Ein Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan löste vor der WM 2018 einen Eklat aus. Jetzt äußert sich Ex-Bundestrainer Joachim Löw über die Interna. Ex-Bundestrainer Joachim Löw hat sich genauer zu den Umständen des Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland geäußert. Dabei nahm der 65-Jährige auch Bezug auf den Eklat um das gemeinsame Foto der Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, das in der Vorbereitung auf das Turnier einen Eklat ausgelöst hatte. "Das hat für unglaublich viele Diskussionen gesorgt in unserem Land", sagte Löw über die Situation im "Doppelpass" bei Sport1. "Die zwei, drei Wochen im Trainingslager gab es eigentlich nur ein Thema. Also haben wir einfach zu viel Energie, zu viel Konzentration verloren und dann sind wir in die WM und alles war irgendwie weg", so der Ex-Bundestrainer weiter. Löw: Mannschaft war gespalten Die Kontroverse über das Foto habe auch innerhalb der Mannschaft zu einer Spaltung geführt. "Es war das erste Mal zu meiner ganzen Zeit über die vielen Jahre hinweg, dass die Mannschaft sich nicht mehr so einig war", sagte Löw. "Sonst haben wir immer unglaublich gute Energie gehabt, in den Turnieren. Vor den Turnieren sowieso. Da war das erste Mal, dass die Mannschaft so ein bisschen gespalten war." Konkret sei es dabei um die Frage gegangen, ob Özil und Gündoğan überhaupt noch mit zur WM fahren sollten. "Weil dieses Thema war so überstrahlend, das hat uns dann echt auch gestört." "Möglicherweise wäre es besser gewesen" Rückblickend hält Löw es zumindest für möglich, dass es besser gewesen wäre, die Spieler zu Hause zu lassen. "Möglicherweise wäre es vielleicht besser gewesen. Ich habe zu dem Zeitpunkt gesagt: Gerade jetzt, wenn die Spieler so unter Beschuss sind, müssen wir sie schützen. Aber: Es waren ja beide Spieler, weder Mesut noch İlkay, dann nicht in der Lage noch gute Leistungen zu bringen", erklärte er und nennt sogar Details: "Der İlkay saß in der Kabine und hat Tränen vergossen und der Mesut war natürlich auch dementsprechend demoralisiert, weil die ganzen Anfeindungen, die es dann gab zu der Zeit, die haben die Spieler schon auch stark belastet." Löw gab aber auch andere Fehler zu. "Wir waren natürlich in vielen Bereichen auch schlecht und sind dann eigentlich auch völlig zurecht ausgeschieden", gab er sich offen. Gerade im Eröffnungsspiel habe auch er selbst taktische Fehler gemacht. "Ich habe von der Mannschaft totale Offensive eingefordert, total hohe Außenverteidiger. Da habe ich gemeint, wir sind jetzt zu dem Zeitpunkt so in der Lage, Druck auszuüben." Quartierwahl war politische Entscheidung Eine Fehleinschätzung, wie Löw heute denkt: "Bei einem WM-Spiel am Anfang ist es vielleicht auch mal klug, wenn man ein bisschen vorsichtiger agiert, um ein bisschen Stabilität zu finden. Das habe ich damals unterschätzt." Auch die Quartierwahl nennt Löw als einen kontraproduktiven Faktor. Die DFB-Elf bezog damals ein abgelegenes Quartier im Moskauer Umland. Beim Triumph im Confederations Cup ein Jahr zuvor hatte sie noch in Sotschi gewohnt. "Grundsätzlich haben wir im Vorfeld dafür gekämpft, dass wir nach Sotschi gehen, weil da haben wir gute Erfahrungen gemacht", berichtete Löw nun. Die Entscheidung für Moskau sei dann eine politische, angesichts des Status der Mannschaft gewesen: "Der Weltmeister muss nach Moskau gehen. Da war ein bisschen Druck auf unserem Verband. Alle haben irgendwie nach Moskau gedrängt." All diese Faktoren hätten zu den desolaten Auftritten geführt. "Man hat gemerkt: Wenn man bei so einem Turnier ein paar Prozent verliert an Konzentration, wenn du ein paar Prozent eben nicht so bereit bist, dann bist du relativ schnell daheim", sagte Löw.