Die Öffentlich-Rechtlichen wurden nach dem Vorbild der BBC aufgebaut – und eben jener Sender steht aktuell stark unter Beschuss. Ein Mahnmal für das deutsche System? In Großbritannien hat sich in dieser Woche ein medienpolitisches Beben ereignet, bei dem sich Ausschläge weit oben auf der Richterskala bemerkbar machten. Weil in einer Informationssendung der BBC Ausschnitte aus einer Rede von US-Präsident Donald Trump irreführend zusammengeschnitten worden waren, gaben führende Köpfe des Senders ihren Job ab. Trump reichte das nicht, er drohte mit einer Milliardenklage. Die internationale Presse war in Aufruhr, von einem "Todesstoß für die BBC" war die Rede und an anderer Stelle hieß es etwas moderater: "Die BBC-Affäre ist ein Warnschuss vor den Bug sämtlicher seriöser Medien." Bei näherer Betrachtung der Einzelfälle ist nicht zu bestreiten, dass der Sender Fehler gemacht hat. Aber welche Rolle spielten politische Kräfte bei der Entscheidung, wie ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland vor Einflussnahme geschützt – und droht auf lange Sicht die Zerstörung eines Systems, das jahrzehntelang unkaputtbar erschien? Ein Gespräch mit der Medienforscherin Annika Sehl. t-online: Frau Sehl, kann sich solch ein Fall wie jetzt bei der BBC auch in Deutschland ereignen? Annika Sehl: Auch in Deutschland sehen wir – neben durchaus legitimer Medienkritik – populistische Angriffe auf öffentlich-rechtliche Medien, die auf deren Schwächung oder Abschaffung abzielen. Diese Angriffe kommen allerdings von außen. Das unterscheidet die Situation vom aktuellen BBC-Fall, bei dem der Angriff, auf Basis eines tatsächlichen Fehlers, offenbar zum Teil auch aus dem Aufsichtsgremium selbst kam. Angeprangert wurde ein Fehler in der "Panorama"-Sendung, eigentlich ein Flaggschiff des BBC-Journalismus. Ausschnitte einer Rede von Donald Trump wurden sinnentstellend montiert. Ein internes Dokument, das dies aufdeckte, wurde wohl aus dem Aufsichtsgremium der BBC dem "Daily Telegraph" zugespielt. Ja, in einem Zusammenschnitt von Trumps Rede, als seine Anhänger im Januar 2021 das Kapitol gestürmt haben, hat die BBC Passagen aneinandergeschnitten, die tatsächlich zeitlich über 50 Minuten voneinander entfernt lagen. So konnte der Eindruck entstehen, Trump habe seine Anhänger ganz direkt und unmissverständlich zum Sturm auf das Kapitol aufgefordert. Aber noch mal zu Ihrer Frage: Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland strukturell besser vor politischer Einflussnahme geschützt ist als in Großbritannien, wenn es etwa um die Finanzierung, Gremien und Personalpolitik geht. Aber klar ist auch, dass Schutzmechanismen nicht immer perfekt funktionieren. In Großbritannien läuft 2027 die Royal Charter aus, die auch die Finanzierung der BBC regelt. Das macht den Fall zum jetzigen Zeitpunkt besonders heikel. Gibt es in Deutschland Hinweise, dass journalistische Unabhängigkeit innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems, etwa durch politische Rücksichtnahme, gefährdet ist? Strukturell ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland durch verschiedene Mechanismen recht robust gegen Einflussnahme von außen geschützt, um innere Autonomie zu garantieren. Aber? Es zeigt sich im Journalismus generell – das gilt also nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dort ist es aber besonders wichtig –, dass Diversität in den Redaktionen, etwa hinsichtlich Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund oder sozioökonomischer Herkunft, nicht immer in dem Maße vorhanden ist, wie es wünschenswert wäre. Wozu kann das führen? Dadurch kann es vorkommen, dass sich intern zu schnell Konsens bildet und weitere Perspektiven unberücksichtigt bleiben. Daher ist es entscheidend, dass eine Kultur der internen Diskussion besteht und gefördert wird, dass Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen den Journalismus als attraktiven Beruf wahrnehmen. Oft wird in diesem Zusammenhang eine nicht repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2020 unter Volontären der ARD und des Deutschlandradios zitiert. Diese ergab, dass die Volontäre zu 57 Prozent Grün wählen, 23 Prozent