen zwischen einer Fußgängerampel und einer Betonblocksperre auf den Weihnachtsmarkt gelangt. Al-Abdulmohsen wurde nach der Tat festgenommen. Später wurde ermittelt, dass er nicht unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stand. Der Generalbundesanwalt geht davon aus, dass er "aus persönlicher Frustration" gehandelt hat. Taleb al-Abdulmohsen war vor der Tat als Arzt im Maßregelvollzug tätig. Seine Aufgabe war es, Straftäter psychisch zu betreuen. Schon vor der Tat soll sich ein Kollege Sorgen um seine Verfassung gemacht haben. Er gab einen Hinweis an seinen Vorgesetzten weiter. Nach Deutschland war al-Abdulmohsen bereits 2006 gekommen. Nach seiner Facharztausbildung beantragte er 2016 Asyl und erhielt es als politisch Verfolgter. Mehrere Sicherheitsbehörden befassten sich mehrfach mit dem Angeklagten. Wie die "Tageszeitung" berichtet, musste er etwa 2013 eine Geldstrafe wegen der Androhung "gemeingefährlicher Verbrechen" zahlen. Al-Abdulmohsen warnte wiederholt vor Anschlägen durch Islamisten und verbreitete online antimuslimische Inhalte. Er warb online zudem für die AfD . Neues Gerichtsgebäude für Magdeburg-Prozess Betroffene und Hinterbliebene dürfen als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen. Das bedeutet, dass sie Fragen und am Ende sogar einen Strafantrag stellen dürfen. Um diesen Dimensionen gerecht zu werden, wurde extra ein Interims-Gerichtsgebäude errichtet. Der neue Verhandlungssaal ist 65 Meter lang und 30 Meter breit. In ihm finden etwa 450 Nebenkläger, Nebenklagevertreter und 200 Zuschauer und Medienvertreter Platz. Die Mietkosten für die gesamte Prozessdauer sollen laut Landesregierung im mittleren einstelligen Millionenbereich liegen. Das Landgericht Magdeburg hat bis zum 12. März 2026 zunächst knapp 50 Verhandlungstage angesetzt. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Dirk Sternberg verhandelt zwei bis drei Tage pro Woche, mit einer Pause um den Jahreswechsel. Weitere Termine sind möglich.
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