Erbschaft und Bürgergeld: Wann droht die Kürzung der Leistungen?

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Jeden Tag beantwortet ein Experte aus der t-online-Ratgeberredaktion eine Leserfrage rund ums Geld. Heute geht es um Bürgergeldempfänger, die ein Vermögen erben. Wer Bürgergeld bezieht, muss oft mit einem knappen Budget auskommen. Da kann eine Erbschaft auf den ersten Blick wie ein Segen wirken: endlich ein finanzielles Polster, etwa zur Schuldentilgung oder für längst überfällige Anschaffungen. Doch es bleibt die Unsicherheit. Ein t-online-Leser, der von einer Erbschaft profitierte, fragt: "Ich beziehe Bürgergeld und habe nun geerbt. Muss ich das dem Jobcenter melden – und verliere ich dadurch meine Leistungen?" Kann eine Erbschaft den Bürgergeldbezug einschränken? Grundsätzlich wirkt sich eine Erbschaft auf den Bezug von Bürgergeld aus. Sie sind nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, das Jobcenter darüber zu informieren. Ob Sie dadurch Ihr Bürgergeld verlieren, hängt jedoch davon ab, wie hoch das Erbe ist und wann Sie es erhalten haben. Entscheidend sind die geltenden Vermögensfreibeträge und die sogenannte Karenzzeit, die seit der Bürgergeldreform im Juli 2023 neu geregelt wurden. Bürgergeld bekommen und Bargeld zu Hause: Ist das erlaubt? Fragen und Antworten: Das sind die aktuellen Bürgergeld-Regelsätze Grundsätzlich gilt: Erbschaften zählen beim Bürgergeld nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen. Damit wird Ihr Anspruch nicht sofort gestrichen. Es kommt darauf an, ob das geerbte Vermögen bestimmte Grenzen übersteigt. Während der Karenzzeit, also im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs, liegt der Freibetrag bei 40.000 Euro für die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft. Für jede weitere Person kommen 15.000 Euro dazu. Erben Sie innerhalb dieser Zeit beispielsweise 35.000 Euro, bleibt das Bürgergeld in voller Höhe bestehen. Sie dürfen das Geld behalten. Nach der Karenzzeit sinkt der Freibetrag auf 15.000 Euro pro Person. Erben Sie dann beispielsweise 35.000 Euro, wird der Betrag, der über dem Freibetrag liegt – in diesem Fall 20.000 Euro – als Vermögen angerechnet. Dieses Geld müssen Sie dann zunächst für Ihren Lebensunterhalt einsetzen. Ihr Bürgergeld kann entsprechend gekürzt oder vorübergehend eingestellt werden. Wichtig: Die Erbschaft muss dem Jobcenter unverzüglich gemeldet werden. Wer den Geldzugang verschweigt, riskiert Sanktionen, Rückforderungen und in schweren Fällen sogar ein Strafverfahren wegen Sozialbetrugs. Bei Versäumnis kann ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro drohen. Beispiel: Erbschaft und Bürgergeld im Alltag Frau M., 45 Jahre alt, lebt allein mit ihrer 15-jährigen Tochter und bezieht Bürgergeld. Im Frühjahr 2025 erbt sie von ihrem Vater 50.000 Euro. Sie fragt sich, ob sie das Geld behalten darf und was das für ihre Leistungen bedeutet. Da Frau M. mit ihrer Tochter eine Bedarfsgemeinschaft bildet, liegt der Vermögensfreibetrag während der Karenzzeit bei 55.000 Euro (40.000 Euro für Frau M. und 15.000 Euro für ihre Tochter). Ihre Erbschaft von 50.000 Euro liegt unterhalb dieses Freibetrags. Sie darf das Geld also in voller Höhe behalten, das Bürgergeld wird nicht gekürzt. Wichtig ist aber, dass Frau M. die Erbschaft dem Jobcenter sofort mitteilt. Nach Ablauf der Karenzzeit würde sich die Situation ändern: Der Freibetrag