neigten der Linkspartei zu. Weniger als 5 Prozent hätten ihr Kreuz bei der CDU gemacht. Ist es das, was Sie meinen? Wie gesagt, dass in Redaktionen kontrovers diskutiert wird und man sich nicht zu schnell einig ist, ist wichtig. Aber die Umfrage, die Sie ansprechen, möchte ich einordnen: Von damals 150 Volontärinnen und Volontären der ARD und des Deutschlandradios haben lediglich 86 an der Umfrage teilgenommen, also etwa 57 Prozent. Auf die Wahlfrage haben sogar nur 77 der 86 Teilnehmenden geantwortet, also noch weniger als auf andere Fragen. Nicht berücksichtigt wurden der Saarländische Rundfunks (SR) und das ZDF , da dort zum Zeitpunkt der Erhebung kein Jahrgang ausgebildet wurde. Die Daten sind damit insgesamt nicht sehr belastbar. Auch hier höre ich ein leises "Aber" heraus ... Was wir aus anderen größeren Befragungen zum Journalismus in Deutschland, und jetzt nicht nur bei öffentlich-rechtlichen Medien, wissen, ist, dass sich Journalistinnen und Journalisten insgesamt leicht links der Mitte einordnen. Wichtig ist dabei aber festzustellen, dass auf dieser Basis nicht zwingend unterstellt werden kann, dass sich die politische Einstellung von Journalistinnen und Journalisten auf die Berichterstattung (bei öffentlich-rechtlichen Medien) niederschlägt. Dazu wären mehr insbesondere repräsentative inhaltsanalytische Untersuchungen nötig, die nur punktuell vorliegen. Auch wollen wir sicherlich keine Gesinnungsprüfung bei Journalistinnen und Journalisten vor der Einstellung. Es muss also darum gehen, Menschen mit möglichst unterschiedlichen Hintergründen für diesen Beruf zu interessieren. Aber stimmt denn der Vorwurf, dass die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland eher linksorientiert berichten? Hierzu zeigt eine Studie von Marcus Maurer und Kollegen an der Universität Mainz, dass die Behauptung, die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien im Vergleich zu anderen Medien besonders einseitig, insgesamt nicht zutrifft, auch wenn an einzelnen Stellen mehr Raum für konservative und marktliberale Positionen angemahnt wird. Wie ist die BBC-Affäre journalistisch zu bewerten: nur ein handwerkliches Versagen oder Ausdruck eines größeren Problems? Am Beispiel der BBC sehen wir, dass ein tatsächlicher Fehler in der Berichterstattung massiv politisch ausgeschlachtet wird – offenbar sowohl im internen Aufsichtsgremium der BBC als auch in der Politik –, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schwächen. Kommentatoren haben daher in den vergangenen Tagen auch von einem Kulturkampf gesprochen. Im Zweifel kann dieses Klima dazu führen, dass sich Redaktionen künftig überlegen, ob sie Fehler, die immer passieren können, transparent machen. Eine transparente Fehlerkultur ist aber demokratietheoretisch wichtig. Was heißt das nun in dieser Situation für die BBC? Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – ob in Großbritannien oder Deutschland – gilt, dass er den Auftrag hat, unter anderem wahrheitsgemäß und unparteiisch zu berichten. Daran muss er sich messen lassen und, sofern Fehler passieren, transparent mit ihnen umgehen und sie aufarbeiten. Das wird nun auch bei der BBC eine zentrale Aufgabe sein. Über Fehler und vermeintliche Fehler von ARD, ZDF und Co. wird hierzulande ständig berichtet, vor allem von rechtspopulistischer Seite. Medienkritik als Hinweis auf tatsächliche Fehler ist absolut berechtigt und wichtig. Aber hier geschieht oft etwas ganz anderes, nämlich delegitimierende Medienkritik. Das sind Vorwürfe, die ausschließlich erhoben werden, um öffentlich-rechtlichen Medien zu schaden – und auch das gibt es inzwischen häufig in Deutschland wie in Großbritannien. Wie können öffentlich-rechtliche Sender in solch einer Lage Vertrauen zurückgewinnen? Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Mainzer Langzeitstudie "Medienvertrauen" das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Vergleich zu anderen Mediengattungen weiterhin die höchsten Vertrauenswerte aufweist. Ähnlich zeigen die jährlichen Befragungen des Reuters Institute Digital News Report für Deutschland hohe Vertrauenswerte für die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber nicht mehr im gleichen Ausmaß wie früher. 