Grundsteuer-Reform: Bundesfinanzhof prüft Klagen auf Verfassungsmäßigkeit

latest news headlines 5 std vor
Flipboard
Über 2.000 Klagen hat die Grundsteuerreform bundesweit nach sich gezogen. Nun beschäftigt sich das höchste deutsche Finanzgericht mit drei von ihnen. Diesen Gerichtstermin dürften sich viele Eigentümer im Kalender markiert haben: Ab diesem Mittwoch verhandelt der Bundesfinanzhof (BFH) in München drei Klagen gegen die Grundsteuerreform, die seit 2025 greift und in den Jahren zuvor bereits Millionen Besitzer von Grundstücken und Immobilien zu speziellen Steuererklärungen gezwungen hatte. In den mündlichen Verhandlungen geht es nun um die Frage, ob das sogenannte Bundesmodell zur Berechnung der Grundsteuer verfassungsgemäß ist. t-online erklärt, was es damit genau auf sich hat, ob bereits ein Urteil fällt und wie Eigentümer von Entscheidungen über die Grundsteuer profitieren können. Warum die Grundsteuer fast jeden betrifft Die Grundsteuer ist eine der wenigen Abgaben, die praktisch jede und jeden betrifft. Eigentümer zahlen sie direkt, doch Vermieter dürfen sie in der Regel als Nebenkosten auf ihre Mieter umlegen. Das bedeutet: Steigt die Grundsteuer, steigen auch viele Warmmieten. Vermieter und Mieter: Wann Sie Grundsteuer absetzen können Formeln und Beispiele: So berechnet sich die Grundsteuer im Bundesmodell Gleichzeitig ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Mit den jährlichen Milliardeneinnahmen finanzieren die Städte und Gemeinden Straßen, Schulen, Kitas oder Grünanlagen. Allerdings war eine Reform nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die alte Berechnung der Grundsteuer 2018 kassiert hatte. Grund dafür war, dass sich die Steuer auf Basis völlig veralteter Daten berechnete: Die zugrundeliegenden Grundstückswerte waren im Westen seit 1964 nicht mehr aktualisiert worden, im Osten seit 1935. Grundbesitz wurde also jahrzehntelang nach Maßstäben bewertet, die mit der Realität nichts mehr zu tun hatten. Äußerst kompliziertes Flickwerk Der Bund ließ den Ländern bei der Reform allerdings freie Hand, was zu einem komplizierten Flickenteppich führte: Manche Bundesländer schlossen sich dem Modell an, das der Bund vorschlug, andere wichen von diesem Bundesmodell ab und trafen eigene Regelungen. So führten Baden-Württemberg , Bayern, Hamburg , Hessen und Niedersachsen eigene Landesgesetze zur Grundsteuer ein. Für alle anderen gilt das Bundesmodell, über das der Bundesfinanzhof nun verhandelt. Es orientiert sich an Bodenrichtwerten, Nettokaltmieten, Grundstücksgröße und Gebäudealter. In Bayern beispielsweise wählte man ein sehr viel einfacheres Modell , bei dem die Grundstücksfläche den Ausschlag gibt; Hessen wählte einen ähnlichen Weg . Mehr Einnahmen trotz "aufkommensneutraler" Reform Die Politik hatte versprochen, die Reform werde "aufkommensneutral" sein, also keine versteckte Steuererhöhung bringen. Das bedeutet aber nicht, dass auch jeder Eigentümer nun genau so viel oder wenig zahlen muss wie zuvor. Manche zahlen deutlich mehr, andere weniger. Und weil die Kommunen die sogenannten Hebesätze selbst festlegen, entscheidet letztlich das Rathaus über die tatsächliche Höhe der Abgabe. Tatsächlich nehmen es viele Kommunen mit der Aufkommensneutralität nicht so genau , wie eine gemeinsame Analyse des Geldratgebers "Finanztip" und des gemeinwohlorientierten Medienhauses "Correctiv" zeigt. Demnach kassieren in Hessen vier von fünf Kommunen 2025 mehr Grundsteuer als zuvor, in Sachsen ist es jede fünfte. Rund 80 Prozent der hessischen Städte und Gemeinden überschreiten die vom Land empfohlenen Hebesätze, teils sogar deutlich. "Wenn die Hebesatzempfehlungen korrekt berechnet wurden und Kommunen ihre Einwohner stärker zur Kasse bitten, ist das nichts anderes als eine Steuererhöhung", sagt "Finanztip"-Steuerexperte Jörg Leine. Auch in den Ländern, die vom Bundesmodell abweichen, hagelte es daher Hunderte Klagen. Mit den Ländergesetzen will sich der Bundesfinanzhof 2026 befassen. Was der Bundesfinanzhof jetzt prüft Der II. Senat des Bundesfinanzhofs verhandelt an diesem Mittwoch drei Revisionsverfahren aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin-Brandenburg. Es wird dabei prüfen, ob die Bewertungsregeln des Bundesmodells verfassungsgemäß sind. Konkret geht es um die Neuberechnung des sogenannten Grundsteuerwerts. Um diese Verfahren geht es: 9.30 Uhr (Az. II R 25/24): Das Finanzgericht Köln , das über diese Frage in erster Instanz entschied, war der Ansicht, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt. 10.30 Uhr (Az. II R 31/24): Auch das Sächsische Finanzgericht war in drei Fällen der Auffassung, dass die Neuregelung zur Grundsteuer verfassungsgemäß ist. So urteilte es auch in einem vierten Fall, bei dem es um ein Einfamilienhaus ging, dem ein Erbbaurechtsvertrag zugrunde liegt. 11.30 Uhr (Az. II R 3/25): In der vorangegangenen Entscheidung beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg waren die Richter in zwei Fällen der Auffassung, dass das Bundesmodell verfassungsgemäß ist. Die Verfahren werden vom Eigentümerverband Haus & Grund unterstützt, der die Reform schon früh als "Grundsteuer-Ungeheuer" kritisierte. Urteile fallen am Mittwoch noch nicht. Der BFH will am Donnerstag bekannt geben, wann die Entscheidungen verkündet werden. Wer kann von einem BFH-Urteil profitieren? Bundesweit sind inzwischen mehr als 2.000 Klagen gegen die neue Grundsteuer anhängig. Viele Eigentümer sehen ihre Immobilien als zu hoch bewertet. Einige Gerichte haben Klagen bereits abgewiesen, andere Verfahren ruhen, bis der BFH entschieden hat. Grundsätzlich herrscht bei den Finanzgerichten weitgehende Einigkeit, dass die neue Rechtslage verfassungsgemäß sei. Spannend ist nun, ob sich der BFH und damit das höchste deutsche Finanzgericht dieser Sichtweise anschließt. Sollte dem so sein, dürften sich die Verfahren bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Sollte das oberste Finanzgericht das Bundesmodell hingegen für nicht rechtmäßig halten, können Eigentümer nur dann davon profitieren, wenn der Bescheid über den Grundsteuerwert noch offen ist. "Das ist er aber nur, wenn rechtzeitig Einspruch gegen diesen Bescheid eingelegt und dieser zum Beispiel mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet wurde", erklären die Steuerexperten von Wolters Kluwer Steuertipps. Die Frist für einen Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid beträgt einen Monat. Allerdings dürften die Bescheide bereits vor Jahren bei den Eigentümern eingegangen sein – zumindest, wenn diese ihre Grundsteuererklärung fristgerecht abgegeben hatten. Wer damals keinen Einspruch eingelegt hat, kann nur noch bei klaren Bewertungsfehlern oder neuen Tatsachen eine Korrektur verlangen.
Aus der Quelle lesen