Mit neuen Modellen hat Opel seine jüngsten Verkaufszahlen verbessert. Doch als Teil des kriselnden Konglomerats Stellantis ist die Zukunft der Rüsselsheimer ungewiss. Chef Florian Huettl erklärt, wie es weitergehen soll. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München präsentiert sich Opel sportlich. Der Kraftfahrzeughersteller, der seit 1899 Autos baut, zeigte das Konzeptfahrzeug Opel Corsa GSE Vision Gran Turismo . Der Hochleistungsstromer ist jedoch bloß eine Studie, fahren kann man das Auto nur virtuell in dem Videospiel "Gran Tourismo 7". Auf die Straße bringt das Unternehmen aus Rüsselheim am Main zuletzt immer mehr SUV, darunter auch einige Elektrowagen. Opel wollte ab 2028 eigentlich nur noch E-Autos in Europa verkaufen – doch davon ist das Unternehmen abgerückt. Im Interview erklärt Opel-Chef Florian Huettl, warum der Wandel länger dauert, was aus dem Manta wird und wie sich Opel innerhalb des Stellantis-Konzerns behauptet. Von Audi bis XPeng: Das sind die Auto-Neuheiten der IAA Deutsche Hersteller auf der IAA : Diese Autos geben Grund zum Optimismus t-online: Herr Huettl, Opel hatte 2021 angekündigt, ab 2028 nur noch E-Autos in Europa anzubieten. Das haben Sie nun zurückgenommen. War das ein hohles Versprechen? Florian Huettl: Wir haben uns vor einigen Jahren mit diesem Vorhaben ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt, wahrscheinlich das ambitionierteste in der Autoindustrie. Wir haben dieses Ziel in den folgenden Jahren konsequent verfolgt und massiv investiert. Dafür haben wir innerhalb von fünf Jahren die Werke umgestellt und unsere Händler mit ins Boot geholt und geschult. Seit vergangenem Jahr können Sie jeden Opel in einer elektrischen Variante kaufen. Warum weichen Sie dennoch von dem ursprünglichen Ziel ab? Unser Ziel beruhte auf Planungen, wie sich der Markt entwickeln würde. Die sind so nicht eingetroffen, auch was Förderpolitik und Ladeinfrastruktur betrifft. Der Hochlauf der Elektromobilität und die Nachfrage entsprechen heute ganz eindeutig nicht dem, was wir uns 2018 vorgestellt hatten. Und diese Realität müssen wir anerkennen. Wir haben die technischen Möglichkeiten, neben elektrischen Antrieben auch andere Optionen über 2028 hinaus anzubieten. Und das werden wir tun. Gibt es eine konkrete Jahreszahl, ab wann Sie Schluss machen mit Verbrennungsmotoren? Ich glaube, es ist heute nicht angemessen, ein neues Enddatum zu kommunizieren. Aber die EU-Regelungen sehen vor, dass 2035 Schluss ist mit Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren. Markus Söder sieht das anders. Sie auch? Wir respektieren die EU-Regeln, doch derzeit ist das gesamte Umfeld sehr dynamisch, sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich. Bei der Gesetzgebung ist die EU von einem E-Auto-Anteil von 20 Prozent im Jahr 2025 ausgegangen. Da sind wir heute noch nicht. Deshalb müssen die Annahmen immer wieder überprüft werden. Da braucht es ein gewisses Maß an Pragmatismus und auch über 2035 hinaus ein gewisses Maß an Flexibilität in der Technologie. Aber das Thema CO2-Reduktion steht schon noch auf dem Programm? Ich glaube daran, dass wir eine Transformation zur flächendeckenden Elektromobilität durchmachen. Das Ziel der Dekarbonisierung steht weiter ganz oben in der Unternehmensstrategie von Opel und Stellantis. Vor 60 Jahren wurde der GT auf der IAA gezeigt. Am diesjährigen Messestand geht es mit dem Mokka GSE und dem Konzeptauto Corsa GSE Vision Gran Turismo wieder um Sportlichkeit. Welche Rolle spielen sportliche Modelle für die Marke? Wir haben eine sehr lange Geschichte im Motorsport und treten seit einigen Jahren im elektrischen Rallyesport an. Wir wollen unsere Modelle mit entsprechenden Performanceversionen entsprechend noch attraktiver machen, und dabei helfen uns unsere Historie und unsere Erfahrungen. Wenn das Feedback auf den Mokka GSE stimmt, dann haben wir durchaus Möglichkeiten, auch noch mehr umzusetzen. Der Corsa wäre sicher ein geeigneter Kandidat. Deshalb haben wir ihn als Basis für unser Concept Car genommen. Wann kommt die Neuauflage des Corsa? Wir werden den