Sie landen auf Tellern, überrollen ganze Strände und verschrecken Urlauber: Millionen Marienkäfer überrollen Teile Großbritanniens. Was dahintersteckt und warum das gut für die Natur ist. Ein Cricketspiel im traditionsreichen Londoner Stadion Lord’s ist am Donnerstag von einem ungewöhnlichen Zwischenfall unterbrochen worden: Ein Schwarm Marienkäfer stürzte sich auf das Spielfeld, lenkte Spieler ab und sorgte für eine kurze Unterbrechung der Partie zwischen England und Indien . "Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagte Englands Vizekapitän Ollie Pope nach dem Spiel. Es war das erste Mal, dass eine Begegnung auf diesem Niveau wegen Insekten unterbrochen wurde – und offenbar kein Einzelfall. Auch an der englischen Küste sorgten die Käfer für Aufsehen. In der Ortschaft Point Clear in Essex etwa berichteten Anwohner von "Millionen" Marienkäfern, die den Strand überschwemmten. "Eine ist mir ins Gesicht geflogen, andere sind auf meinen Hunden gelandet", zitiert die BBC eine Anwohnerin. Blattlaus-Boom fördert Marienkäferflut Großbritannien wird derzeit von einer regelrechten Marienkäfer-Plage heimgesucht. Die ungewöhnlich große Zahl der Insekten in diesem Jahr ist laut Experten aber kein Zufall. Verantwortlich seien vor allem das warme Wetter und ein ungewöhnlich hoher Bestand an Blattläusen – der Hauptnahrung der Tiere. "Viele Arten von Blattlaus-fressenden Marienkäfern, wie der Siebenpunkt-Marienkäfer, treten in diesem Jahr in sehr großer Zahl auf", erklärte Prof. Helen Roy vom UK Centre for Ecology and Hydrology in Wallingford, Oxfordshire. Grund dafür sei ein "außergewöhnlich hoher Blattlausbestand in Kombination mit warmem Wetter". Hitze sorgt für viel Nahrung für Marienkäfer Auch der Zoologe Tim Coulson von der Universität Oxford bestätigt diese Einschätzung. Insekten wie Blattläuse und Marienkäfer würden bei Wärme ihren Lebenszyklus beschleunigen. "Warmes Wetter bedeutet mehr Blattläuse, weil sie jede Generation schneller abschließen können", so Coulson. Für Marienkäfer bedeutet das: ein reich gedeckter Tisch. Und so kursieren in sozialen Netzwerken Aufnahmen von Stränden in Weston-super-Mare, die von Marienkäfern regelrecht überzogen sind. Auf den Videos sind Käfer zu sehen, die sich auf Touristen, Autos und Tische stürzen. In einem Restaurant landeten sie auf Tellern und Gästen. Urlauber versuchten, sich in ihren Autos in Sicherheit zu bringen, verriegelten die Türen – um den Tieren zu entkommen. Milliarden Marienkäfer im Sommer 1976 Für viele Menschen in Großbritannien dürften die aktuellen Beobachtungen Erinnerungen an den Sommer 1976 wecken. Damals wurde das Land von einer Hitzewelle heimgesucht – und von Milliarden Marienkäfern. Es war die größte dokumentierte Population der Käfer in der Geschichte des Landes. Laut der British Entomological and Natural History Society wurden damals über 23 Milliarden Tiere an den südlichen und östlichen Küsten gezählt. So lästig die plötzliche Käferflut für Menschen sein mag – aus ökologischer Sicht erfüllen Marienkäfer eine entscheidende Funktion. Sie gelten als effektive natürliche Schädlingsbekämpfer. "Marienkäfer sind wirksame Fressfeinde von Blattläusen, die als Schädlinge viele Pflanzenarten befallen können", erklärte Prof. Tim Coulson von der Universität Oxford. Ihre Rolle sei vergleichbar mit der von Wölfen, die in bestimmten Regionen die Zahl der Hirsche regulieren. Auch Prof. Helen Roy betonte die zentrale Rolle der Insekten im Garten und in der Landwirtschaft: "Sie halten Blattlauspopulationen in Schach und tragen damit zum Schutz von Pflanzen bei." Marienkäferwelle ist positives Zeichen Wer den kleinen Käfern helfen möchte, kann sie mit einfachen Mitteln unterstützen. Prof. Helen Roy rät dazu, flache Schalen mit etwas Wasser im Garten aufzustellen – nicht nur für Marienkäfer, sondern auch für andere Insekten. Zusätzlich empfiehlt sie: "Wir ermutigen die Menschen, Blattläuse auf Rosen und anderen Pflanzen nicht zu entfernen, damit genug Nahrung für Marienkäfer vorhanden ist." Auch aus Sicht von Dr. Peter Brown sollte die aktuelle Marienkäferwelle nicht als Plage verstanden werden, sondern als positives Zeichen. Der Ökologe von der Anglia Ruskin University betont: "Die steigenden Zahlen zeigen, dass sich ein natürliches Gleichgewicht einstellen kann – wenn die Bedingungen stimmen."