Es ist nur eine Tat von vielen in der Gewaltserie rund um Stuttgart: Vor einer Bar wird aus einem Wagen auf eine Gruppe geschossen. Von den Schützen fehlt jede Spur, aber der Fahrer muss in Haft. Aus einem Auto heraus peitschen sieben Schüsse in nur drei Sekunden durch die Eislinger Nacht, einer davon trifft eine Frau ins Bein. Dann ruft der Beifahrer "Fahr, Fahr", der Mann am Steuer gibt Gas und rast mit dem Schützen davon. Eine weitere Gewalttat in einer blutigen Fehde von zwei gewaltbereiten multiethnischen Gruppen im Raum Stuttgart , das ist den Ermittlern schnell klar. Rund zwei Jahre nach dem von Ermittlern auch "Drive-by-Shooting" (deutsch: Schüsse im Vorbeifahren) genannten Anschlag auf eine Gruppe vor einer Shisha-Bar nimmt der Fahrer des Wagens das Urteil des Landgerichts in Stuttgart regungslos entgegen. Wegen versuchten Mordes muss er aus Sicht der Kammer für viereinhalb Jahre in Haft. Der 26-Jährige hatte eingeräumt, das Auto gesteuert zu haben. Die Namen der zwei weiteren Insassen hatte er aber nicht verraten. Angeklagter aus dem Dunstkreis einer Gruppe Der junge Mann sei zwar sehr wahrscheinlich kein Mitglied einer der verfeindeten regionalen Gruppen. Er sei aber in ihren Dunstkreis geraten und habe sich in seiner wichtigen Rolle als Fahrer mitschuldig gemacht, sagte der Vorsitzende Richter. Er habe vielleicht nur mit einer Abreibung gerechnet vor der Bar. Spätestens in den Momenten vor der Tat habe er aber wissen müssen, dass auch geschossen werden würde. "Eine kontrollierte Schussabgabe aus ihrem fahrenden Auto heraus war nicht möglich. Der Tod eines Menschen wurde also billigend in Kauf genommen", sagte der Richter. Der Mann sei ein "untergeordneter Mittäter" gewesen. Mit dem Urteil bleibt die Kammer deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sieben Jahre und einen Monat Haft gefordert hatte. "Es ist bei ihnen angekommen, dass man einfach dazu stehen muss, wenn man Mist gebaut hat", sagte der Richter. Durch seine Aussage habe sich der Mann eine wesentlich längere Freiheitsstrafe erspart. Kammer überzeugt: Prozess hat mit Gewaltserie zu tun Der Fall steht aus Sicht der Kammer im Zusammenhang mit einer seit zweieinhalb Jahren tobenden Fehde zwischen zwei Gruppen, eine aus Esslingen, Plochingen und Ludwigsburg, die andere aus Göppingen und Stuttgart-Zuffenhausen in der Region Stuttgart. Seit Mitte 2022 sind dabei immer wieder Schüsse gefallen. Höhepunkt der Auseinandersetzungen war bislang der Anschlag mit einer Handgranate auf eine Trauergemeinde in Altbach (Kreis Esslingen). Nach einer früheren Schätzung des Landeskriminalamts gehörten den Gruppen einst mehr als 500 junge Menschen als Unterstützer, Mitläufer oder auch Führungspersonal an. Die Motive hinter der Bandenkriminalität sind weiterhin schwer fassbar und von den Tatverdächtigen ist kaum ein Entgegenkommen zu erwarten. Bislang wurden laut Innenministerium mehr als 90 Menschen festgenommen. Aus Sicht des Landeskriminalamts handelt es sich nicht um familiäre Clans oder um klassische Bandenkriminalität, sondern um ein neues Phänomen. Demnach eskaliert die Gewalt zumeist nach wechselseitigen Ehrverletzungen, es geht um territoriale Machtansprüche und das Motto "Crime as a Lifestyle" ("Verbrechen als Lebensstil"), mit dem sich viele laut LKA stark identifizieren. Gehört die Gewalttat in Möhringen auch zur Serie? In den vergangenen Monaten hat die Zahl der zumeist blutigen Zwischenfälle in der Fehde zwar deutlich abgenommen. Unklar ist aber weiter, ob eine Gewalttat vom Dienstagabend im Stuttgarter Stadtteil Möhringen dazugezählt werden muss. Dabei war ein 27-Jähriger mit schweren Verletzungen gefunden worden. Laut Polizei wurde der Mann "mutmaßlich durch einen Schuss" verletzt. Zum Ermittlungsstand gibt sich die Polizei weiter zugeknöpft. Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen. "Inwiefern diese Tat im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppierungen im Großraum Stuttgart steht, wird derzeit geprüft", teilte das LKA mit.