Seit über 20 Jahren ist die EU bemüht, Treibhausgasemissionen zu senken. Mittel zum Zweck: der sogenannte Emissionshandel. Wie genau funktioniert das System? Im Jahr 2005 hat die Europäische Union ein Großprojekt an den Start gebracht, das vielen Menschen nicht bekannt ist und dennoch zu den erfolgreichsten Beispielen von europäischer Zusammenarbeit gehört: der Emissionshandel. Das sogenannte Emissions Trading System (Emissionshandelssystem oder kurz: der ETS) hat dazu beigetragen, dass in Europa die Treibhausgasemissionen in den vergangenen 20 Jahren um die Hälfte zurückgegangen sind. Der ETS galt bisher nur für die Industrie und bestimmt Wirtschaftszweige – ab 2027 soll er erstmals auch private Haushalte direkt treffen. Wie funktioniert der ETS also und worauf müssen sich Verbraucher in den nächsten Jahren einstellen? Wie funktioniert der Emissionshandel (Cap & Trade)? Das Ziel des ETS ist, den Ausstoß von Treibhausgasen , vor allem CO2, in der EU zu verringern. Bis 2050 soll der Kontinent treibhausgasneutral sein. Damit das gelingt, wird eine Obergrenze (englisch: Cap) an CO2 bestimmt, die alle Unternehmen, die unter dem System erfasst werden und in Europa wirtschaften wollen, nicht überschreiten dürfen. Diese Obergrenze wird jedes Jahr etwas gesenkt. Jedes Unternehmen, das CO2 ausstößt, etwa ein Kraftwerk, eine Fluggesellschaft oder eine große Fabrik, braucht dafür ein Zertifikat – wobei ein Zertifikat es erlaubt, eine Tonne CO2 auszustoßen. Die Zertifikate können Unternehmen dabei auf zwei Wegen erwerben: Entweder sie erhalten sie direkt von der EU (entweder indem sie über eine Auktion dafür bieten oder durch kostenlose Zuteilung) oder sie kaufen sie einem anderen Unternehmen ab. Von der kostenlosen Zuteilung profitieren bestimmte Branchen, die die EU unbedingt in Europa halten will. Allerdings werden die Gratis-Zertifikate immer weiter reduziert. Der Handel (englisch: Trade) zwischen den Unternehmen erfolgt, wenn eine Firma mehr Zertifikate besitzt, als sie benötigt, und die überschüssigen Papiere dann an andere Unternehmen verkaufen kann. Damit werden Unternehmen belohnt, die weniger Treibhausgase ausstoßen. Umgekehrt müssen diejenigen Firmen, die vergleichsweise viel CO2 ausstoßen, mehr bezahlen und haben dadurch einen Anreiz, ihre Prozesse auf klimafreundliche Alternativen umzustellen. Da im Verlauf der Zeit immer weniger Zertifikate auf den Markt kommen, steigt der Preis für ein Zertifikat an, sofern die Nachfrage gleich bleibt. Man spricht auch vom CO2-Preis. Gut zu wissen: Dieser europäische CO2-Preis ist zu unterscheiden vom deutschen CO2-Preis, den wir seit 2021 kennen. Mit dem deutschen CO2-Preis werden deutsche Haushalte auf den ETS 2 vorbereitet. Oft spricht man statt von "CO2-Preis" auch von "CO2-Steuer". Welche Branchen sind bisher vom ETS betroffen? Die EU hat 2005 nicht sofort alle Wirtschaftszweige einbezogen, sondern holt nach und nach immer mehr Branchen dazu. Von Anfang an dabei waren Kraftwerke und Großindustrien wie Stahl, Papier, Zement oder die chemische Industrie. Das sind auch die Branchen, die in Europa die meisten Treibhausgase ausstoßen. Seit 2012 gehört die Luftfahrtindustrie dazu, 2024 wurde die Schifffahrt ins System geholt. Auch Gebäude und Verkehr: Ab 2027 kommt der ETS 2 2021 hat die EU das "Fit-for-55"-Paket vorgestellt, das einen Maßnahmenkatalog beinhaltet, um Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Darunter fällt auch eine Reform des ETS, die ab 1. Januar 2027 greifen soll. In diesem Zusammenhang spricht man von ETS 2, also die zweite Stufe des ETS. Der ETS 2 wird die Bereiche Gebäude und Verkehr einbeziehen und damit private Haushalte stärker als bisher treffen (s. folgender Abschnitt). Die Zertifikate für diese Bereiche werden jedoch nicht auf dem gleichen Markt verkauft wie die der Industrie, sondern die beiden Systeme sollen nebeneinander existieren. Für den ETS 2 gelten zum Start gesonderte Regeln: In der Startphase (2027 bis 2030) wird der Preis für die Zertifikate noch genau beobachtet. Steigt der CO2-Preis zu stark an, kann die EU eingreifen und mehr Zertifikate freigeben, was den Preis drücken soll. Die EU kann entscheiden, den ETS 2 um ein Jahr zu verschieben, wenn der CO2-Preis sich auf einem zu hohen Niveau einpendeln sollte. Die Einnahmen aus dem ETS 2 fließen in einen sozialen Klimafonds. Das Geld aus diesem Topf geht an die Mitgliedsstaaten, die das Geld dafür nutzen sollen, Förderprogramme aufzusetzen und insbesondere einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. In Deutschland etwa fließt das Geld in den sog. Klima- und