sinkt dann auf 30.000 Euro (15.000 Euro pro Person). Die Erbschaft von 50.000 Euro würde den Freibetrag also um 20.000 Euro übersteigen. Diesen Betrag müsste Frau M. zunächst für ihren Lebensunterhalt einsetzen, und das Bürgergeld würde eine Zeit lang reduziert oder ausgesetzt, bis das Vermögen unter den Freibetrag fällt. Welche Erbschaften wie angerechnet werden Ob eine Erbschaft auf das Bürgergeld angerechnet wird, hängt nicht nur vom Betrag, sondern auch von der Art des Vermögens ab. Denn nicht jede Erbschaft ist sofort verwertbar – und manche können unter bestimmten Bedingungen sogar als sogenanntes Schonvermögen geschützt sein. Der Vermögensfreibetrag umfasst "normales Vermögen" wie Bargeld, Sparguthaben, Schmuck oder Wertpapiere. Also alles, was sich leicht verkaufen lässt und deshalb voll berücksichtigt werden kann. Unter das Schonvermögen fallen dagegen "besondere Vermögenswerte", die unabhängig von den Freibeträgen geschützt sind. Dazu zählen: eine selbst genutzte Wohnung (bis ca. 130 qm) oder ein Haus (bis ca. 140 qm), ein angemessenes Auto pro erwerbsfähiger Person (Richtwert: bis etwa 15.000 Euro Verkaufswert), geförderte Altersvorsorgeprodukte (zum Beispiel die Riester-Rente) und notwendiger Hausrat und Gegenstände für Ausbildung oder Beruf. Gut zu wissen: Pflichtteilsansprüche oder Vermächtnisse, also Geldbeträge, auf die Sie formal Anspruch haben, gelten seit 2024 ebenfalls als Vermögen und sind meldepflichtig. Luxusfahrzeuge, wertvolle Oldtimer oder Sportwagen, die den Richtwert von 15.000 Euro überschreiten, werden aufs Bürgergeld anrechnet. Auch bei einer geerbten Immobilie, die sie vermieten oder verkaufen wollen, zählt der Immobilienwert als verwertbares Vermögen. Sollte der Freibetrag überschritten werden, kann das Bürgergeld gekürzt werden. Ein Sonderfall gilt bei einer Erbengemeinschaft: Wenn Sie über nicht verwertbares Vermögen verfügen, weil Sie das Erbe beispielsweise mit anderen gemeinsam antreten – also Teil einer Erbengemeinschaft sind –, gilt der Erbanteil oft als nicht verwertbar und wird daher zunächst nicht angerechnet. Sobald Sie jedoch Ihren Anteil erhalten, sei es als Geld oder Sachwert, wird dieser als Vermögen bewertet und fließt in die Berechnung Ihres Bürgergeldes ein. Fazit: Das Wichtigste zur Erbschaft beim Bürgergeld Eine Erbschaft muss nicht automatisch zum Verlust des Bürgergeldes führen. Entscheidend ist, wie viel Sie erben, wann Sie es bekommen und ob Sie tatsächlich darüber verfügen können. Verwenden Sie das Erbe mit Bedacht. Das Jobcenter kann prüfen, ob Sie Ihr Vermögen zielgerichtet verbraucht haben, um wieder Leistungen zu erhalten. Einfache Ausgaben wie das Bezahlen von Schulden oder notwendige Anschaffungen sind aber in der Regel unproblematisch. In besonderen Fällen kann die sogenannte Härtefallregelung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB II greifen. Das heißt: Wenn die Verwertung der Erbschaft unzumutbar wäre – etwa wegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder unwirtschaftlicher Folgen – kann das Vermögen ganz oder teilweise unangetastet bleiben. Melden müssen Sie das Erbe in jedem Fall. Das ist Ihre Pflicht, auch wenn Sie glauben, dass es keine Auswirkungen auf Ihre Leistungen hat. Wer zu spät oder gar nicht informiert, riskiert Rückzahlungen, Sanktionen und in schweren Fällen sogar ein Strafverfahren.
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