Mit dem Ende der Prämienzahlungen für Kundenaufträge müssen viele Finanzdienstleister ihren Gürtel enger schnallen – oder an der Gebührenschraube drehen. In Deutschland konkurrieren derzeit rund 50 klassische Broker, etwa 10 bis 15 Neobroker, dazu etwa ebenso viele Neobanken sowie eine wachsende Zahl digitaler Front-End-Broker um die Gunst der Kundinnen und Kunden. Der Wettbewerb ist hart – und das Feld überfüllt. Nun könnte der deutsche Markt für den Online-Wertpapierhandel an einem Wendepunkt stehen. Sollte das Verbot von "Payment for Orderflow" (PFOF) mit der Überführung in nationales Recht umgesetzt werden, dürfte der Druck auf viele Anbieter massiv steigen. Die Konsolidierung hat längst begonnen. Doch wer überlebt? Und wird Geldanlegen künftig teurer? Was hinter Payment for Orderflow steckt Payment for Orderflow – kurz PFOF – bedeutet vereinfacht, dass ein Broker für das Weiterleiten von Kauf- oder Verkaufsaufträgen seiner Kunden an einen bestimmten Handelsplatz eine Provision erhält. Diese Rückvergütungen ermöglichen es, Ordergebühren auf null zu senken. Doch sie bergen einen Interessenkonflikt: Ein Broker könnte bevorzugt den Handelsplatz auswählen, der ihm die höchste Vergütung zahlt – und nicht unbedingt den, der für die Kundschaft den besten Preis bietet. Anleger zahlen dann zwar keine Gebühr, handeln aber womöglich zu einem ungünstigeren Kurs. Erfahren Sie hier, wie der Kurs Ihre Aktien- und ETF-Käufe verteuert. Verschlafene Trends: Warum klassische Banken ins Abseits geraten Die Europäische Union hat PFOF im Zuge der MiFIR-Reform untersagt, weil diese Praxis die Transparenz und die Qualität der Orderausführung beeinträchtigen kann. Seit dem 28. März 2024 gilt das Verbot bereits für grenzüberschreitende Geschäfte. In Deutschland läuft noch eine Übergangsfrist: Spätestens ab dem 30. Juni 2026 ist PFOF auch im Inland verboten – dann ist das Modell europaweit praktisch Geschichte. Für viele Neobroker ist das ein tiefer Einschnitt: Laut der Wirtschaftszeitschrift "Business Punk" stammte bei Trade Republic im vergangenen Jahr rund ein Drittel der Erlöse aus diesen Rückvergütungen. Gleichzeitig stieg das verwaltete Vermögen des Berliner Brokers 2024 um zwei Drittel auf 100 Milliarden Euro. Wie sich Broker neu aufstellen müssen Vor allem Neobroker wie Trade Republic, Scalable Capital, Finanzen.net Zero oder Smartbroker haben das Geschäft mit günstigen Ordergebühren populär gemacht. Hinzu kommen digitale Banken wie N26, Revolut oder Vivid Money, die ebenfalls Brokerage-Dienste anbieten. Besonders betroffen vom PFOF-Aus sind sogenannte Front-End- oder Discount-Broker. Sie setzen auf extrem niedrige Preise und wenig Service, haben also kaum alternative Einnahmequellen. Neobroker müssen deshalb ihre Geschäftsmodelle umbauen. Möglich sind künftig Abo-Modelle mit festen Gebühren pro Monat oder Jahr, die eine bestimmte Zahl von Gratisorders enthalten. Auch zusätzliche Einnahmequellen wie Zinserträge aus Kundeneinlagen oder kleine Aufschläge beim Währungstausch könnten an Bedeutung gewinnen. Wird Trading jetzt teurer? "Die am stärksten gefährdeten Broker sind die, die sich ausschließlich auf die Vergütung von Orderflows konzentrieren, kaum Produktdiversifizierung betreiben und keine bedeutenden Communitys aufbauen", sagt Pascal Nörrenberg, Geschäftsführer von eToro, im Gespräch mit t-online. "Diese Broker müssen ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenken." Für viele Kunden könnte das Trading also teurer werden – aber nicht für alle. Tobias Soltau, CEO von Smartbroker, sieht die Branche gelassener: Neobroker seien finanziell gut aufgestellt, um die neue Regulierung zu verkraften. "Ich rechne weiterhin mit sehr günstigen, teilweise sogar 0-Euro-Orders für Kunden", sagt Soltau. "Spannend wird vielmehr, wie klassische Onlinebroker und Hausbanken mit den neuen Vorgaben umgehen. Dort könnten Preissteigerungen durchaus ein Thema werden." Der Preis bleibe zwar wichtig, fügt Nörrenberg hinzu, "aber er ist längst nicht mehr das einzige Entscheidungskriterium." Vertrauen, Nutzererlebnis und KI-Tools Immer wichtiger wird laut Nörrenberg die Gesamterfahrung: eine stabile, intuitive Plattform, kontinuierliche Produktentwicklung und ein Umfeld, in dem Anleger lernen und sich austauschen können. Vertrauen werde zum zentralen Faktor – es entstehe durch Transparenz und eine klare Kommunikation. Was ChatGPT besser kann: Ersetzt KI bald die klassische Anlageberatung? Soltau betont zudem, technologische Innovationen würden künftig eine größere Rolle spielen. Künstliche Intelligenz (KI) könne Anlegern helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. "Solche Leistungen kostenpflichtig zu machen, halten wir jedoch für den falschen Ansatz", sagt er. "Wir möchten den Zugang zu solchen Tools möglichst allen Menschen ermöglichen." Kundenbindung über Kinderdepots Ein wachsender Trend sind Kinderdepots. Scalable Capital hat kürzlich ein solches Angebot angekündigt. Auch andere Neobroker wie Trade Republic oder Finanzen.net Zero setzen zunehmend auf Depotlösungen für den Nachwuchs, um Familien früh an sich zu binden und langfristig als Kundschaft zu gewinnen. Damit reagieren die Anbieter auch auf die geplanten, staatlich geförderten Altersvorsorgedepots. Fast 70 Prozent dafür: Breiter Zuspruch für diese neue Rente 2.000 Euro Extra-Rente im Monat: Das ist der Plan der Regierung Kinderdepots holen Familien früh ab, führen den Nachwuchs behutsam an das Thema Geldanlage heran und erhöhen die Chance, Kunden langfristig zu binden. Sparpläne, die mit einer anfänglichen Altersvorsorge starten, lassen sich später nahtlos fortführen – ein Vorteil für beide Seiten. Fazit: Die Zukunft gehört den Starken Die kommenden Jahre werden zur Bewährungsprobe für die Branche. Größe, Technologie und Markenvertrauen entscheiden darüber, wer im Markt bleibt. Nörrenberg fasst zusammen: Wer über ein solides Geschäftsmodell, starke Communitys und transparente Prozesse verfügt, hat die besten Chancen. Soltau ergänzt: Nicht nur der Preis zähle, auch Nutzerfreundlichkeit, Angebotsvielfalt und der Zugang zu verschiedenen Handelsplätzen seien entscheidend. Plattformen, die ihren Kunden neben Aktien auch Anleihen, Kryptowährungen oder Auslandsbörsen anbieten und mit Bildungsangeboten punkten, seien für die nächste Entwicklungsstufe des Marktes gut gerüstet – auch ohne PFOF.