Deutschland steht im Halbfinale der U21-EM. Schlüsselfigur beim Erfolg der DFB-Junioren ist dabei Nick Woltemade. "Das nervt so heftig, das wird in jedem Satz gesagt." Nick Woltemade hat keine Lust, andauernd als "Zwei-Meter-Messi" oder in anderer Form als Stürmer mit zwei Metern Körpergröße betitelt zu werden. Das machte der Stürmer jüngst in einem lockeren Videoformat des DFB mit Niclas Füllkrug klar. Füllkrug betonte grinsend: "Wir wollen es noch einmal festhalten, Nick ist keine zwei Meter." 1,98 Meter sei sein Nebenmann groß, betonte Füllkrug. Woltemade korrigierte den 32-Jährigen daraufhin: "Beim Medizincheck kam heraus, ich bin 1,99 Meter." Egal, ob 1,98 oder 1,99 Meter, Nick Woltemade ist ein einzigartiger Stürmer. Denn trotz seiner Körpergröße ist die Ballbehandlung seine große Stärke. Stehen große Spieler normalerweise dafür, ihre Stärken eher in der Luft zu haben, ist Woltemade ein spielerisch auffälliger Stürmer. Der Spitzname "Woltemessi" ist längst weitverbreitet. In Deutschland kennt Woltemade spätestens seit dieser Saison jeder Bundesliga-Fan. International ist er seit der U21-EM kein Unbekannter mehr. Denn Woltemade ist der beste Torschütze (fünf Treffer) und der beste Vorbereiter (drei Vorlagen) des Turniers. Und das in nur drei Einsätzen, denn das dritte deutsche Gruppenspiel verfolgte er von der Bank aus. Beim Viertelfinalsieg gegen Italien am Sonntag (3:2 nach Verlängerung) stand er dann wieder in der Startelf – und war wieder einmal der Schlüsselspieler, erzielte erst den 1:1-Ausgleich und bereitete dann das 2:1 vor. Sturmpartner Nicoló Tresoldi sagte im Interview mit Sport1: "Er ist ein überragender Spieler, seine Entwicklung in dieser Saison ist unglaublich." Woltemade sei "groß, ballsicher, man kann mit ihm Fußball spielen. Ich hoffe, dass er gesund bleibt." Der 23-Jährige ist eine besondere Erscheinung. Die Kombination aus Gestalt und Spielweise macht ihn zu einer Art Einhorn im deutschen Fußball. Er selbst sagte im Podcast "Copa TS": "Keiner zockt wie ich mit der Größe und alles." Dass ein so großer Spieler so gut am Ball ist und sein Kopfballspiel eher zu den Schwächen zählt, ist kaum zu glauben. Trotz seiner 1,99 Meter gewann Woltemade in der Bundesligasaison 2023/24 nur 39,4 Prozent seiner Luftzweikämpfe – Platz 149 aller Spieler. Selbst der 1,72 Meter große Ritsu Dōan vom SC Freiburg lag vor ihm. Doch der Stuttgarter Stürmer hat sich verbessert. In der abgelaufenen Saison waren es bereits 43,1 Prozent. Bei der U21-EM stellt er die Steigerung unter Beweis. Schon beim 4:2 gegen Tschechien traf Woltemade per Kopf. Im Anschluss sagte er: "Langsam wird mir mein Kopfballspiel auch zu schwach gemacht." Gegen Italien legte er nach, traf am gestrigen Sonntag ebenfalls mit dem Schädel, auch die Torvorlage zum 2:1 war eine von ihm per Kopf verlängerte Hereingabe. Die Treffer in der Luft sind für ihn etwas Besonderes. "Über solche Tore freue ich mich am meisten, weil es das Geschenk der Arbeit auf dem Trainingsplatz ist. Ich hätte vielleicht mal ein bisschen früher damit anfangen sollen, daran zu arbeiten", hatte er bereits nach dem Tschechien-Spiel resümiert. Woltemade ist der große Hoffnungsträger für die deutsche Nationalmannschaft im Sturmzentrum. Niclas Füllkrug ist bereits 32 Jahre alt, Tim Kleindienst wird im August 30. Zudem haben beide immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Füllkrug verpasste weite Teile der vergangenen Saison, Kleindienst erlitt im Mai seine zweite schwere Meniskusverletzung, fällt noch Monate aus. Sturm-Alternative Kai Havertz fühlt sich eine Position weiter hinten wohler. Zwar ist auch Woltemade kein klassischer Mittelstürmer, wächst aber zunehmend in die Position hinein. Kam er in Stuttgart zu Saisonbeginn meist als Hängende Spitze zum Einsatz, rückte er gegen Ende weiter nach vorn ins Sturmzentrum. Auch A-Bundestrainer Julian Nagelsmann wollte davon profitieren, nominierte Woltemade für das Final Four der Nations League , wo er in beiden Spielen den 23-Jährigen von Beginn an brachte. "Er hat es gut gemacht. Das war absolut in Ordnung. Ich erwarte keine Wunderdinge, er hat seine ersten 60 Minuten als A-Nationalspieler gut genutzt", lautete Nagelsmanns Fazit nach dem Halbfinale gegen Portugal. (Un)klare Zukunft in Stuttgart Dass Woltemade auch in Zukunft für die Nationalmannschaft aufläuft, ist mehr als wahrscheinlich. Ob er das auch für den VfB Stuttgart tut, etwas weniger. Gerüchte über angebliches Interesse des FC Bayern und Chelsea machten bereits vor Wochen die Runde. Fans sorgen sich darum, dass ihr Torjäger nach nur einem Jahr wieder geht. Woltemades Antwort auf eine Frage dazu vor Turnierstart half dabei wenig: "Angst nehmen ist immer schwierig. Dafür ist der Fußball irgendwie auch zu wild und zu schnelllebig." Aber er betonte, sich in Stuttgart wohlzufühlen. Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth gibt den Fans ein besseres Gefühl. Denn dem "Kicker" sagte der 46-Jährige: "Wir wissen, was wir an ihm haben. Er weiß, was er am VfB hat. Wir können absolut beruhigt sein. Wir planen fest mit ihm." Weiter erklärte er: "Auch wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, dass die Zukunft von Nick in irgendeiner Form offen ist, sind wir weit davon entfernt, uns Gedanken über seinen Verbleib beim VfB zu machen." Ohnehin läuft Woltemades Vertrag in Stuttgart noch bis 2028. Und bei den Schwaben hat der Stürmer einen Stammplatz, kann zudem in der kommenden Saison international spielen, da der VfB durch den DFB-Pokalsieg in der Europa League vertreten ist. Ein Jahr vor der WM in den USA, Kanada und Mexiko keine schlechte Ausgangslage, um es in den Kader zu schaffen. Und ein Einhorn könnte Julian Nagelsmann gut gebrauchen, um Wunderdinge zu vollbringen.
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