Klimawandel: Hitzewellen belasten Gesundheit und Wirtschaft drastisch

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Die Sonne scheint, doch die Kosten explodieren: Hitzewellen und Extremwetter fordern ihren Tribut. Neue Zahlen zeigen, was wirklich auf dem Spiel steht. Ein warmer Sommertag, blauer Himmel, Sonne auf der Haut – das fühlt sich gut an. Viele verbinden Sonnenschein mit Lebensfreude, Urlaub und Gesundheit. Sonnenlicht regt die Vitamin-D-Produktion an, stärkt das Immunsystem und hebt die Stimmung. Doch was heute Wohlbefinden schafft, kann schon morgen zur Bedrohung werden: Steigen die Temperaturen zu stark, leiden Kreislauf, Herz und Haut. UV-Strahlung erhöht das Risiko für Hautkrebs, Hitzewellen führen zu mehr Todesfällen. Auch die Wirtschaft spürt die Kehrseite der Sonne. Hitze, Dürre und Starkregen verursachen immer häufiger Schäden in Milliardenhöhe. Die Folgen des Klimawandels sind keine Zukunftsfrage mehr – sie betreffen Deutschland längst spürbar. Studien versuchen inzwischen, die enormen Kosten dieser Entwicklung in Zahlen zu fassen: mit beklemmenden Ergebnissen. Mehr Hitzetage – mehr Belastung Der Klimawandel wird Deutschland in Zukunft deutlich stärker treffen. Laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) nimmt die Zahl heißer Tage in vielen Regionen drastisch zu. Bis zum Jahr 2100 könnte sich deren Häufigkeit je nach CO₂-Ausstoß verdoppeln, verdreifachen oder sogar verfünffachen. Besonders im Süden steigt die Zahl der Hitzetage – also Tage mit starker oder extremer Wärmebelastung – auf bis zu 25 pro Jahr. Städte wie Frankfurt , Hamburg oder Mannheim verstärken diesen Trend durch sogenannte Hitzeinseleffekte – das sind Orte, an denen die Temperaturen auch nachts kaum noch sinken. Frankfurt etwa könnte die Zahl von aktuell rund drei heißen Tagen auf bis zu 22 ansteigen. Die gefühlte Temperatur – also das, was der Körper tatsächlich als Hitzestress empfindet –, beeinflusst durch Luftfeuchtigkeit, Wind und Strahlung, ist dabei entscheidend für das Gesundheitsrisiko. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, chronisch Kranke und Bewohner dicht bebauter Viertel. Die Folge: steigende Kosten für das Gesundheitssystem und die Infrastruktur. Was Hitze das Gesundheitssystem kostet Zwar sind exakte Prognosen, welche finanziellen Folgen der Klimawandel auf das Gesundheitswesen hat, schwierig. Doch Studien liefern klare Hinweise auf stark steigende Kosten. Laut einer Untersuchung der Allianz-Versicherung könnten die Gesundheitsausgaben in Europa bis 2025 allein durch häufigere Hitzewellen um 4,9 Prozent steigen. Für Deutschland entspricht das Mehrkosten von fast 25 Milliarden Euro. Diese Summe umfasst nicht nur akute Beschwerden wie Kreislaufprobleme und Hitzschläge besonders gefährdeter Gruppen, sondern auch eine steigende Anzahl von Vorerkrankungen sowie zusätzliche Krankenhausaufenthalte. Noch fehlen detaillierte Analysen für alle Folgeeffekte, doch die Richtung ist eindeutig: je mehr Hitzetage, desto stärker die Belastung für das Gesundheitssystem und damit auch für den Geldbeutel jedes Einzelnen. Gefährliche Hitzetage und die Folgekosten Hitzetage über 35 Grad haben konkrete Folgen: Die Produktivität sinkt, Krankmeldungen nehmen zu, Kliniken verzeichnen mehr Notfälle. Allein in den Sommern 2018 bis 2020 starben laut Auswertung des Robert Koch-Instituts (RKI), des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Umweltbundesamts über 19.000 Menschen in Deutschland hitzebedingt. Steigen die Temperaturen, dann klettern auch die Energiekosten auf das Drei- bis Fünffache, weil mehr Klimaanlagen in Betrieb sind. Pro Gerät entstehen Mehrkosten von rund ein bis zwei Euro täglich – allein in privaten Haushalten. Hochgerechnet verursachen besonders heiße Tage jährlich zusätzliche Stromkosten zwischen 100 und 180 Millionen Euro. Mit der wachsenden Verbreitung von Klimageräten dürften diese Kosten weiter steigen. Doch Klimaanlagen haben einen Haken: Sie verlagern die Wärme nur. Sie kühlen Innenräume und blasen die heiße Luft nach draußen. In