Heizen: So steht es um die Gasversorgung in Deutschland

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Der Winter steht kurz bevor und das heißt: Es muss wieder geheizt werden. Doch seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine hat sich die Gasversorgung verändert. Wie ist der aktuelle Stand? Deutschland erlebt ein goldenes Herbstwochenende: Zeit für Waldspaziergänge, einen letzten Kaffee auf der Terrasse oder Gartenarbeit. An den nahenden Winter und die bevorstehenden niedrigen Temperaturen mag da kaum jemand denken. Doch seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor mehr als zwei Jahren hat sich die deutsche Energieversorgung deutlich verändert, denn der vormals größte Lieferant Russland schickt kein Gas mehr nach Deutschland. Seit Juni 2022 gilt deshalb auch die Alarmstufe des Notfallplans – auch jetzt noch. Dennoch gibt die Bundesnetzagentur Entwarnung. "Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet", heißt es von der Behörde auf ihrer Internetseite. Die Gefahr für eine angespannte Versorgungslage sei derzeit gering. Zu diesem Schluss kommt die Bundesnetzagentur auch, weil die Gasspeicher bereits im Juli das Füllziel für den Oktober von 85 Prozent erreicht hatten. Derzeit liegt der Füllstand bei 97,16 Prozent. Doch eine sichere Versorgung heißt nicht, dass die Preise stabil bleiben, wie Auswertungen von Vergleichsportalen zeigen. Gasspeicher alleine reichen nicht Hinzu kommt auch eine Erkenntnis aus den vergangenen Jahren: Die Gasspeicher allein können Deutschland nicht durch den Winter bringen, sie stellen lediglich einen wichtigen Pfeiler in der Versorgungssicherheit dar. Sie sollen Schwankungen beim Gasverbrauch ausgleichen und bilden dadurch eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Für gewöhnlich sind sie mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt. Bis zum Frühjahr nehmen die Füllstände dann ab. An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt. Doch den Gesamtbedarf können und sollen sie nicht decken. Zahlen des Branchenverbands Ines (Initiative Erdgasspeicher) zeigen: Die Speicher in Deutschland können insgesamt Gas mit einem Energiegehalt von maximal rund 256 Terawattstunden speichern. Das entspricht etwa einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland (rund 1.000 Terawattstunden). "Dieses Speichervolumen allein kann Deutschland zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen", hieß es von der Bundesregierung vor zwei Jahren dazu. Um die Gasversorgung darüber hinaus zu sichern, haben die Bundesregierung und Energieversorger gemeinsam neue Verträge mit Lieferanten verhandelt und bei bestehenden Verträgen die Liefermenge erhöht. Mittlerweile bezieht Deutschland die größten Mengen aus Norwegen , den Niederlanden und Belgien . Umwelthilfe will LNG-Gesetz aufheben Die Deutsche Umwelthilfe forderte, die Bundesregierung müsse die Alarmstufe des Notfallplans Gas unverzüglich zurücknehmen und auf die Frühwarnstufe reduzieren. Damit sei auch klar, dass es keines Weiterbaus neuer LNG-Terminals bedürfe. Das LNG-Beschleunigungsgesetz, mit dem die neuen Anlagen in einem verkürzten Verfahren und mit reduziertem Rechtsschutz errichtet werden dürfen, müsse umgehend aufgehoben werden. Die Lobbyorganisation warnte schon in den vergangenen Jahren immer wieder vor den möglichen Umweltschäden durch die Errichtung der Terminals vor der deutschen Küste. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Im Gegenteil: Noch vor dem Winter sollen die beiden LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven in Betrieb gehen. An beiden Stellen laufen derzeit noch Restarbeiten, Zulieferprobleme hatten zu Verzögerungen geführt. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzt weiter auf LNG. Erst im September sagte er, Deutschland sei gut gerüstet. Die Gasspeicher seien für den nächsten Winter wieder sehr gut gefüllt. Über die LNG-Terminals gebe es eine Puffer-Kapazität. Die Lage sei allerdings insofern noch unter Beobachtung, als es im südosteuropäischen Raum eine Abhängigkeit von Gas gebe, das über die Türkei oder über die Ukraine aus Russland komme. Das betreffe dann unter anderem Österreich , das noch auf diesem Weg Gas bezieht. Eine ähnliche Einschätzung gab zuletzt auch die Internationale Energieagentur (IEA) ab. Ein komplettes Ende von russischen Gaslieferungen über die Ukraine könnte den Bedarf nach Flüssiggas in Europa erhöhen, was dann wiederum die weltweite Versorgung unter Druck setze. Denn bei der Aufrechterhaltung des globalen Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage spiele Flüssiggas eine entscheidende Rolle. Denn gerade in Asien prognostiziert die IEA einen Anstieg beim Gasverbrauch um 2,5 Prozent in diesem Jahr und um weitere 2,3 Prozent im kommenden Jahr. "Das Wachstum der weltweiten Gasnachfrage in diesem und im nächsten Jahr spiegelt die allmähliche Erholung von der globalen Energiekrise wider, die die Märkte hart getroffen hat", sagte der IEA-Direktor für Energiemärkte und -sicherheit, Keisuke Sadamori. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sei jedoch fragil und könne schwanken. Daher müssten Erzeuger und Verbraucher eng zusammenarbeiten, um diese unsicheren Zeiten zu meistern. Verivox: Preise können zum Jahreswechsel steigen Doch was heißt das für Verbraucher? Zur Preisentwicklung sagte Habeck, die verfügbare Menge an Gas werde steigen. Das werde einen Preiseffekt haben, der dann auch in den deutschen Gas- und Strompreisen ankommen werde. Doch wann genau das spürbar werden könnte, ist unklar. Das Preisvergleichportal Verivox sieht zu Beginn der Heizperiode stabile Erdgaspreise. Der durchschnittliche Gaspreis in Deutschland liegt aktuell bei 11,24 Cent pro Kilowattstunde. Zum Jahreswechsel hingegen kann es nun zu Preissteigerungen kommen, denn dann steigen die Gasnetzgebühren um bis zu 56 Prozent an. Für ein Einfamilienhaus können so Mehrkosten von jährlich bis zu 445 Euro anfallen. Grund dafür ist, dass die Gasversorger ab dann die mögliche Stilllegung ihrer Netze ab 2035 in ihre Abschreibungen einkalkulieren dürfen. Im Schnitt steigt diese Gebühr laut Verivox um 23 Prozent. Umgelegt auf den Gesamtgaspreis sieht das Portal einen durchschnittlichen Anstieg von fünf Prozent. Das entspräche dann einem Gaspreis von 11,76 Cent pro Kilowattstunde. Die detaillierte Auswertung und welche Regionen in Deutschland besonders von Preisanstiegen betroffen sind, können Sie hier nachlesen . "Da die Gasnetze Monopole und die Netzgebühren staatlich reguliert sind, können sich die Haushalte diesen höheren Kosten nur schwer entziehen, denn die Gasversorger geben die Netzgebühren in der Regel direkt an ihre Kunden weiter", sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox.
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