neuen Corsa als rein elektrischen, vollwertigen Kleinwagen für unter 25.000 Euro ab 2028 anbieten. Die bisherigen Generationen wurden in mehr als 40 Jahren über 15 Millionen Mal verkauft – übrigens war das auch mein erstes Auto mit 18 Jahren. Da sehen wir ein riesiges Potenzial. Derzeit kostet ein elektrischer Corsa etwas mehr, knapp unter 30.000 Euro. Wie wollen Sie den Preis nach unten drücken? Um den letzten Schritt zu machen, brauchen wir eine entsprechende reine E-Auto-Plattform mit der entsprechenden Batteriechemie. Beim Frontera haben wir LFP-Technik in unsere Fahrzeuge gebracht. Die erlaubt uns, einen großen Sprung zu machen in puncto Bezahlbarkeit. Und das wird auch im Kleinwagensegment ein wichtiger Bestandteil sein, um die Kosten in den Griff zu kriegen. Ein solches Einstiegsmodell wird wahrscheinlich nicht in Deutschland gebaut werden. Nein, dafür sind die Produktionskosten einfach zu hoch. Gibt es schon konkrete Pläne, wo der Corsa dann künftig entstehen könnte? Er wird in einem Werk gebaut werden, das die entsprechenden Produktionskosten vorweisen kann. Im Raum steht schon lange eine Neuauflage des Manta. Wie steht es um die Planungen? Der Manta ist Teil dieser Familie von ikonischen Opelprojekten aus der Vergangenheit. Wir sind gerade in einer Phase, in der wir uns und unsere Planungen auf den Prüfstand stellen. Wir stellen uns sehr viele Fragen, was die Antriebstechnologie oder die Batterietechnik angeht. Deshalb halte ich es für wichtig, keine Projekte anzukündigen, die möglicherweise in weiter Zukunft liegen. Opel ist wie Peugeot, Fiat oder Citroen eine von 14 Automarken im Stellantis-Konzern. Wie kann die Marke da herausstechen? Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden etwas anzubieten, was für ihn stimmig ist. Ein Fahrzeug in einem Segment, das er will, mit den Motoren, die er braucht, zu einem Preis, der ihm angemessen erscheint. Teil eines großen Konzerns zu sein, hat einige bedeutende Vorteile. Gerade, wenn es um Transformation geht und um die Entwicklung neuer Technologien. Ein Beispiel: Der neue Grandland hat eine Batterie, die in Europa hergestellt wird. Damit sind wir fast die einzigen und das könnte ein Hersteller in der Größe von Opel niemals allein stemmen. Das geht nur als Teil einer größeren Gruppe, in diesem Fall sogar als Teil eines Joint Ventures aus Stellantis, Mercedes-Benz und Total Energies. Aber auch wenn wir gewisse Komponenten mit anderen Automarken im Stellantis-Konzern teilen, geht Opel ganz klar seinen eigenen Weg. Ganz konkret: Wofür steht Opel denn? Opel steht für Werte, die man traditionell mit der deutschen Autoindustrie assoziiert. Nur ein Beispiel: Wir haben hierzulande Autobahnen, fahren längere Strecken und das auch schneller. Deshalb legen wir ein großes Augenmerk auf die Straßenlage, unterstützt durch Fahrwerksabstimmungen und -technologien, wie adaptive Stoßdämpfer. So sorgen wir beispielsweise bei niedrigen und hohen Geschwindigkeiten für ein sicheres Fahrgefühl. Das ist bei anderen Marken nicht ganz so stark ausgeprägt. Auf der Messe sind viele chinesische Autobauer vertreten, darunter auch Leapmotor. Die gehören inzwischen auch zum Stellantis-Konzern und setzen stark auf günstige Modelle. Ist das eine Bedrohung? Ich sehe es als riesigen Vorteil, dass Stellantis eine chinesische Marke anbieten kann. Am deutschen Markt sehen wir exemplarisch, was eine solche Zusammenarbeit bringt: Im August war Leapmotor hierzulande die meistverkaufte chinesische Elektromarke vor anderen Herstellern, die schon seit einigen Jahren versuchen, sich im deutschen Markt zu etablieren. Leapmotor kann auf das Stellantis-Händlernetz zurückgreifen, hat sich aktuell an 113 Standorten etabliert und war damit von heute auf morgen handlungsfähig. Das war ein echter Schnellstart. Somit können unsere Händler auch ihr Geschäft in diesem Preis- und Technologiebereich entwickeln und damit den Markt abdecken. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind weitreichend, denn auch Leapmotor kann Dinge, von denen wir lernen können. Herr Huettl, vielen Dank für das Gespräch.