2020 vertrauten noch 74 Prozent der Bürger den Berichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, laut ZDF-Politbarometer im Oktober 2025 sind es nun mehr 61 Prozent. Ist das nicht bedenklich für ein System, das für alle Deutschen da sein soll? Auch hier muss man die Zahlen genauer anschauen und kontextualisieren. 2020 hatte das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wenn man sich noch mal die Mainzer Langzeitstudie anschaut, ein so hohes Vertrauen wie seit dem Start der Messung 2018 nicht. 2020 war das Jahr, in dem die Pandemie begann und die Menschen ein sehr hohes Interesse an Nachrichten hatten, und die, das zeigen Nutzungsdaten, insbesondere beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesucht haben. Es war in dieser Hinsicht ein Ausnahmejahr. Richtig ist, dass die Gruppe derer, die sagen, dass sie teils/teils vertrauen, seitdem leicht gewachsen ist. Die Gruppe, die sagt, dass sie dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht oder eher nicht vertraut, ist seit 2019 aber sehr konstant zwischen 11 und 13 Prozent. Also kein Grund zur Sorge? Bedenklich ist, dass die Vertrauenswerte nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen gelten: Menschen mit populistischen Einstellungen, das zeigen Daten des Reuters Institute Digital News Reports, bringen ihnen deutlich weniger Vertrauen entgegen. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern macht sich Unbehagen breit: Laut einer WDR-Erhebung vertrauen dort nur 41 Prozent der Menschen dem Journalismus der öffentlich-rechtlichen Sender. In der Tat ist es dann Teil der Aufgabe, dort auf Ursachenforschung zu gehen und sich um das Publikum zu bemühen. Teile dieses Publikums scheinen schon verloren. Übergriffe auf Journalisten bei öffentlichen Veranstaltungen nehmen zu. Ja, Angriffe, auch körperliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten allgemein, haben zugenommen und das ist erschreckend und besorgniserregend. Medienorganisationen stellen inzwischen teils Sicherheitskräfte für ihr Personal, beispielsweise bei Demonstrationen, ab; und für den Umgang mit Hass auf Social Media gibt es teils Unterstützung. Es zeigt aber, wie sehr die Gesellschaft an dieser Stelle verroht ist. Was hilft dagegen? Wesentlich ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Arbeit gut macht und zugleich besser vermittelt, was er leistet. Gerade in Zeiten wachsender Polarisierung – auch in Deutschland – und zunehmender Desinformation kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sofern er weiterhin das Vertrauen eines großen Teils der Bevölkerung besitzt, eine wichtige Rolle als Gegengewicht einnehmen: gut recherchiert berichten, externe Informationen prüfen, Dialogformate mit unterschiedlichen Perspektiven organisieren und Angebote auf eigenen Plattformen bereitstellen, die unabhängig von den Algorithmen kommerzieller Plattformunternehmen funktionieren, die oft eher zur Polarisierung beitragen. Gemeinwohlorientierte Plattformen sind in diesem Zusammenhang ein Stichwort, das derzeit intensiv diskutiert wird. Aber es ist auch verdammt teuer: 8,6 Milliarden Euro flossen 2024 in die Kassen von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Damit stehen die Sender vom Umsatz her weit vor dem Springer-Konzern in Deutschland, der BBC in Großbritannien oder der "New York Times" in den USA . Deutschland ist zum einen ein großes Land und wir haben einen föderalen Staat und damit auch ein föderales Rundfunksystem mit neun ARD-Landesrundfunkanstalten. Eine Stärke ist damit der regionale Schwerpunkt der Berichterstattung. Das kostet. Pro Kopf zahlen einige andere Länder übrigens mehr als wir. Und was wenige wissen: Der Rundfunkbeitrag enthält auch mehrere auftragsferne Sachverhalte. So werden unter anderem die Landesmedienanstalten, die vor allem zuständig sind für die Zulassung und Aufsicht privatwirtschaftlicher Radio- und Fernsehveranstalter, aber auch für Intermediäre und Plattformen, den Jugendmedienschutz und die Vermittlung von Medienkompetenz, überwiegend über das Aufkommen der Rundfunkbeiträge finanziert.