Eifel-Firma Schoeller liefert Spezialrohre für chinesische Atomkraftwerke

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Seit 200 Jahren sitzt der Rohrproduzent Schoeller in der Eifel. Mit Millionen-Investitionen will sich das Unternehmen für die Zukunft rüsten. Es ist eigentlich dunkel, als Bernd Jansen die Skyline von Shanghai betrachtet. Doch die Neonlichter auf der gegenüberliegenden Seite des Huangpu-Flusses lassen die Gebäude und den Nachthimmel strahlen. Grün, blau, rot, pink – die Hochhäuser und Türme machen die Nacht zum Tag. Für Jansen ist dieser Ausblick über die Uferpromenade mehr als ein Touristenmoment. Er ist hierhergekommen, weil sein Unternehmen einen wichtigen Schritt vorbereitet. Es geht um den Wiedereintritt ins Kraftwerksgeschäft. Die Rohre dafür sollen aus einem Ort kommen, der kaum unterschiedlicher zur Metropole Shanghai sein könnte. Die Rede ist von Hellenthal, einem 2.000-Einwohner-Ort in der Eifel. Hier sitzt inmitten von Bergen und Wäldern das Familienunternehmen Schoeller. Es blickt auf eine 200-jährige Geschichte zurück, beschäftigt 800 Mitarbeiter und Kunden in mehr als 35 Ländern. Gerade hat die Firma in Hellenthal einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investiert und unter anderem einen Spezial-Laser angeschafft. Schoeller Werk fertigt spezialisierte Edelstahlrohre, die in Hellenthal geschweißt werden – bislang vor allem für die Automobilindustrie . Doch weil diese schwächelt, richtet das Unternehmen seinen Blick jetzt wieder auf einen fast vergessenen Markt in Asien: die Kraftwerkstechnik. "Wichtig, vor Ort Präsenz zu zeigen" Ein besonderes Augenmerk legt Schoeller auf China und Südkorea . Anfang 2025 reiste eine Delegation aus Hellenthal in beide Länder, um dort mit Vertriebspartnern und Kunden zu sprechen. In der Metropole Shanghai allein wohnen an Einwohnern gemessen über 12.000 Mal so viele Menschen – trotzdem empfingen führende Unternehmen aus der Energie- und Infrastrukturbranche die Delegation. In China entstanden noch während des Besuchs konkretere Planungen für die Zukunft. "Wir konnten spannende Anfragen mitbringen, aber noch wichtiger war es, vor Ort Präsenz zu zeigen. Gerade in Asien zählt der persönliche Kontakt, um Vertrauen aufzubauen", sagt Vertriebsmanager Philipp Nickel, der für Industriekunden verantwortlich ist. Auch Automobil-Verkaufschef Bernd Jansen verspricht sich viel von dem Besuch: "Made in Germany und die Marke Schoeller sind in unseren Zielmärkten stark besetzt." Gerade, wenn chinesische Vorlieferanten ausgeschlossen sind, stehen die Chancen für Lieferanten wie Schoeller gut. Schritt in die Vergangenheit – und doch in die Zukunft Die Kraftwerksbranche erlebt derzeit eine Renaissance, insbesondere in Asien. So beschloss das südkoreanische Ministerium für Handel, Industrie und Energie Ende Februar dieses Jahres, zwei neue große Kernreaktoren sowie weitere kleinere zu bauen. Der Anteil von Atomenergie soll bis 2038 von heute 30,7 auf 35,2 Prozent wachsen. Auch China baut aus – so viel wie weltweit kein anderes Land. Bis 2035 will China seinen Anteil an Atomenergie auf zehn Prozent, bis 2060 auf 18 Prozent steigern. "China ist heute der größte Markt für Kraftwerkskomponenten. Lokale Projekte setzen meist auf chinesisches Vormaterial – im Export sind Hersteller jedoch oft auf Importe angewiesen, weil manche Endkunden bewusst auf chinesisches Band oder Rohr verzichten", sagt Firmensprecher Timo Klein. Für Schoeller ist diese zunehmende Nachfrage eine Art Schritt in die Vergangenheit. Eigentlich hatte sich das Eifler Unternehmen aus dem Kraftwerksgeschäft zurückgezogen. Doch da insbesondere die deutsche Automobilindustrie schwächelt, schaut sich Schoeller um – und im Kraftwerksgeschäft lässt sich Geld verdienen. Denn wer Kraftwerke bauen will, braucht hochspezialisierte Rohre. Viertelmilliarde Euro Umsatz Schoeller erlöst als Produzent und Zulieferer rund 250 Millionen Euro Umsatz im Jahr, aktuell trägt der deutsche Markt rund 60 Prozent zum Umsatz bei. Durch den Wiedereinstieg in den Kraftwerksmarkt erhofft sich Schoeller einen mittleren, siebenstelligen Umsatz im Jahr. Die Energiekrise hat den Mittelständler hart getroffen, denn um Rohre herzustellen, braucht es Temperaturen von 1.000 Grad Celsius. "Konkrete Einschränkungen hatten wir nicht, außer dass man schon in Teilen nahezu von einer Verdopplung der Kosten sprechen kann", sagt Klein. Durch Absprachen mit Dienstleistern und Lieferanten beispielsweise konnte Schoeller seine Produktion am Laufen halten. Die Hallen des Werks prägen den ganzen Ort Nicht nur in Asien lässt sich Geschäft machen, auch in Europa gibt es Chancen: Ein Titan-Kondensatorprojekt für das Kernkraftwerk Borssele in den Niederlanden sei bereits gebucht worden, heißt es von Schoeller. Die USA sind ebenfalls Teil der Expansionsstrategie. Bislang macht Schoeller dort noch wenig Umsatz, deshalb betrifft die Firma der Zollstreit kaum. "Daher gehen wir damit sehr entspannt um", sagt Klein. Aus Shanghai brachten die Schoeller-Vertreter viel Zuspruch mit – auch für die Eifel. Der Standort käme bei den Partnern gut an, weil die Umgebung so schön sei. In der Region ist Schoeller das größte Unternehmen und bestimmt das Ortsbild: Durch nahezu ganz Hellenthal, entlang der Kölner Straße, ziehen sich die Hallen des Werks. Als Nachteil empfindet die Firma ihre ländliche Lage nicht, im Gegenteil: Wenn man seine Produkte weltweit über Tausende Kilometer verschifft, ist es auch egal, wenn die nächste Autobahnauffahrt eine halbe Stunde entfernt ist.
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