Die Autoindustrie feiert elf neue Fünf-Sterne-Autos im Crashtest. Ein Erfolg für die Sicherheit? Keineswegs. Die Hersteller sichern sich die begehrte Note nach Regeln, die morgen bereits Makulatur sind. Was bedeutet das für Käufer? Jedes Jahr das gleiche Bild: Zum Jahresende veröffentlicht Euro-NCAP (New Car Assessment Programme) die Ergebnisse der jüngsten Crashtests, die Automobilhersteller feiern ihre Fünf-Sterne-Modelle und der Verbraucher wiegt sich in Sicherheit. Doch die jüngste Testreihe entlarvt eine geschickte Strategie der Branche. Denn die beeindruckenden Ergebnisse wurden nach Kriterien erzielt, die morgen bereits Makulatur sind. Die Flucht vor der Wahrheit Insgesamt 20 Modelle hat Euro-NCAP in der letzten Runde des Jahres noch schnell durch die Mangel gedreht. Gut die Hälfte, nämlich elf Autos, konnte mit der Höchstwertung von fünf Sternen voll überzeugen. Neun weitere mussten sich mit vier Sternen begnügen. Eine starke Bilanz, die suggeriert: Die Autos werden immer sicherer. Die Wahrheit ist jedoch: Die Hersteller haben ein kleines Zeitfenster genutzt, bevor die Bewertungskriterien im kommenden Jahr erheblich verschärft werden. Die begehrten fünf Sterne sind ab diesem Zeitpunkt deutlich schwieriger zu erreichen. Man kann es als cleveres Marketing bezeichnen, die Fahrzeuge noch nach den alten, weniger strengen Kriterien testen zu lassen. Für den arglosen Käufer, der sich beim Händler das 5-Sterne-Logo zeigen lässt, grenzt es jedoch an eine Irreführung. Die neuen Regeln: Strenger, digitaler, fairer? Euro-NCAP spricht von der größten Reform seit Einführung der Gesamt-Sternewertung im Jahr 2009. Zu den Neuerungen, die den Herstellern das Leben schwer machen werden, gehört unter anderem die Abwertung von Autos, die fast ausschließlich auf die Touchscreen-Bedienung setzen. Offenbar hat die Organisation erkannt, dass die fummelige Suche nach Heizung und Lautstärkeregler während der Fahrt ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt. Fahrzeuge, die ab 2026 mit einer Fünf-Sterne-Bewertung werben wollen, müssen also nicht nur stärker als bisher beim passiven Insassenschutz glänzen, sondern auch bei der intuitiven, ablenkungsfreien Bedienung. Ein Standard, den viele der aktuellen Gewinner von 2025 wohl reißen würden. Die Sieger von gestern Elf Modelle sicherten sich noch rechtzeitig die Bestnote. Darunter finden sich etablierte Namen und zahlreiche chinesische Newcomer. Neun Modelle erhielten vier Sterne. Vier Sterne Fünf Sterne Alpine A390 Deepal S05 Chery Tiggo 4 Exlantix ET Ebro s400 Geely Starray EM-I Jeep Compass Hyundai Nexo Kia EV4 (ohne Sicherheitspaket) Kia EV4 (mit Sicherheitspaket) Kia PV5 Mazda CX-5 Renault Clio Mercedes CLA Toyota Aygo X MG4 EV Urban Toyota Yaris Mitsubishi Eclipse Cross Porsche Cayenne VW T-Roc Besonders interessant ist der Fall des Kia EV4. Er erhielt fünf Sterne, aber nur mit aufpreispflichtigem Sicherheitspaket. Ohne dieses Paket reichte es lediglich für vier Sterne. Das zeigt: Optimale Sicherheit ist häufig keine Serienausstattung, sondern eine kostenpflichtige Option. Und sie ist entscheidend für eine sehr gute oder nur gute Bewertung. Beim Kauf genau hinschauen Die jüngsten Ergebnisse sind also keine Garantie für optimale Sicherheit nach modernsten Standards. Sie sind vielmehr der Schlusspfiff für eine Ära, in der bestimmte Test-Kriterien noch nicht griffen. Autokäufer sollten die aktuellen Fünf-Sterne-Ratings mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten. Wer ein wirklich zukunftssicheres und nach den strengsten Regeln geprüftes Fahrzeug sucht, der wartet besser auf die ersten Euro-NCAP-Tests, die unter den neuen, verschärften Kriterien durchgeführt werden. Erst dann zeigt sich, wer wirklich sicher ist – und wer nur geblufft hat.