Autowerkstätten: E-Autos verändern das Reparatur-Geschäft drastisch

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Die E-Mobilität wandelt das Werkstattgeschäft grundlegend, klassische Reparaturen entfallen zunehmend. In Norwegen bricht der Umsatz für Wartungen von E-Autos bereits ein. Ölwechsel? Fehlanzeige. Kupplung? Gibt es nicht, ebenso wenig wie Zündkerzen. E-Autos bringen nicht nur neue Technologien und Ansätze auf die Straße, sie verändern auch das Werkstattgeschäft grundlegend. Was das konkret bedeutet, zeigt ein Blick in den Norden Europas. In Norwegen , wo der E-Auto-Anteil bei Neuzulassungen inzwischen bei 94 Prozent liegt, ist die Veränderung in den Werkstätten längst spürbar. Wie die "Automobilwoche" berichtet, liegen laut einer Analyse des VW-Importeurs Møller die Umsätze aus Wartung und Service bei batterieelektrischen Fahrzeugen (sogenannten BEVs) dort rund 46 Prozent unter dem Niveau von Verbrennern – zumindest bei Fahrzeugen, die bis vier Jahre alt sind. Auch in Dänemark nimmt der Anteil an E-Autos zu: Die BMW-Autohausgruppe Bayern AutoGroup meldete, dass sich der BEV-Anteil am Werkstattvolumen innerhalb eines Jahres von 10 auf 30 Prozent verdreifacht hat. Dass die steigenden Zahlen an E-Autos in den Werkstätten zu großen Veränderungen führen würden, ist an sich nichts Neues: Schon 2022 hatte die Unternehmensberatung Roland Berger gemeinsam mit dem europäischen Zuliefererverband Clepa auf einen strukturellen Wandel hingewiesen. Die damalige Untersuchung zeigte: Der Umsatz mit klassischen Ersatzteilen könnte pro Fahrzeug um rund 30 Prozent sinken – vor allem, weil viele Komponenten wie Auspuffanlagen oder Mehrganggetriebe im E-Auto schlicht wegfallen. Je nach Szenario erwarten die Autoren einen Rückgang des Ersatzteilmarkts bis 2040 um bis zu 17 Prozent. Weniger mechanische Teile – weniger Wartung? Grundsätzlich gilt: E-Autos müssen seltener zur Wartung. Sie kommen ohne Ölwechsel, ohne Zündkerzen, ohne komplexe Getriebetechnik aus. Die Bremsen halten durch Rekuperation länger. Laut ADAC können die Wartungskosten 20 bis 30 Prozent unter denen für einen vergleichbaren Verbrenner liegen. Ein Test von "Auto Bild" zeigte sogar Unterschiede von bis zu 54 Prozent – zugunsten eines VW ID.3 im Vergleich zu einem Golf VII Diesel. Weniger mechanische Teile, desto weniger Aufwand, möchte man denken. Aber es gibt auch eine andere Seite: Eine Studie des Marktforschers UScale aus dem Frühjahr 2024 ergab, dass Elektroautos häufiger wegen technischer Defekte in die Werkstatt müssen als Verbrenner. 24 Prozent der BEV-Fahrer gaben an, im Jahr 2023 außerplanmäßig einen Werkstattaufenthalt gehabt zu haben – gegenüber 9 Prozent bei Fahrern von Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Besonders auffällig: Modelle von Opel, Audi und Skoda lagen deutlich über dem Durchschnitt, während Nissan und BMW mit geringeren Defektquoten auffielen. An dem Studienaufbau lässt sich jedoch kritisieren, dass deutlich weniger Besitzer von Verbrennern befragt wurden als E-Auto-Besitzer. Klar ist jedoch, dass immer mehr komplexe Technik in den Autos steckt. Hohe Investitionen nötig Batteriediagnose, Wärmemanagementsysteme oder Software-Probleme gehören inzwischen zum Tagesgeschäft – oder werden es bald. Das wiederum ist mit Kosten verbunden: Geräte müssen angeschafft, Mechatroniker weitergebildet werden – und das bei möglicherweise sinkenden Einnahmen durch klassische Reparaturen, wie das Beispiel Skandinavien zeigt. Freie Werkstätten derzeit noch außen vor Dass es derzeit in diesem Bereich noch hakt, zeigt sich beim Blick auf freie Werkstätten: Während die Autohersteller ihre Vertragswerkstätten entsprechend schulen, besitzt lediglich jeder fünfte freie Betrieb die nötigen Zertifikate für Arbeiten am Hochvoltsystem, also an Batterie, Leistungselektronik und Motor. Ein weiteres Viertel darf zumindest Arbeiten im spannungsfreien Zustand durchführen, wie eine Umfrage des Ersatzteilanbieters Meyle im Spätsommer 2024 ergeben hat. Für beide Arten von Reparaturen sind spezielle Qualifizierungen nötig; ohne diese sind nur allgemeine Arbeiten wie Räderwechsel erlaubt, die rund ein Drittel der Werkstätten vornehmen. Ein knappes Viertel allerdings bietet überhaupt keine Reparaturen an Elektroautos an – was auch mit der Verbreitung von E-Autos und der Tatsache zu tun hat, dass viele dieser Fahrzeuge noch recht jung sind und in Vertragswerkstätten der Hersteller gewartet werden. Für freie Werkstätten lohnen sich die Investitionen bislang nicht. Hier können Werkstätten noch Geld verdienen Ein lohnendes Feld bleibt das Geschäft mit Reifen, Bremsen, Karosserie und Zubehör, aber auch mit Batterien. Besonders Reifen verschleißen beim E-Auto schneller – nicht zuletzt wegen des höheren Gewichts. Hinzu kommt, dass E-Auto-Fahrer andere Erwartungen an den Service haben: Dazu zählen Ladeangebote beim Werkstattbesuch, ein passender E-Ersatzwagen oder spezielle Beratungsleistungen rund um die Batteriegesundheit. Dennoch: Die Luft wird dünner. Denn der Markt konsolidiert sich weiter. Clepa-Experte Frank Schlehuber warnte bereits 2022: "Kleinere Betriebe mit wenig Kapital werden die nötigen Investitionen nicht stemmen können." Zu beobachten sei bereits heute ein Trend zu weniger, dafür größeren Werkstätten – auch, um Flottenkunden bedienen zu können.
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