Der Prothesenhersteller Ottobock legt einen gelungenen Börsengang aufs Frankfurter Parkett. Doch für die Aktionäre gibt es auch Risiken. 72 Euro – so hoch war der erste Kurs von Ottobock am Donnerstag an der Frankfurter Börse. Ein Achtungserfolg: Die Aktie des Prothesenherstellers mit Sitz in Niedersachsen war zu 66 Euro ausgegeben worden. Schon Wochen im Voraus war sie "ausverkauft". In der Fachsprache heißt das: überzeichnet. Es wollten also mehr Investoren ins Unternehmen einsteigen, als Aktien zur Verfügung standen. Es war der zweite Versuch des Weltmarktführers, an die Börse zu gehen. 2022 war das Marktumfeld zu schwach, um es zu wagen. Dieses Mal hat es geklappt. Zum Ausgabepreis war das Unternehmen mit gut vier Milliarden Euro bewertet, rund 800 Millionen Euro hat Ottobock über den Börsengang eingenommen. Doch es gab auch Kritik an den Börsenplänen. Und die sollten Aktionäre kennen. Erlös soll in Schuldentilgung fließen Positiv kam schon im Vorfeld des Börsengangs an, dass Ottobock zwei Großinvestoren als sogenannte Anker-Aktionäre gewinnen konnte. Das sind Anteilseigner, die vergleichsweise hohe Beträge investieren und langfristig dabeibleiben wollen. Im Falle von Ottobock sind das der Unternehmer Michael Kühne und ein Fonds der Capital Group, ein Vermögensverwalter aus den USA . Das schafft Vertrauen und signalisiert Zuversicht. Doch was macht das Unternehmen mit dem Geld aus dem Börsengang? Genau hier setzt die Kritik an: Zum einen will der geschäftsführende Gesellschafter Hans-Georg Näder einen Kredit ablösen. Er hatte im vergangenen Jahr den schwedischen Investor EQT aus dem Unternehmen herausgekauft und das überwiegend mit Schulden finanziert. Seitdem ist Ottobock wieder ein reines Familienunternehmen – ein verständlicher, aber teurer Schritt: Rund 1,1 Milliarden Euro Schulden lasten auf der Familie. Der Familie fließt nun der größte Teil des Geldes aus dem Börsengang zu. Dennoch reicht der Erlös nicht aus, um alle Schulden zu tilgen. Anleger müssen daher damit rechnen, dass nach einer Haltefrist weitere Aktien verkauft werden. Kritiker bemängeln, dass das frische Kapital vor allem zur Entschuldung der Eigentümerfamilie dient – und weniger dem Unternehmen selbst zugutekommt. Die Familie, deren Anteile über eine Holding verwaltet werden, wird nach dem Börsengang die Mehrheit am Unternehmen behalten. Kaum Mitsprache für Aktionäre Und hier schließt sich die weitere Kritik an: die an der Rechtsform. Ottobock bleibt eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA, s. Kasten). Das ist zwar erst einmal nicht ungewöhnlich. So wies Unternehmer Näder denn auch im Vorfeld darauf hin, dass Unternehmen wie die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, ebenfalls diese Rechtsform haben. Das ist richtig. Und die DWS ist ebenfalls börsennotiert. Der Unterschied ist aber: Bei dem Vermögensverwalter steht eine Gesellschaft im Hintergrund, die DWS Management GmbH, die zur Deutschen Bank gehört. Es ist also eine Gesellschaft, kein einzelner Unternehmer, der die Geschicke lenkt. Anders bei Ottobock. Der Komplementär, also der Gesellschafter mit persönlicher Haftung, ist die Familienholding Näder. Das heißt: Neue Investoren haben nach dem Börsengang wenig Einfluss darauf, was im Unternehmen operativ, strategisch oder finanziell geschieht. Zugleich gibt es weniger Kontrolle: Denn die Familienholding bestimmt auch den Aufsichtsrat, der wiederum den Vorstand kontrolliert. Ein offensichtlicher Interessenkonflikt, auf den Aktionärsschützer im Vorfeld mehrfach hingewiesen haben. Erster richtiger Börsengang des Jahres Immerhin – die bereits jetzt angepeilte Kapitalerhöhung von (geringen) 100 Millionen Euro soll für neue Investitionen genutzt werden. Und Investitionspläne sind ja derzeit bei deutschen Unternehmen eher rar gesät. Also ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Und insgesamt steht das Unternehmen solide da: 1,6 Milliarden Euro Umsatz stehen in der Bilanz 2024 – bei 20 Prozent Marge. Die Importzölle der USA spielen eine Rolle, doch der Fokus des Unternehmens liegt auf Europa. Ottobock scheint daher gelassen zu sein. In Frankfurt war der Börsengang des Prothesenherstellers übrigens der zweite größere des Jahres. Genau genommen sogar der erste "richtige". Im September hatte sich Aumovio an die Börse gewagt : Der Autozulieferer gehörte jedoch zuvor zu Continental , das sich künftig wieder ganz auf das Reifengeschäft fokussieren möchte. Es wurden in diesem Fall keine neuen Aktien ausgegeben – daher spricht man nicht von einem echten Börsengang. Alles in allem ist der Börsengang von Ottobock für den Finanzplatz Frankfurt ein wichtiges Signal für weitere; wenngleich eher im nächsten Jahr. Das Marktumfeld lässt es wohl (noch) nicht zu.