dicht bebauten Städten verstärken sie damit das Aufheizen der Umgebung. Was kurzfristig Erleichterung bringt, verschärft langfristig das Problem. Die Folge: noch mehr Hitze, noch mehr Stromverbrauch – ein teurer Kreislauf. Gleichzeitig explodieren die Gemeinkosten: Straßen und Schienen erleiden Hitzeschäden. Was bei 25 Grad noch funktioniert, wird bei 35 Grad zum unkalkulierbaren Kostenfaktor für Unternehmen, Privatpersonen und den Staat. Wenn Extremwetter Milliarden verschlingen Extremwetter wie Dürresommer, Hitzewellen, Überschwemmungen und Sturzfluten haben Deutschland in den vergangenen Jahren wirtschaftlich hart getroffen. Zwischen 2018 und 2021 entstanden laut Bundeswirtschaftsministerium und Rückversicherer Munich Re Schäden von über 80 Milliarden Euro. Allein die Sturzflut im Ahrtal im Juli 2021 kostete 40 Milliarden Euro und 134 Menschen das Leben – mehr als jede andere Naturkatastrophe seit dem Jahr 2000. Die Hitzesommer 2018/2019 schlugen dem Beratungsunternehmen Prognos im Auftrag der Bundesregierung zufolge mit rund 35 Milliarden Euro zu Buche, inklusive großer Verluste in der Bauwirtschaft, beim Verkehr, in der Land- und Forstwirtschaft. Umwelt- und Klimaexperte Oliver Lührmann von Prognos verweist auf den Kohleausstieg, der ähnlich viel koste, aber nur ein einziges Mal. Die Klimaschäden hingegen summierten sich stetig, von Jahr zu Jahr. Von der Jahrtausendwende bis 2021 entstanden laut der Studie insgesamt Schäden von rund 145 Milliarden Euro. Im Schnitt sind das 6,6 Milliarden pro Jahr. Damit liegen die deutschen Schadenskosten deutlich über dem EU-Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Diese Summe dürfte nur einen Teil der tatsächlichen Belastung abbilden. Viele Folgen lassen sich noch gar nicht beziffern, etwa Schäden am Ökosystem, Spätfolgen an der Infrastruktur und langfristige Gesundheitsprobleme. Das alles zeigt: Der Klimawandel ist kein schleichendes Risiko mehr, sondern längst ein handfester Kostenfaktor. Ein Schaden, der den nächsten auslöst Was die Bilanzierung von Schäden durch Klimaveränderungen schwierig macht: Viele Folgen wirken wie ein Dominoeffekt. Weniger Wasser im Rhein legt Lieferketten lahm. Hitze macht Wälder anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Bäume müssen früher gefällt werden, verringern die Holzqualität, Waldflächen müssen teuer aufgeforstet werden, wachsen schlechter nach und bringen am Ende der holzverarbeitenden Industrie weniger Ertrag. Doch gerade Wälder sind ein wichtiger natürlicher Schutz gegen den Klimawandel, weil sie Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und so den Treibhauseffekt verlangsamen. Zudem leidet auch der Tourismus , wenn statt grüner Wälder nur noch kahle Bäume übrig bleiben. Viele Menschen meiden auch Städtereisen, wenn es sehr heiß ist, da es schwieriger wird, Sehenswürdigkeiten zu besichtigen und sich im Freien aufzuhalten. Was als lokales Wetterproblem beginnt, könnte sich zu einem strukturellen Risiko für ganze Regionen und Branchen entwickeln. Anpassung kostet – aber Untätigkeit kostet mehr Wie teuer die Folgen des Klimawandels wirklich werden, hängt von vielen Faktoren ab. Niemand weiß, wie stark sich das Klima tatsächlich verändert oder wie wirksam bereits getroffene Klimaschutzmaßnahmen sind. Doch die Prognosen sind alarmierend: Je nach Entwicklung könnten sich die Schäden in Deutschland bis 2050 auf 500 bis 900 Milliarden Euro summieren. Das entspricht dem Fünf- bis Neunfachen des Sondervermögens für die Bundeswehr. Ein großer Teil dieser Kosten wird auf das Gesundheitswesen entfallen, aber auch auf Infrastruktur, Landwirtschaft und Wälder. Deshalb betonen Fachleute wie Britta Stöver von der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung: Es lohne sich, frühzeitig in Klimaschutz zu investieren. Dazu gehörten grüne Städte, hitzeresistente Baumarten, schattige Plätze und besser informierte Bürgerinnen und Bürger. Denn wer vorbereitet ist, kann Schäden verringern – und Dominoeffekte vermeiden.
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