Der Zahlungsdienstleister Payone steht wegen fragwürdiger Geschäftspraktiken im Fokus. Neue Enthüllungen zeigen: Es geht um Abzockportale und mangelnde Kontrolle. Ob bei Aldi, Rewe oder Galeria – viele Menschen in Deutschland nutzen den Zahlungsdienstleister Payone, ohne es zu wissen. Das Unternehmen wickelt im Hintergrund Kartenzahlungen ab und sorgt dafür, dass das Geld bei den Händlern ankommt. Nach eigenen Angaben betreut Payone rund 277.000 Geschäftskunden und verarbeitet über fünf Milliarden Transaktionen pro Jahr. Ein bedeutender Teil des Unternehmens gehört dem Deutschen Sparkassenverlag, was für viele Beobachter als Nachweis von Seriosität und Verlässlichkeit gilt. Der andere Teil gehört zu dem französischen Finanzkonzern Worldline . Doch nun mehren sich Zweifel an der Seriosität des Unternehmens. Eine internationale Recherche des "Spiegel" offenbart: Payone hat jahrelang Geschäfte mit fragwürdigen Porno- und Abzockportalen gemacht, Hinweise auf Geldwäsche ignoriert und mit vorbestraften Geschäftspartnern kooperiert. Millionenumsätze mit dubiosen Kunden Laut der Recherche, die gemeinsam mit weiteren internationalen Medien im Rahmen des Projekts "Dirty Payments" durchgeführt und durch den Rechercheverbund European Investigative Collaborations (EIC) koordiniert wurde, hat Payone jahrelang mit sogenannten Hochrisikokunden aus dem Schmuddelbereich des Internets Geschäfte gemacht. Dazu zählen Betreiber von Porno- und Datingplattformen, die Nutzer mit zweifelhaften Abonnementmodellen und schwer kündbaren Verträgen in die Irre führten. Interne Dokumente deuten demnach darauf hin, dass Payone allein im Jahr 2019 Transaktionen in Höhe von über 50 Millionen Euro für solche Anbieter abwickelte. Verbindungen zu vorbestraften Geschäftspartnern Zentrale Figur im Netzwerk war der Deutsche Ruben Weigand, der 2021 in den USA wegen Verschwörung zum Bankenbetrug zu 15 Monaten Haft verurteilt wurde. Weigand hatte für Payone über seine Beratungsfirma mehr als 300 Anbieter aus dem Erotik- und Datingsegment angeworben, viele davon mit Sitz in Zypern oder Großbritannien . Nach seiner Verhaftung übernahm ein neues Unternehmen mit Sitz in Montabaur das Portfolio – geführt von Weigands Bruder, der zuvor in dessen Firma tätig war. Die Konstruktion weckt laut Recherchen des "Spiegel" und seinen Partnern den Verdacht eines Strohmannmodells. Über seinen Anwalt teilt Weigand dem "Spiegel" mit, dass alle Geschäfte marktüblich verlaufen seien. Payone selbst äußerte sich gegenüber den investigativ recherchierenden Journalisten nicht. Geldwäschekontrolle mit gravierenden Lücken Ein Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars, die im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) tätig wurde, fällt ein vernichtendes Urteil: Demnach soll das Unternehmen seine Hochrisikokunden nur oberflächlich überprüft haben. Eine gründliche Prüfung im Hinblick auf Geldwäsche habe nicht stattgefunden – obwohl sogenannte E-Geld-Institute wie Payone gesetzlich zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind. Laut Recherche fanden Prüfer verdächtige Zahlungsvorgänge: Auf Webseiten, die nie aufgerufen wurden, kam es zu täglichen Transaktionen – ein Indiz für möglichen Kreditkartenmissbrauch. Auch die Commerzbank schlug Alarm Nicht nur die Bafin meldete Zweifel an. Auch die Commerzbank , bei der Payone mehrere Konten unterhielt, untersuchte 2021 ihre internen Vorgänge. Sie kritisierte, dass lediglich ein bis zwei Mitarbeiter für die Geldwäscheprävention zuständig gewesen seien – bei Hunderten Hochrisikokunden. Die Bank identifizierte laut Recherche mehrere "Red Flags", Warnhinweise auf mögliche Risiken, Betrug oder Fehlverhalten. Zwei untersuchte Firmen mit Sitz in Zypern hätten demnach Kreditkartendaten missbraucht, um Kunden über versteckte Gebühren zur Kasse zu bitten. Sparkassenmanager zeigte kaum Distanz Im April 2023 übernahm der langjährige Sparkassenmanager Ottmar Bloching die Geschäftsführung bei