In Deutschland fehlt es noch immer vielerorts an modernen digitalen Strukturen. Das hat auch Altkanzlerin Merkel zu verantworten. Diese Welt beherbergt Themen, Disziplinen und Bereiche, die sind für mich gleichbedeutend mit "Wüste", "Bahnhof", "dünnem Eis" – Sie verstehen schon: Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, so sehr ich mich auch anstrenge. Physik gehört dazu. Zeichnen. Niemand, wirklich niemand will mit mir in einem Team sein bei "Activity" – ich male Hunde wie eine Dreijährige mit verbundenen Augen. Bowling – da bin ich auch völlig talentfrei. Orientierung? Die reinste Katastrophe. Setzen Sie mich irgendwo aus, wo ich schon sehr oft war, und stellen Sie mir die Aufgabe, zurück zu meinem Zuhause zu finden, selbst wenn es nur wenige Kilometer davon entfernt liegt – es wird nicht klappen. Diese Fähigkeit ist in mir nicht mal ansatzweise angelegt. Die Hoffnung darauf, mich irgendwo verorten oder direkten Weges hinbegeben zu können, habe ich deshalb schon relativ früh in meinem Leben aufgegeben. Aber was soll's? Ich bin ja kein Zugvogel. Zumal wenig später, nachdem ich resigniert die Realität anerkannt hatte, glücklicherweise die ersten Navis auf den Markt kamen. Gott sei Dank: Karten lesen kann ich nämlich auch nicht. Es lohnt sich also wirklich nicht, auf diese Leerstelle in meinem Gehirn unnötige Energie zu verschwenden. Geht ja auch so sehr gut. Dasselbe denkt die Altkanzlerin über Social Media. Sie informiere sich "über Zeitungen, TV-Sendungen und lese Onlinemedien", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die sozialen Medien seien "nicht meine Informationsquelle". Sie sei auch "nicht selbst aktiv auf X oder TikTok oder Instagram". Angela Merkel bleibt sich also auch treu in dem, worum sie sich nicht bemüht. Da erkenne ich mich wieder. Allerdings enden damit auch schon die Gemeinsamkeiten. Denn während ich wirklich nicht stolz darauf bin, ohne Hilfe nicht nach Hause zu finden, kokettiert Merkel mit etwas, das ich als ein eklatantes Versäumnis bezeichnen würde. Während ich im Zweifel herumirre und Menschen nach dem Weg frage, ist Angela Merkel zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil an der verheerenden digitalen Ödnis in unserem Land verantwortlich. Merkel hat eine digitale Lücke hinterlassen Ich weiß, es ist ausgelutscht und man hat es schon 200.000 Mal gelesen. Aber was soll ich machen? Natürlich muss ich an dieser Stelle wieder auf das sogenannte Neuland zu sprechen kommen. So nannte Merkel ja das Internet. Im Jahre 2013. Als wirklich jeder Hinterwäldler schon WLAN zu Hause hatte, meine Mutter (Jahrgang 1949) bereits WhatsApp kannte und die AOL-Werbung mit Boris Becker ("Bin ich schon drin?") satte 14 Jahre alt war. Man hätte Merkels Unkenntnis halb mitleidig, halb augenzwinkernd als Aussage einer mittelalten, leicht abgehängten Frau aus der geistigen Provinz abtun können. Wäre sie nicht Bundeskanzlerin gewesen – und noch dazu promovierte Naturwissenschaftlerin. Die damit zwischen den Zeilen die Parole ausrief: "Braucht man ja gar nicht unbedingt! Ist gar nicht so wichtig! Nicht schlimm, dass dieses Land total analog ist – ich bin’s ja auch! Wenigstens haben wir billiges Gas und überhaupt alles tippitoppi im Griff!" Tja. Noch heute, zwölf Jahre später, klatscht man in deutschen Behörden begeistert in die Hände, wenn ein neues Faxgerät eingeweiht wird und damit so etwas wie Vernetzung stattfindet. Noch immer können Lehrerinnen und Lehrer, falls sie das so wollen, vollkommen unbehelligt von der Lebenswelt ihrer Schüler in bröckelnde Schulen trotten und dort wie in den Zeiten unterrichten, als Boris Becker das erste Mal Wimbledon gewann. Noch immer blickt man in entweder verstörte oder aber einfach nur leere Politikeraugen, fragt man nach Plänen zur Regulierung der Social- Media-Plattformen. Die fehlende Digitalisierung ist keine Lappalie Es ist okay, wenn man sich irgendwann denkt: "Hab' ich noch nie gemacht, muss ich jetzt auch nicht mehr mit anfangen." Angela Merkel hat dieses Land viele Jahre regiert, das wird sehr, sehr kräftezehrend gewesen sein. Sie muss sich jetzt nicht zur KI-Expertin ausbilden lassen oder den Ehrenvorsitz des Hackervereins Chaos Computer Club anstreben. Und klar, natürlich gehört auch zur Wahrheit, dass Merkels Regierungen konsequent die Politik ihrer Vorgänger weitergeführt haben (egal ob CDU oder SPD), und nach ihrem Aus als Kanzlerin war das auch nicht vorbei. Die vollmundigen Digitalisierungsversprechen der Ampel sind nicht an ihrem unzähmbaren und deshalb unkoordinierten Übereifer gescheitert. Da hieß es ja schon vor der Vereidigung, man könne leider kein eigenes Ministerium für Digitalisierung schaffen, weil es dafür kein Gebäude in Berlin gebe. Angela Merkel muss jetzt nicht den kompletten U-Turn hinlegen. Es würde schon reichen, wenn sie endlich mit einer Gewohnheit bräche: so zu tun, als wäre ihre Ignoranz eine Lappalie. Wenn sie etwa in dem Interview als Altkanzlerin ernsthaft sagt: "Und wenn mal irgendwas ist, wo ich mich äußere, dann merkt man auch, dass die Bürger diese Webseite schon ganz gut finden und sie nutzen. Dort kann sich auch jeder an mich wenden." Das ist schön, dass Merkel immerhin eine Webseite hat. Aber das ist wirklich nicht der Punkt. Denn das Internet kann ja sehr viel mehr. Zum Beispiel Menschen wie mich ans Ziel bringen.