Am Freitag startet Deutschland in die Frauen-EM – mit einem ausgerufenen Titelversprechen. Sky-Expertin Julia Šimić lobt diesen Mut. Zwei Tage nach dem Start der Frauen-EM steigt auch das deutsche Team ins Turnier ein. Das erste Gruppenspiel gegen Polen am Freitagabend (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online) ist dabei nur der Anfang eines langen Weges, den Deutschland für sich selbst ausgerufen hat. Linda Dallmann sagte zuletzt: "Mein Ziel ist, Europameister zu werden – und ich glaube, da geht’s den anderen Mädels nicht anders." Trotz der Olympia-Bronzemedaille und des Vizeeuropameister-Titels im Gepäck verblüffte der klare Titelausruf die frühere Profispielerin und heutige Sky-Expertin Julia Šimić: "Ich bin etwas überrascht, dass die Spielerinnen das so klar äußern – finde es gleichzeitig aber auch gut", sagte sie im Gespräch mit t-online. Der Schritt sei mutig. Da das vergangene Dreivierteljahr holprig war, sei es umso wichtiger, dass die DFB-Frauen nicht zaudern. "Du entwickelst den Glauben nur dann, wenn du ihn auch formulierst", erklärte Šimić weiter. Es sei ihrer Meinung nach "sinnvoller, das Gewinnen in den Vordergrund zu stellen – sofern es nicht aus der Luft gegriffen ist". Nationen wie Weltmeister Spanien und Titelverteidiger England seien obenauf, "aber dann kommen auch schon wir", legte sich die 36-Jährige fest. "Kampfgeist und Willen" Die neue Selbstverständlichkeit in der Öffentlichkeit ist dabei ein Spiegel der Entwicklung, die das Team in den vergangenen Jahren genommen hat. "Wenn man über die DNA spricht, dann stand Deutschland immer für eins: Kampfgeist und Willen, in Kombination mit einem guten technischen Grundniveau", erinnerte sich Šimić zurück. Alexandra Popp, Célia Šašić, Simone Laudehr und Annike Krahn seien etwa Spielerinnen gewesen, "gegen die du nicht gerne gespielt hast. Und das war immer das Gesicht der Mannschaft". War früher das Spiel von Physis geprägt, spielt Deutschland inzwischen aber mit mehr Technik, Tempo und taktischer Reife – und das war auch notwendig. Mit der Zeit haben andere Nationen große Schritte gemacht. Šimić sieht die verbesserte Ausbildung deshalb als Schlüssel, "um an der Spitze bleiben zu können": "Die, die nachkommen, sind tendenziell sogar noch ein Stück besser als die, die ausscheiden", sagte die langjährige Bayern-Spielerin. Und genau das spiegelt sich auch im Kader wider, der vor der Partie in St. Gallen gegen Polen zwar viel Talent, aber insgesamt weniger Länderspielerfahrung mitbringt. Šimić, die Frankfurts weibliche U20 trainiert, sieht darin eine Chance: "Diesen Spielerinnen gibst du damit den Freiraum, in ihrer Geschwindigkeit zu lernen und ihre Qualität einzubringen. Sie müssen noch nicht dauerhaft performen – dafür sind noch andere Stützen da." Aber: "Sie ergänzen die Mannschaft und sind extrem wichtig." Erfahrene Kräfte wie die 108-malige Nationalspielerin Sara Däbritz oder frühere Abwehrchefin Kathrin Hendrich ergänzen das Gerüst – auch wenn sie aktuell nicht zur Stammelf zählen. "Auch die Ersatzfrauen sind immens wichtig. Ich erinnere mich an so viele Spiele und Endspiele, die durch Einwechselspielerinnen entschieden wurden – kürzlich erst wieder das Finale der Frauen-Champions-League durch Stina Blackstenius." Die eingewechselte Akteurin hatte den FC Arsenal gegen Titelverteidiger FC Barcelona zum "Königsklassen"-Triumph geschossen. "Gerade das verdeutlicht immer wieder die Wichtigkeit der Spielerinnen hinter der Stammelf", betonte Šimić, die in den langjährigen Stützen Däbritz und Hendrich vor allem einen Vorteil sieht: "Das sind Spielerinnen, die noch eine große Qualität mitbringen, neben dem Platz beruhigen können und die Spiele auch als Einwechselspieler stabilisieren und lenken können. Das ist ein extremer Mehrwert." Reicht das für den Triumph aus? In der Stammformation stehen dann besonders Kapitänin Giulia Gwinn und Abwehrchefin Janina Minge im Fokus. "Gwinn hat in ihrer Karriere mit tollen Leadern wie Alexandra Popp gespielt und konnte dort extrem gut beobachten und sich entwickeln." Inzwischen habe ihr Wort Gewicht. "Sie ist in diese Führungsrolle durch starke Leistungen hineingewachsen, ohne sie groß für sich zu beanspruchen", sagte Šimić weiter. Auch Minge hätte auf ihre Weise Verantwortung übernommen. Šimić spielte zwischen 2017 und 2018 gemeinsam mit der umgeschulten Innenverteidigerin: "In Freiburg war sie trotz ihres jungen Alters extrem konstant. Das ist ein Qualitätsmerkmal." Ob das reicht, um am Ende den EM-Pokal in die Höhe zu stemmen? Spanien und England bleiben die Topfavoriten. Doch Šimić traut Deutschland einiges zu: "Warum also nicht auch sagen, wir wollen den Titel?"