Payone. Doch laut Protokollen aus dem Risikoausschuss von 2022 war er bereits zuvor über die problematischen Kundenbeziehungen informiert. Hinweise darauf, dass er sich frühzeitig für einen Kurswechsel eingesetzt hätte, gibt es laut "Spiegel"-Recherche nicht. Bafin greift ein – Millionenverluste drohen Im September 2023 veröffentlichte die Bafin eine öffentliche Mitteilung: Payone habe bei der Umsetzung der Vorschriften zur Geldwäscheprävention "gravierende Defizite" gezeigt. Dabei ging es unter anderem um betrügerische Abonnements, Phishing-Seiten und Fake-Shops. Die Behörde untersagte dem Unternehmen, weiterhin Transaktionen für bestimmte Hochrisikokunden auszuführen. Payone kündigte daraufhin Hunderte Geschäftsbeziehungen, auch der Mutterkonzern Worldline zog nach. Unternehmensangaben zufolge könnten durch den Einschnitt bis zu 130 Millionen Euro Umsatz wegfallen. Doch laut interner Unterlagen sind einige umstrittene Firmen auch heute noch aktiv – etwa die Paidwings AG, bekannt für Plattformen wie Fickbook.de oder Singletreffen.vip. Die Zahlungen dieser Anbieter laufen nach wie vor über andere Tochtergesellschaften von Worldline, heißt es in der "Spiegel"-Recherche. Parallelen und Übergänge: Die Spur führt zu Wirecard Die Enthüllungen über Payone erinnern in mehrfacher Hinsicht an den Finanzskandal um Wirecard . Der Zahlungsdienstleister aus München war 2020 spektakulär zusammengebrochen – unter anderem wegen dubioser Geschäftspartner, verschwundener Milliarden und eklatanter Kontrollversäumnisse. Abkassiert und vergessen: Was aus den Opfern des Wirecard-Betrugs wurde Recherchen des "Spiegel" und seinen Partnern zufolge gibt es deutliche personelle und geschäftliche Überschneidungen zwischen Wirecard und Payone. So sollen mehrere Händler, die früher mit Wirecard arbeiteten, nach dem Zusammenbruch des Konzerns zu Payone gewechselt sein – darunter Anbieter aus dem Netzwerk des iranischstämmigen Geschäftsmanns Ray Akhavan, der in den USA ebenfalls verurteilt wurde. Akhavan, in der Branche als "Pornobaron" bekannt, betrieb ein Netzwerk aus Tausenden Sexseiten. Auch der US-Filmproduzent Andrew Garroni, dessen Firmennetzwerk schon bei Wirecard für Zahlungsausfälle und Abzockvorwürfe bekannt war, taucht erneut auf: Interne Dokumente deuten darauf hin, dass Payone nach der Wirecard-Pleite Geschäftsbeziehungen zu Firmen aus seinem Umfeld aufnahm. Garroni produzierte nicht nur Horrorfilme wie "Maniac", sondern betrieb auch fragwürdige Onlineportale, für die er bereits 2006 von der US-Verbraucherschutzbehörde abgemahnt wurde. Besonders brisant: Worldline, Mehrheitseigner von Payone, warnte in einem internen Dokument davor, dass solche Händlergruppen – sogenannte "master merchants" – bewusst intransparent agierten. Mitarbeiter wurden laut Worldline-Dokument sogar explizit angewiesen, solche Strukturen "in keiner externen Kommunikation" zu erwähnen, da sie rechtlich nicht existierten und der Konzern offiziell "keine Kenntnis" von ihnen habe. Worldline stärkt Kontrollmaßnahmen Der französische Finanzkonzern Worldline weist die Vorwürfe in einer Presseerklärung zurück und verweist auf umfassende Maßnahmen zur Stärkung der internen Kontrollmechanismen. Seit 2023 habe man das gesamte Portfolio an Hochrisikohändlern ("High Brand Risk") überprüft und Geschäftsbeziehungen beendet, die nicht den verschärften internen Vorgaben entsprachen. Dieses Segment habe zuletzt lediglich rund 1,5 Prozent des verarbeiteten Transaktionsvolumens ausgemacht. Alle verbliebenen Hochrisikokunden unterlägen nun einer verstärkten Aufsicht mit strengeren Prüf- und Dokumentationspflichten, so Worldline. Man habe zusätzliche Personalressourcen aufgebaut, um die gruppenweite Strategie gegen Finanzkriminalität umzusetzen und die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden zu intensivieren. Sobald Anzeichen für Regelverstöße auftauchen, würden sofort zusätzliche Kontrollen eingeleitet – bis hin zur Beendigung der Kundenbeziehung.