Transformationsfonds (KTF). Um sicherzustellen, dass das auch passiert, wird das Geld nur dann freigegeben, wenn die Mitgliedsländer vorher einen Klimaschutzplan auflegen, indem dargelegt wird, wie das Geld zum Einsatz kommen soll. Wie hoch der CO2-Preis zum Start des ETS 2 ausfallen wird, kommt darauf an, wie hoch die Nachfrage nach Zertifikaten am 1. Januar 2027 sein wird. Das ist aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen. Die meisten Prognosen gehen davon aus, dass ein Zertifikat bis 2030 um die 100 bis 130 Euro kosten wird. Der CO2-Preis läge dann bei 100 Euro/Tonne CO2 und damit fast doppelt so hoch wie der nationale CO2-Preis in Deutschland im Jahr 2025. Was bedeutet der ETS und ETS 2 für Verbraucher? Den CO2-Preis , den die Unternehmen seit 2005 bezahlen müssen, geben sie an Verbraucher weiter. Unter anderem deshalb ist Strom, der aus einem Kohlekraftwerk oder einem Gaskraftwerk stammt, auch teurer als Strom aus erneuerbaren Energien. Wenn am Markt gerade viel Strom aus Kohle verkauft werden muss, spüren Verbraucher dies bei ihrer Stromrechnung. Genauso ist es beim Kauf eines Flugtickets: Die Airline muss für die Menge an CO2, die während eines Flugs ausgestoßen wird, Zertifikate kaufen. Diese Kosten erhöhen dann den Ticketpreis. Mit dem Start der Bereiche Gebäude und Verkehr im Jahr 2027 wird der ETS allerdings eine deutlich größere Rolle einnehmen. Dann werden erstmals die Umweltkosten für fossiles Heizen und für Benzin und Diesel einbezogen. Unter anderem müssen dann Energielieferanten, etwa Tankstellenbetreiber oder Gas-Lieferanten, Zertifikate kaufen. Die Kosten dafür dürften sie auf Verbraucher umlegen – und sie stärker und direkter als belasten. Denn weil noch immer so viele Menschen Verbrenner fahren und mit fossilen Energien heizen, befürchten Experten, dass die CO2-Preise zwischen 2027 und 2030 explodieren könnten und vor allem ärmere Haushalte hart treffen. Zur Erinnerung: Der Preis für Zertifikate steigt, wenn die Nachfrage nach fossilen Energien gleich bleibt oder sich erhöht. Solange die Zahl der Verbrenner auf den Straßen und die Zahl der Gas- und Öl-Heizungen in den Gebäuden also gleich bleiben, wird der CO2-Preis steigen. Der einzige Weg, den Preis zu senken, geht durch den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen. Wer also schon früh ein Elektroauto fährt, trägt also dazu bei, dass der CO2-Preis für einen Haushalt, der sich kein E-Auto leisten kann, sinkt. Was ist aus dem Klimageld geworden? Die Ampel-Koalition hatte ursprünglich ein Klimageld versprochen: Mit einer Pro-Kopf-Pauschale sollte ein Teil der Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Diskutiert wurde damals auch eine Staffelung je nach Einkommenssituation. Daraus wurde mit dem Bruch der Koalition aber nichts. Die aktuelle Bundesregierung schrieb in ihrem Koalitionspapier, man wolle das Geld nutzen, um die Strompreise zu senken – zum Beispiel durch Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß. In einem ersten Schritt soll die Stromsteuersenkung nun jedoch nur für die Industrie kommen. Was hat der CO2-Preis bisher gebracht? Zwischen 2005 und 2024 sind die Treibhausgasemissionen in der EU um 50 Prozent zurückgegangen. Die Rückgänge konzentrieren sich vor allem auf die Bereiche Industrie und Energieversorgung, die seit 20 Jahren unter den Emissionshandel fallen. Ziel der EU ist es, bis 2030 die Emissionen um 62 Prozent gegenüber 2005 zu senken (55 Prozent gegenüber 1990). Vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr muss mehr getan werden, damit dies erreicht werden kann. Damit alle Länder der EU an diesem Ziel arbeiten, gilt eine Lastenverteilungsverordnung, die besagt, dass die Mitgliedsstaaten eigene, nationale Klimaziele erreichen müssen. Werden diese nicht eingehalten, müssen die Mitgliedsländer Strafen an die EU zahlen. Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2030 den CO2-Ausstoß um 50 Prozent zu verringern. Bisher (Stand 2025) hat Deutschland etwas mehr als 20 Prozent Verringerung geschafft. Fazit Der europäische Emissionshandel hat in den vergangenen 20 Jahren dazu beigetragen, dass die EU ihren CO2-Ausstoß deutlich gesenkt hat und klimafreundlichen Technologien in vielen Bereichen einen Wettbewerbsvorteil beschert. Mit der Einführung des ETS 2 im Jahr 2027 bewegt sich Europa auf eine klimapolitische Zeitenwende zu: Dann werden nämlich erstmals private Haushalte in ganz Europa für ihren CO2-Ausstoß bezahlen müssen. Das gut vorzubereiten und kommunikativ zu begleiten, gehört zu den politischen Herausforderungen der kommenden Jahre.