Als vor 70 Jahren der erste DS kam, war er seiner Zeit voraus. Ganz so wegweisend ist der N°8 zwar nicht, doch stilistisch trauen sich die Franzosen wieder was. Ist das noch eine Limousine oder schon ein SUV? Oder doch was ganz anderes? Wer zum ersten Mal auf den neuen DS N°8 schaut, kann sich mit der Einordnung schwertun. Aber das ist gewollt. Denn DS zählt zur Avantgarde unter den Autobauern, seit Citroën diese Buchstaben vor jetzt genau 70 Jahren zum ersten Mal ans Heck eines Autos geklebt hat. Und ziemlich genau zehn Jahre, nachdem DS ein Comeback als eigene Marke feiern durfte, findet die noble Citroen-Schwester mit dem neuen Flaggschiff so langsam wieder zur alten Avantgarde zurück. Damit bricht sie aus dem Allerlei der Stellantis-Familie aus. Das gilt allerdings auch für den Preis: Wenn bei uns ab September die ersten Autos verkauft werden, müssen die Kunden für den ausschließlich elektrischen Aufsteiger mindestens 57.700 Euro bezahlen. Und wer beim Nachfolger des DS9 alle Optionen ankreuzt, der kommt näher ans Sechsstellige denn je zuvor. So viel kostet nicht mal ein alter DS-Klassiker in gutem Zustand. Viel Auto – für viel Geld Dafür gibt es aber auch viel Auto. Schließlich misst die eigenwillige Mischung aus Coupé, Limousine und SUV stolze 4,82 Meter und hat einen Radstand von 2,90 Metern. In der ersten Reihe sitzt man deshalb formidabel und in der zweiten zumindest noch sehr bequem und der Kofferraum fasst je nach Modellvariante ungeklappt schon bis zu 621 Litern. Das sollte auch für längere Reisen reichen. Während Citroën außen mit eigenwilligen Lichtspielen, scharfen Kanten und der Option auf eine Zweifarblackierung betont avantgardistisch auftritt und alle Blicke auf sich zieht, gibt es drinnen je nach Modell den Chic und die Couture der Pariser Nobelmeile Rue du Faubourg Saint-Honoré – eine Auswahl: Die Sitzpolster erinnern an die Armbänder von Luxusuhren. Weiches Leder auf dem Armaturenbrett und an der Türverkleidung – teils mit Perlstichnähten. Das Lenkrad sticht mit seinen x-förmigen Speichen hervor – wo andere auf imitierte Materialien setzen, gibt es hier echtes Aluminium. Die Konsolen sind schillernd hinterleuchtet. Die Ausstattung des Cockpits dagegen ist mit digitalen Instrumenten, einem Head-up-Display, einer mit ChatGPT aufgewerteten Sprachsteuerung und einem Touchscreen, der endlich auch mal den Beifahrer einbezieht, nur gehobener Standard. Bis zu 750 Kilometer Reichweite Gehobener Standard ist auch die Technik, die zumindest in der Stellantis-Familie allerdings neue Bestmarken setzte. Denn als erstes Modell des Mischkonzerns nutzt der N°8 die neue, große Elektroplattform und kann deshalb in jeder Disziplin mehr als der Rest der Sippe. Mit Akkus von 74 oder 97,2 kWh steigt die Reichweite dank viel Feinschliff bei Klimatisierung und Aerodynamik auf bis zu 750 Kilometer. Wer sparsam fährt, kommt so aus Deutschland mit einem Stopp bis nach Paris . Allerdings braucht das eine gewisse Selbstbeherrschung. Denn mit einem oder zwei Motoren gibt es bis zu 276 kW/375 PS und mit schwerem Fuß sind immerhin Geschwindigkeiten von bestenfalls 190 km/h möglich. Auch beim Laden macht DS Fortschritte in der Familie, bleibt mit maximal 160 kW aber hinter der Konkurrenz zurück. Immerhin versprechen die Franzosen ein hohes Plateau bei der Ladekurve und halten die Leistung deshalb über eine lange Zeit. Das bringe mehr als ein kurzer, aber hoher Peak und danach ein tiefer Abfall. Großer Gleiter für die Langstrecke Aber ein DS will ohnehin weniger mit Quartett-Werten punkten, als mit Komfort und Gelassenheit. Deshalb treiben die Franzosen etwa beim Fahrwerk mehr Aufwand als die meisten anderen Hersteller in dieser Liga – das sind sie dem Erstling aus den 1950er-Jahren mit seiner Hydropneumatik schuldig. In dessen Urenkel bauen sie deshalb eine Federung ein, die mit Kamera- und Sensorenhilfe vorausschaut und die Nachlässigkeiten des Straßenbaus schon gefühlt ausbügelt, bevor sie überhaupt erreicht sind. Daten werden laut DS innerhalb von Millisekunden an einen Computer übermittelt, der separat auf jedes der vier Räder einwirkt. Für maximale Ruhe gibt es zudem rundherum Isolierglas, die Sitze sind weicher als üblich und auch im Fond klimatisiert, das große Glasdach schafft eine lichte Atmosphäre. Und weil Wärme direkt am Körper besser wirkt als diffus in der Kabine, gibts zu Sitz- und Lenkradheizung erstmals in einem geschlossenen Auto wie sonst nur im Cabrio einen Nackenföhn. So wird der No. 8 zum nonchalanten Gleiter, mit dem einem selbst die längste Fahrt auf der französischen Autoroute nicht fad wird und aus dem man zum Dinner unterm Eiffelturm entspannt und vor allem stilvoll aussteigt. Fazit: Die avantgardistische Alternative Zwar dürfte es den Franzosen in dieser Klasse vor allem bei Firmenkunden schwerfallen, gegen die deutsche Übermacht zu punkten und so ganz mithalten mit einem BMW i5 oder einem Mercedes EQE kann die N°8 dann eben doch nicht. Und auch Familien fremdeln wahrscheinlich mit so viel Extravaganz. Doch Kreative wie Architekten und Agenturchefs dürften begeistert sein von so viel Avantgarde und Eigensinn. Und den Rest überzeugt vielleicht der prominente Werbeträger, den die Franzosen in den Fond gelockt haben. Denn noch bevor das Flaggschiff bei uns in den Handel kommt, startet sie im Elysee-Palast als neue Staatslimousine für Präsident Emmanuel Macron .