Nach 23 Jahren verlässt Mechthild Großmann den "Tatort". Die Rolle als Staatsanwältin Klemm gehört seit Beginn der Krimireihe fest zum Inventar – bis jetzt. Der "Tatort" aus Münster genießt einen Sonderstatus. Die westfälischen Fälle sind geprägt von Klamauk, Witz und Skurrilität. Ein eigenwilliges Erfolgskonzept. In Umfragen hat das Team aus der 300.000-Einwohner-Stadt regelmäßig die Nase vorn. Wer glaubt, das liegt nur an den Hauptfiguren Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), der irrt sich. Vielmehr sind es die den Ermittlern entgegengesetzten Nebenfiguren, die den Münsteraner "Tatort" aufblühen lassen. Ohne sie wäre da zu viel Altherren-Humor, zu viel Ego, zu viel Irrsinn. Neben Thiels Vater, dem Taxi fahrenden Alt-Achtundsechziger Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer), der charmanten Rechtsmedizinerin Silke Haller (Christine Urspruch) und dem oft unterschätzten Mirko Schrader (Björn Meyer) ist das vor allen und vor allem Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann). Lohnt sich das Einschalten: Darum geht es im neuen Münster "Tatort" Abschied vom Team Münster: Nach 23 Jahren: "Tatort"-Star hört auf Seit der ersten "Tatort"-Folge aus Münster ("Der dunkle Fleck" von 2002) gehört Großmann zum Team. Merkmale: eine qualmende Zigarette und ihre unverkennbare Stimme. Die sei Fluch und Segen zugleich, wie Großmann in mehreren Interviews erklärte. "Ich hatte schon als sechsjähriges Kind diese Stimme", sagte sie 2017 der "Rheinischen Post" und beschrieb ihre Klangfarbe als "eine Laune der Natur". Als Schauspielerin sei sie deswegen von einigen Rollen ausgeschlossen worden. "Ich konnte nie die junge Liebhaberin spielen, sondern war oft der Freak." Sie habe auch nicht kreischen können, "wie eine Frau". Trotzdem hebe ihre Stimme sie hervor. Doch Großmann merkte auch an: "Nur brummen allein ist nicht abendfüllend. Ich muss dem Ganzen schon Leben verleihen." Im "Tatort" ist ihr das stets gelungen. Dem Hauptkommissar Thiel stellte sie sich nicht selten in den Weg, verwehrte ihm etliche Durchgangsbefehle, nur um ihn dann am Ende doch mit dem obligatorischen "Gute Arbeit, Thiel" zu belohnen. Das hören wir auch im jüngsten Fall "Die Erfindung des Rades", der am heutigen Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird. Klemm lobt Thiel nun zum letzten Mal. "Ich höre auf", eröffnet sie ihm. "Wie, warum, wieso das?", will der Ermittler wissen. "Weil ich zu alt für den Sche*ß bin!" Für die Staatsanwältin wird es nach 23 Jahren noch einmal sehr persönlich. Der Hauptverdächtige ist ihr einstiger Verlobter, Firmenchef Kurt Hobrecht (Hannes Hellmann). Das TV-Publikum erlebt Klemm von einer Seite, die sie in ihrer langen "Tatort"-Zeit nur selten gezeigt hat. Champagner schlürfend im roten Abendkleid schwelgt sie in Erinnerung an ein vergangenes Leben. "Als ich meine erste Szene im "Tatort" drehte, war ich 54 Jahre alt. Dieses Jahr drehte ich die letzte Folge und werde im Dezember 77 Jahre alt. Das ist der größte Unterschied", sagte Großmann über ihre lange Periode im "Tatort". Ähnlich pragmatisch blickt auch ihre Rolle auf die Zeit zurück: "Ich werde jetzt nicht weinen und auch keine lange Rede halten: Danke für so vieles", verabschiedet sich die Staatsanwältin von ihrem Team. Umstrukturierung beim "Tatort" Großmanns "Tatort"-Ausstieg reiht sich ein in die Umstrukturierung bei der ARD. Die Bezahlung und auch das Alter der Akteure vor der Kamera sollen eine große Rolle spielen. TV-Kommissarin Ulrike Folkerts sagte in einem "RND"-Interview im Oktober 2024 "Es wird gerade ein bisschen Tabula rasa gemacht beim 'Tatort'." Teams würden ausgetauscht. Folkerts betont dabei die Bestrebungen der Öffentlich-Rechtlichen, jünger und diverser zu werden. Die Folge: "Offensichtlich müssen die Alten das Feld räumen." Brodeln hinter den Kulissen: Warum musste Axel Milberg gehen? Diesen Eindruck bestätigte auch Annalena Schmidt, die über zwei Jahrzehnte im "Tatort" aus Ludwigshafen als Sekretärin Edith Keller mitspielte: "Natürlich sind alle, die uns jetzt ersetzen, billiger. Weil wir vor 25 Jahren ja noch ordentliche Gagen ausgehandelt haben. Heute kriegen jüngere Leute nicht das Geld, das wir gekriegt haben." Auch Großmann betonte nach der Verkündung ihres "Tatort"-Abschieds demonstrativ: "Wenn Ende 2025 der letzte Münster-'Tatort' mit mir gesendet wird [...] habe ich nicht vor, aufzuhören, zu arbeiten." Großmanns Nachfolgerin ist im Übrigen die 33-jährige Schauspielerin Lou Strenger. So geht es für Mechthild Großmann weiter Von der Bildfläche verschwinden will Großmann allerdings nicht, für das kommende Jahr hat sie bereits Pläne. "Mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Vladimir Jurowski werde ich 'Der Schneesturm' von Puschkin lesen." Das sei nur eines von mehreren geplanten Projekten. "Ich freue mich auf ganz viel Literatur und Theater", verspricht sie. Mit dem "Tatort" ist aber Schluss. Was für ein Jammer für die Krimireihe, denn ihr Fehlen wird nicht ohne Folgen bleiben. "Ein Leben ohne die Frau Staatsanwältin Wilhelmine Klemm ist möglich, aber es lohnt sich nicht", fasst Boerne zusammen. Viele Zuschauenden geben ihm vielleicht recht.