Die Ausbootung der Moderatorin Julia Ruhs beim NDR hat eine tiefe Krise in der ARD ausgelöst. Das Verhältnis der Sender NDR und BR scheint seitdem schwer beschädigt zu sein. Offener Streit über Personalentscheidungen, politische Ausrichtung und die Frage: Für wen macht der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich Programm? Ein neues Format für mehr Meinungsvielfalt – das war der Anspruch, mit dem der NDR und der BR im Frühjahr 2025 die Sendung "Klar" auf den Weg brachten. Die Moderatorin sollte ein konservatives Profil mitbringen und pointiert bis provokant ihre Meinung vertreten. Den Job bekam Julia Ruhs – und aus Sicht ihrer Kritiker interpretierte sie ihre Rolle nicht meinungsstark, sondern polemisch. Nach nur drei Folgen beendete der NDR die Zusammenarbeit mit Ruhs. Was folgte, war der wohl tiefste Riss zwischen zwei ARD-Anstalten seit Jahren. Dies geht aus einer neuen "Spiegel"-Recherche mit dem Titel "Wie sich die ARD im Fall Julia Ruhs blamierte" hervor. Dass sich in der NDR-Redaktion nach Ausstrahlung der ersten Sendung massiver Widerstand gegen das Format formierte und 250 Mitarbeitende ein Protestschreiben formulierten, war bereits bekannt. Der Fall Julia Ruhs: Sind ARD und ZDF zu links? "Klar"-Text: "Sie muss weg" soll auf NDR-Fluren zu hören gewesen sein "Darf nicht passieren": NDR räumt Fehler im Fall Julia Ruhs ein "Klar" wurden journalistische Mängel und das Schüren von Ressentiments vorgeworfen. Dem neuen Medienbericht zufolge eskalierten die internen Spannungen in einer Krisensitzung am Gründonnerstag. Der NDR nimmt dazu nicht Stellung und verweist auf "interne Vorgänge", die man nicht kommentiere. Doch der "Spiegel" beruft sich auf ein Dutzend Menschen, die mit der Angelegenheit betraut waren oder sie unmittelbar mitbekamen. Demnach reagierte der Bayerische Rundfunk empört. BR-Chefredakteur Christian Nitsche forderte laut Bericht eine Entschuldigung vom NDR – insbesondere nach einem satirischen Beitrag in "Reschke Fernsehen", der konservative Stimmen wie die von Ruhs in die Nähe rechtsextremer Positionen rückte. Eine Entschuldigung blieb aus, stattdessen gab es lediglich einen privaten LinkedIn-Post einer NDR-Führungskraft, der als "versteckte Geste" verstanden wurde. Julia Ruhs im Interview: "Ja, ich profitiere davon" Obwohl eine interne Zuschauerstudie dem Format "Klar" laut einer im September veröffentlichten Pressemitteilung des NDR ein fast durchgehend positives Echo bescheinigte, entschied sich der Sender, Ruhs nicht weiter zu beschäftigen. Die Entscheidung sei gefallen, obwohl das Format in seiner bisherigen Form laut Studie "zur gewünschten Meinungsvielfalt beiträgt". "Das Tischtuch ist zerschnitten" In der Pressemitteilung vom 17. September hieß es lediglich, "Klar" werde fortgeführt – ganz am Ende des Textes wird dann erwähnt, dass beim NDR ein Ersatz für Julia Ruhs gesucht werde und diese künftig nur noch die Ausgaben vom BR moderiere. Der Zeitpunkt war damals heikel: Es ist der Tag der feierlichen Amtseinführung des neuen NDR-Intendanten Hendrik Lünenborg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther blieb der Gala demonstrativ fern und besuchte stattdessen eine Lesung von Julia Ruhs. "Das Tischtuch zwischen dem NDR und dem BR ist zerschnitten", zitiert die neue Enthüllung einen Insider. An anderer Stelle wird der NDR-Journalist Thomas Berbner zitiert, der sagt: Er laufe beim Sender zunehmend gegen "Wände aus Gummi". Man habe Julia Ruhs "unter den Bus geschubst", sollen Kollegen von ihr erzählt haben. Das Gesamtbild ist ein Desaster: Zwei Sender, die einen schier unversöhnlichen Streit austragen – und das auf Kosten ihres konservativen Personals und mit Millionen aus den Rundfunkbeiträgen. Ob die beiden ARD-Anstalten wieder zueinanderfinden? Unklar. Die BR-Seite sieht sich übergangen, der NDR wiederum verweist auf interne Zuständigkeiten. Der neue Intendant Lünenborg beginnt seine Amtszeit im Krisenmodus und mit einer Personalie, die aufhorchen ließ: Für den NDR wird künftig die ehemalige "Bild"-Chefredakteurin Tanit Koch "Klar" moderieren.