Frauen-EM: Ann-Katrin Berger nach Kritik wieder im Mittelpunkt

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Erst wurde sie kritisiert, dann brachte sie Deutschland ins Halbfinale: Die EM ist für Ann-Katrin Berger ein Auf und Ab – mit einer Erinnerung an eine frühere Geschichte. Aus Basel berichtet Kim Steinke Es lief bereits die 103. Minute: Deutschland kämpfte sich mit einem 1:1 in die Verlängerung, hielt gegen die Offensivversuche Frankreichs Stand – doch dann der Schreckmoment. Bei einer Halbfeldflanke von Sakina Karchaoui stieg DFB-Kapitänin Janina Minge unbedrängt hoch und verlängerte den Ball per Kopf unfreiwillig als Bogenlampe aufs eigene Tor. Sollte ausgerechnet ein Eigentor den Kampf ums EM-Halbfinale entscheiden? Nicht ganz: Inmitten der Vorwärtsbewegung hechtete Deutschlands Schlussfrau Ann-Katrin Berger zurück – und kratzte den Ball sensationell von der Linie. Noch in der vergangenen Woche vom Bundestrainer angezählt und in der Öffentlichkeit kritisiert , avancierte die 34-Jährige in Basel zur Heldin des Abends. Deutschland besiegte Frankreich am Ende mit 6:5 nach Elfmeterschießen und zog in die Runde der letzten Vier ein. Berger spielte dabei eine besondere Rolle – ihre Nervenstärke erinnerte zudem an einen Moment im vergangenen Jahr. "Habe es vergessen" Innenverteidigerin Rebecca Knaak sagte nach Abpfiff über die oben beschriebene Parade Bergers: "Sie ist einfach der Wahnsinn. Ich habe die Situation beobachtet und gesehen, wie sie hinkommt, aber dass sie ihn so klärt, ist krass", erinnerte sie sich. "Ich habe meinen größten Respekt vor ihr." Berger selbst hat nur vage Erinnerungen an die Szene: "Ich weiß nicht, wie ich da noch hingekommen bin." Ihre Bewegung sei ein Mix aus Reaktion und Instinkt gewesen. Trotz anschließender Schulter- und Nackenbeschwerden hielt Berger durch, verhinderte einen weiteren Treffer Frankreichs – und rettete Deutschland ins Elfmeterschießen. Den ersten Schuss von Amel Majri parierte sie, kurz darauf verwandelte die Torhüterin sogar selbst. Alice Sombath trat an den Punkt, Berger blieb ruhig und verhalf den DFB-Frauen mit der nächsten Parade zum Einzug ins EM-Halbfinale. Elisa Senß beschrieb sie als "Elfer-Killerin", Klara Bühl bezeichnete Bergers Leistung als "Weltklasse". Auffällig dabei: Berger sprang nur bei einem von sieben Schüssen in die rechte Ecke. Torwarttrainer Michael Fuchs hatte extra einen Spickzettel vorbereitet . "Tatsächlich habe ich kein einziges Mal draufgeguckt. Ich habe es vergessen", offenbarte Berger im Anschluss. Ihr Trick? "Ich bin ein Typ, der mehr im Moment lebt und der ein gutes Gefühl bei Elfmetern hat." Die Achterbahnfahrt Doch eben jene Momententscheidungen fielen "Anne", wie sie im Team auch genannt wird, zuletzt auf die Füße. Nach dem zweiten EM-Gruppenspiel gegen Dänemark (2:1) wurde Berger für ihre mitunter riskante Spielweise von Bundestrainer Christian Wück angezählt . Ihm habe der Stil nicht gefallen, dass Berger teilweise in den Zweikampf mit ihren Gegenspielerinnen geht. Beim 1:4-Debakel gegen Schweden leistete sich die Torhüterin von NY/NJ Gotham zudem zwei haarsträubende Fehlpässe, die beinahe zu Gegentoren geführt hätten. Sie selbst ließ die Kritik kalt . Gegen Frankreich war ebenso nichts davon zu spüren – im Gegenteil. Stürmerin Giovanna Hoffmann erklärte: "Ich finde es bemerkenswert, wie Anne mit den ersten drei Spielen umgegangen ist. Es ist nicht wenig Kritik auf sie eingeprasselt." Das Team sei froh, Berger im Tor zu haben. Auch Bundestrainer Wück äußerte sich nach dem nervenaufreibenden Sieg wertschätzend über seiner Nummer eins: Berger habe Ruhe ausgestrahlt und gute Paraden gezeigt, "deswegen ist es unheimlich wertvoll für uns, so jemanden im Team zu haben". Die Kritik aus der vergangenen Woche fand im Viertelfinale keinen Platz. Gegen Frankreich knüpfte Berger stattdessen an eine Leistung an, die bereits einen Sommer zurückliegt. Unter Ex-Bundestrainer Horst Hrubesch setzte sich Berger damals gegen die frühere Nationaltorhüterin Merle Frohms durch, die Olympischen Spiele in Paris wurden ihr erstes Turnier für Deutschland als Stammkeeperin. Die DFB-Frauen qualifizierten sich in Paris für das Viertelfinale. Gegen Kanada wurde das Duell damals ebenso im Elfmeterschießen entschieden. Nach Toren von Giulia Gwinn und Janina Minge parierte Berger gegen Ashley Lawrence, direkt danach gegen Adriana Leon. Und auch damals trat Berger selbst zum fünften Elfmeter für Deutschland an – und schoss ihr Team ins Halbfinale. Doch damit nicht genug. Im olympischen Spiel um Platz drei führten die DFB-Frauen lange gegen Spanien mit 1:0. In der Nachspielzeit (90. Minute +9) bekam der Weltmeister allerdings einen Foulelfmeter zugesprochen. Und Berger? Sie hielt den Schuss von Weltfußballerin Alexia Putellas – und sicherte Deutschland die Bronzemedaille. Die Schwäbin, die zweimal an Schilddrüsenkrebs erkrankt war, kann Elfmeter. Nach dem Sieg über Frankreich am Samstagabend ging sie trotzdem hart mit sich ins Gericht: Sie sei manchmal "zu früh gesprungen. Das weiß ich". Ihr Opa würde ihr dasselbe sagen. Der 92-Jährige war bereits beim Dänemark-Spiel in Basel vor Ort, einen weiteren Stadionbesuch plant er laut Berger aber nur in einem möglichen Finale ein . "Deswegen musste ich auch kurz einen Elfmeter schießen und zwei halten. Jetzt geht es weiter", erklärte Berger. Der Weg ins Endspiel ist nicht mehr weit. Deutschland trifft schon am Mittwoch auf Weltmeister Spanien – und geht erneut als Außenseiter ins Halbfinale (ab 21 Uhr im t-online-Liveticker).
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