Trotz der Autozölle und verbalen Attacken von Donald Trump setzt Deutschland im Umgang mit ihm auf Deeskalation. Dieses Vorgehen trägt allerdings bislang keine Früchte. Machtkämpfe in der internationalen Politik erinnern mitunter an den Überlebenskampf in der Natur – oft gilt das Recht des Stärkeren. Für Menschen, die in Nordamerika unbewaffnet Bären in deren natürlichen Lebensräumen begegnen, gibt es eine Verhaltensempfehlung: Wenn ein Schwarzbär angreift, solle man sich groß machen, im Ernstfall kämpfen, bis das Tier von einem ablässt. Handelt es sich derweil um einen Braunbären, sei es besser, sich tot zu stellen, bis der Bär hoffentlich das Interesse verliert. Einig ist man sich darin: Diese Begegnungen laufen im Regelfall glimpflich ab, sie können aber auch schiefgehen. Übertragen auf die weltpolitische Architektur ist aktuell in den internationalen Beziehungen eine vergleichbare Unsicherheit spürbar – insbesondere im Umgang mit US-Präsident Donald Trump . Der Republikaner beschimpft die europäischen Staaten als "Schmarotzer", taktiert mit Kremlchef Wladimir Putin . Er brüskiert die von Russland angegriffene Ukraine , verschärft internationale Handelskonflikte, wobei die Einführung von Zöllen von 25 Prozent auf Autoimporte Deutschland besonders hart treffen wird. Seit Trumps Machtübernahme stellen sich die Bündnispartner der USA eine zentrale Frage: Wie sollen sie mit dieser politischen Zerstörungswut umgehen? Eine Antwort scheint nicht gefunden, Strategien gibt es unterschiedliche. Länder wie Kanada geben sich kämpferisch, brechen öffentlich mit der Trump-Administration. Andere wie Südkorea oder Japan geben nach, führen Verhandlungen in der Hoffnung, dass Trump von ihnen ablässt. Deutschland dagegen versucht, einen Mittelweg zu gehen – selbstbewusst zu sein, aber gesprächsbereit zu bleiben. Das zentrale Problem: Deutschlands Strategie funktioniert bislang nicht wirklich. Deutschland setzt auf Deeskalation Die europäische Orientierungslosigkeit begann eigentlich schon vor dem Wahlsieg des Republikaners im November 2024. Damals war aus dem politischen Berlin und auch von der EU-Kommission aus Brüssel immer zu hören: Europa ist vorbereitet, viel besser als noch vor Trumps erster Amtszeit. Ein Irrtum, wie sich schnell nach Trumps Amtseinführung im Januar 2025 zeigte. Zwar bereitete sich die EU auf mögliche Handelskonflikte und Zölle vor und versuchte, die US-Regierung mit Gegenmaßnahmen abzuschrecken. Aber sicherheitspolitisch, insbesondere mit Blick auf die Ukraine , blieben die EU-Staaten untätig. Schnell stellte der US-Präsident die Bündnistreue gegenüber der Nato infrage, wollte die Sicherheit in Europa und der Ukraine den Europäern überlassen. Auch, dass er die transatlantische Freundschaft aufkündigte, war für viele Entscheidungsträger in Brüssel und Berlin offenbar eine Überraschung. Denn erst nach dem Machtwechsel in Washington entstand in Europa plötzlich Bereitschaft, mit Blick auf die eigene Verteidigung autonomer von den USA werden zu wollen. Mit einer Koalition der Willigen wollen federführend Frankreich und Großbritannien der US-Regierung demonstrieren, dass sie mehr Verantwortung bei der Unterstützung der Ukraine übernehmen können. Zu spät, meinen viele Sicherheitsexperten. Denn Trump streut seit seinem Amtsantritt Chaos, auch indem er die Europäer über seine Pläne im Unklaren lässt. Sein Vizepräsident J. D. Vance erklärte etwa auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar sinngemäß, dass die EU-Staaten ideologisch ein größerer Gegner für die USA seien als Russland . Andere Funktionsträger wie US-Außenminister Marco Rubio oder der US-Sondergesandte Keith Kellogg schlugen hinter verschlossenen Türen indes versöhnliche Töne an. Die Botschaft der USA: Die Amerikaner müssten sich erst einmal einarbeiten, aber sie stünden auch weiterhin zu ihrer sicherheitspolitischen Verantwortung gegenüber Europa und der Ukraine. Das führte auch in Teilen der Bundesregierung zu der Einschätzung, dass Trump öffentlich oft etwas anderes sagt, als er bereit ist, politisch tatsächlich umzusetzen. Diese Hoffnung ist gleichzeitig auch Zweckoptimismus. Denn Deutschland ist sicherheitspolitisch abhängig von den USA. Die angeschlagene deutsche Wirtschaft und insbesondere die deutsche Autoindustrie können einen Handelskonflikt mit Trump in der aktuellen Lage eigentlich