Merz: Banker Martin Blessing soll Investitionen nach Deutschland holen

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Um den Standort Deutschland zu stärken, engagiert der Kanzler einen Banker. Martin Blessing soll internationalen Kapitalgebern Deutschland schmackhaft machen. Der frühere Commerzbank-Chef Martin Blessing ist von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum persönlichen Beauftragten für Investitionen ernannt worden. Wie Merz am Montag im Kanzleramt erklärte, soll Blessing in- und ausländische Unternehmen dazu bringen, stärker in Deutschland zu investieren. "Der Investitionsbeauftragte wird Türen öffnen, Vertrauen in unseren Standort schaffen und Investitionen nach Deutschland holen", sagte Merz. Blessing soll als zentraler Ansprechpartner für Investoren fungieren und dabei "die Sichtbarkeit Deutschlands im globalen Standortwettbewerb erhöhen". Zugleich ist die Berufung Teil einer größeren Umstrukturierung: Blessing soll auch den Aufsichtsratsvorsitz der bundeseigenen Standortmarketinggesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) übernehmen. Die GTAI soll im Zuge dessen neu aufgestellt werden, wie Merz betonte. Die Abstimmung mit Wirtschafts- und Finanzministerium sei erfolgt. Knut Abraham : Polen-Beauftragter fordert Ende der dauerhaften Grenzkontrollen "Wir haben einen Plan" : Unicredit-Chef äußert sich zu Commerzbank-Kauf Neue Rolle im Kanzleramt Blessing wird seine neue Aufgabe ohne eigenen Mitarbeiterstab und ohne reguläres Gehalt übernehmen. Er werde als sogenannter "Ein-Euro-Mann" arbeiten, heißt es aus dem Kanzleramt. Symbolisch betrage sein Verdienst einen Euro. Auslagen sollen ihm jedoch erstattet werden. Der 62-jährige Banker erklärte bei seiner Vorstellung, er wolle mit potenziellen Investoren ins Gespräch kommen, deren Anliegen im Kanzleramt platzieren und eine "große Investorenkonferenz" in Deutschland organisieren. Als Vorbild gilt das Format "Choose France", das der französische Präsident Emmanuel Macron seit Jahren erfolgreich umsetzt. Die erste Veranstaltung soll im Frühjahr 2026 stattfinden. "Deutschland braucht Wachstum, und Wachstum braucht Investitionen", sagte Blessing. Dabei gehe es ihm vor allem um die Frage: "Wie können wir insbesondere ausländischen Investoren helfen, hier am Standort Deutschland zu investieren?" Standort unter Druck Hintergrund der Initiative ist eine deutliche Schwäche bei privaten Investitionen. Seit 2021 haben sich die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland mehr als halbiert. Gleichzeitig klagen Unternehmen über hohe Energiepreise, teure Lohnkosten und langwierige Genehmigungsverfahren. Merz sagte, Investoren hätten "Vorbehalte gegen ein Engagement in Deutschland". Blessing solle diese Rückmeldungen ins Kanzleramt tragen und "konkrete Vorschläge unterbreiten für den Rückbau der Bürokratie, für mehr Tempo". Blessing selbst räumte ein, dass es "eine gewisse Wachstumsschwäche und eine gewisse Investitionsschwäche" gebe. Dennoch betonte er, Deutschland biete viele Standortvorteile, etwa gut ausgebildete Arbeitskräfte, politische Stabilität und die Rolle als größte Volkswirtschaft Europas. "Es gibt eine Menge von staatlichem Kapital" Er verwies zudem auf ein wachsendes Interesse internationaler Investoren angesichts der neuen Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur. "Es gibt eine Menge von staatlichem Kapital", sagte Blessing. "Das macht den Standort Deutschland attraktiv." Merz hatte in der Vergangenheit betont, die bisherige Praxis milliardenschwerer Subventionen überdenken zu wollen. Die CDU sprach sich immer wieder gegen eine zu starke Rolle des Staates bei der Unternehmensförderung aus. Dennoch scheint sich nun abzuzeichnen, dass der Standort Deutschland ohne staatliche Anschubfinanzierungen schwer konkurrenzfähig ist. Wer ist der neue Investitionsbeauftragte im Kanzleramt? Der Bremer Banker hat das Bankgeschäft quasi in die Wiege gelegt bekommen: Sein Großvater Karl war Bundesbank-Präsident (1958-1969), sein Vater Werner stieg in den Vorstand der Deutschen Bank auf (1981-1987). Blessings Ehefrau Dorothee ist globale Co-Chefin für den Bereich Investmentbanking Coverage bei der US-Bank JPMorgan. Blessing war bereits mit Anfang 30 Partner der Unternehmensberatung McKinsey und wechselte im Alter von 38 Jahren in den Vorstand der Commerzbank . Im Jahr 2009 wurde er deren Vorstandsvorsitzender. Gerade einmal gut 100 Tage im Amt feierte Blessing im die Übernahme der Dresdner Bank, bei der er einst gelernt hatte. Doch die Altlasten der Dresdner waren gewaltig, die Schockwellen der Lehman-Pleite rissen die Commerzbank fast in den Abgrund. Der deutsche Staat rettete den Frankfurter Dax-Konzern mit Steuermilliarden und wurde dessen Großaktionär. Blessing verantwortete danach umfassende Restrukturierungsmaßnahmen, darunter einen Stellenabbau und die Fokussierung auf das Kerngeschäft. Wegen der verlustreichen Integration der Dresdner Bank und des Wertverfalls der Commerzbank-Aktie geriet er zunehmend in die Kritik und wurde auf Hauptversammlungen teils als "Kapitalvernichter" bezeichnet, wie die "FAZ" berichtete. 2016 schied er bei der Commerzbank aus, war später in Führungspositionen bei der UBS tätig und ist seit 2022 Verwaltungsratspräsident der größten dänischen Bank "Danske Bank". Merz lobte ihn als jemanden, der "internationale Erfahrung und ein starkes Netzwerk" mitbringe. Wollte Merz nicht weniger Beauftragte? Die Berufung Blessings steht auch im Kontext früherer Initiativen: Bereits im Juli hatte Merz im Rahmen der Kampagne "Made for Germany" rund 50 Unternehmensvertreter versammelt, um gemeinsam für den Standort zu werben. Blessing soll nun diese Linie fortsetzen und ausbauen. Merz hatte im Wahlkampf versprochen, die Zahl der Beauftragten der Bundesregierung deutlich zu verringern, um Geld zu sparen und Bürokratie abzubauen. Das Kabinett beschloss bereits in seiner ersten Sitzung im Mai, 25 von 43 dieser Posten abzuschaffen. Nun kommt wieder einer hinzu. Es ist aber ein Novum: Blessing ist im persönlichen Auftrag des Kanzlers unterwegs und arbeitet quasi ehrenamtlich.
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