nicht gebrauchen. Deshalb lautet Deutschlands diplomatische Strategie gegenüber der Trump-Administration wie folgt: Die Bundesregierung wird nicht auf jede Provokation der USA eingehen. Immerhin überzieht der US-Präsident Europa fast täglich mit neuen Ankündigungen, die Unruhe auslösen. Gleichzeitig möchte man den Bären bildlich gesprochen nicht pieksen, Trump nicht provozieren, um über dessen vierjährige Amtszeit möglichst viel von den transatlantischen Beziehungen zu retten. Ausgestreckte Hand – trotz US-Anfeindungen Allerdings benötigte die Trump-Administration nicht einmal 100 Tage, um diese Hoffnungen zu zerstreuen. Im März legte Trump kurzzeitig die Ukraine-Hilfen auf Eis, wobei vorwiegend die ausbleibenden US-Geheimdienstinformationen die ukrainische Armee in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland massiv schwächten. Danach konnten auch deutsche Politiker durch einen Leak lesen, wie Vance und der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth in einem Signal-Chat abfällig über Europa wetterten . Wenige Tage später kündigte Trump seine Zölle auf Autoimporte an. Deutschland bekommt immer neue Nackenschläge aus Washington. Die Strategie, zu deeskalieren, anstatt den Amerikanern gegenüber Stärke zu demonstrieren, geht aktuell nicht auf. Stattdessen verhält sich Trump wie ein Pausenschläger, der sich Schwächere als Opfer sucht. Zu groß scheinen seine Ressentiments gegenüber Europa und insbesondere Deutschland gegenüber. Trotzdem hat die Bundesregierung ihre Strategie bislang öffentlich nicht angepasst. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in der Bundespressekonferenz am Mittwoch: "Das transatlantische Verhältnis ist gut. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen." Zum Inhalt der vertraulichen Gespräche mit der US-Regierung möchte sich das Kanzleramt auf Anfrage von t-online aber nicht äußern. Aus dem Auswärtigen Amt erfuhr t-online: "Wir arbeiten mit unseren Partnern in den USA weiter eng zusammen. Diese Partnerschaft bleibt von großer Wichtigkeit." All das ist offensichtlich aktuell nicht der Fall. Trotzdem möchte Deutschland nicht noch mehr diplomatisches Porzellan zerschlagen. Diesen Plan wird mutmaßlich auch die nächste Bundesregierung weiterführen. SPD-Parteichef Lars Klingbeil, der als künftiger Finanzminister und Vizekanzler gehandelt wird, sagte t-online: "Die Autozölle von Donald Trump schaden uns allen. Wir werden uns weiter eng mit der EU-Kommission und unseren Freunden abstimmen. Wir sind der größte Binnenmarkt der Welt und entsprechend selbstbewusst wird unsere Antwort ausfallen." Zölle seien am Ende "eine Steuer für die Verbraucherinnen und Verbraucher". Klingbeil ergänzte: "Deshalb sage ich klar, unsere Hand bleibt ausgestreckt, diesen Irrweg zu verhindern." Deutschland steht vor einer Kursanpassung Diese Reaktionen offenbaren ein zentrales Dilemma: Einerseits trifft Trump Deutschland mitten in einem Machtwechsel. Die noch geschäftsführende Bundesregierung hat nicht die Macht, weitreichende strategische Entscheidungen zu treffen. Und nach einer Regierungsbildung müssen sich die neuen Minister erst einarbeiten. Andererseits ist es ein schwieriger Spagat: Die deutsche Regierung muss gleichzeitig Schaden von der heimischen Wirtschaft abwenden, die nationale Sicherheit gewährleisten, und die Integrität Deutschlands vor den Anfeindungen aus Washington schützen. All das sind Gründe, warum Deutschland aktuell wie paralysiert zu sein scheint. Deswegen ist es für Deutschland aktuell ein Spiel auf Zeit – bis eine neue Bundesregierung steht. Doch eines scheint klar: Die US-Regierung gibt Europa diese Zeit nicht. Die EU wird nun sehr wahrscheinlich Gegenzölle umsetzen . Dafür braucht es die Zustimmung der geschäftsführenden Bundesregierung in Absprache mit dem wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Aber auch darüber hinaus hängt die zukünftige Strategie Deutschlands im Umgang mit Trump primär von der US-Außenpolitik ab. Denn gehen die Anfeindungen und Provokationen weiter, wird auch der innenpolitische Druck in Deutschland steigen, dem etwas entgegenzusetzen. Für viele US-Experten ist klar: Trump reagiert auf Stärke, Schwäche nutzt er kompromisslos aus. Dementsprechend wird auch die künftige Bundesregierung ihren Kurs noch einmal anpassen müssen, um nicht zum Spielball der US-Regierung zu werden.