Kaum bekannt, aber weltweit verbaut: Sensoren des Siegener Unternehmens PMD Technologies stecken in Smartphones, Autos und Robotern. Sogar Barack Obama und Angela Merkel testeten die Technik. Es ist Januar 2016. Helikopter kreisen, Scharfschützen liegen mit ihren Gewehren im Anschlag, Personenschützer umringen zwei prominente Gäste. In Hannover findet die weltweit größte Industriemesse statt, und die damaligen Staatschefs, US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel , eröffnen die Hannover Messe . Es ist ein mediales Event – und am nächsten Morgen ziert ein Mittelständler aus Siegen die Titelblätter von "New York Times", "Guardian" und "Telegraph". Oder besser gesagt, eine kleine schwarze, kastige Virtual-Reality-Brille, die Obama und Merkel vor Dutzenden Journalisten testen. An der VR-Brille hatte PMD Technologies seit 2014 mit Google gewerkelt. Von außen sieht der kleine Apparat ulkig aus, die Macher haben Wackelaugen auf seine Front geklebt. Im Inneren steckt Hightech made in Germany: Sensoren ermöglichen, dass man Objekte durch eine Kamera dreidimensional statt zweidimensional sieht. Sie erfassen also Länge, Breite und Höhe von Objekten und Räumen. Obama und Merkel probierten die Technik, bewegten ihre Hände vor der Brille, lachten und hatten Spaß. Erfolgsgeschichte aus der Eifel: Ihre Rohre landen in Chinas Reaktoren Sumup: Wie ein deutscher Gründer dem Bargeld Konkurrenz machte Es entstanden die ikonischen Bilder der Messe, die um die Welt gingen. "Marketingmäßig war das ein Volltreffer", sagt Bernd Buxbaum, Geschäftsführer und Mitgründer von PMD Technologies, knapp zehn Jahre später. Und die aufgeklebten Augen? "Das war die Idee der Marketingkollegin. Sie hat diese Augen hier in Siegen in einem Bastelshop gekauft, und dann haben wir sie selbst aufgeklebt", sagt Buxbaum. Er sitzt in einem lichtdurchfluteten Konferenzraum, das gläserne Gebäude liegt etwas außerhalb der Stadt Siegen auf einem Hügel und gibt den Blick frei auf Wälder und die Großstadt. An einer Wand lehnt ein Fotodruck von Merkel, Obama und der VR-Brille. Sensoren in Smartphones, Autos und Robotern Buxbaums Unternehmen entstand vor mehr als 20 Jahren – und alles begann an der Universität Siegen. Hier, am Zentrum für Sensorsysteme, entstand die Grundlage für das sogenannte "schnelle 3D-Sehen" – die Technologie Photonic Mixer Device (PMD), entwickelt von einem Forschungsteam um den Mitgründer Rudolf Schwarte. Nach der Technologie wurde auch das Unternehmen benannt. Die Sensoren des deutschen Mittelständlers sind mittlerweile in zahlreichen Alltagsgegenständen zu finden: in Smartphones, Autos und Robotern. Sie bewirken, dass die Geräte ihre Umwelt dreidimensional erfassen, ähnlich wie ein menschliches Auge. Der Smartphone-Hersteller LG beispielsweise nutzt die Sensoren, um das Gerät mithilfe von Kamera und Infrarotlicht zu entsperren. Autos erkennen, ob der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt, oder können Airbags passend zur Sitzposition auslösen, weil die Sensoren den Innenraum vermessen haben. In Staubsaugerrobotern gewährleisten sie, dass der Haushaltshelfer etwa den Couchtisch erkennt und umfährt. Inzwischen nutzen die Sensoren auch Künstliche Intelligenz (KI). So kann der Roboter sogar Socken vom Boden aufheben. Für das Unternehmen soll das erst der Anfang sein. "Eine KI , die mit dreidimensionalen Daten gefüttert ist, die die Welt in 3D sieht und in 3D lernt, wird – behaupte ich mal – die überlegene KI sein", sagt Vorstand Jochen Penne. Er ist bei PMD Technologies für Geschäftsfeldentwicklung zuständig – also für neue Anwendungsfelder und Märkte. Mit dreidimensionalen Daten könne die Künstliche Intelligenz besser unter anderem die Größe von Objekten bestimmen und ein intelligenter Staubsaugerroboter mit Greifarm und 3D-Sensoren eine Socke als eine Socke erkennen. "Wir merken gerade, dass unsere Technologie die bestmöglichen Augen für eine Künstliche Intelligenz darstellt." Die Zukunft liegt in Asien Das Unternehmen exportiert seine Technologie von Siegen aus in die Welt – Europa, die USA und Asien sind wichtige Märkte. Neben weiteren Standorten in Dresden und Ulm unterhält der Konzern mit seinen weltweit rund 150 Mitarbeitenden auch Niederlassungen in Seoul (Südkorea) und Shanghai (China). In den vergangenen sieben Jahren hat PMD Technologies nach eigenen Angaben rund 25 Millionen 3D-Chips an Kunden weltweit verkauft. Insbesondere der asiatische Markt bietet laut Penne aktuell hohes Wachstumspotenzial. "Die Robotik ist dort ein wichtiges Standbein geworden, da sie Megatrends wie Automatisierung und demografischen Wandel adressiert", sagt er. Auch Elektromobilität und autonomes Fahren gewinnen an Bedeutung – besonders in Asien. Seit 2014 führt Asien laut einer Studie des Sensor- und Messtechnikverbands AMA bei den Patentanmeldungen. Jedes Jahr kommen dort etwa 11.500 neue Patente hinzu – so viele wie Nordamerika und Europa zusammen. Damit steigt laut AMA auch der Wettbewerbsdruck für deutsche Hersteller aus der Branche. PMD Technologies sieht die Konkurrenz aus Asien jedoch gelassener: Das Unternehmen begegnet eigenen Angaben zufolge dem Wettbewerbsdruck vom asiatischen Markt mit mehr als 450 Patenten auf dem Gebiet und arbeitet mit den "weltweit besten Entwicklern" an weiteren Patenten. Der Siegener Konzern entwickelt seine Technologie größtenteils in der Heimatstadt, die Chips mit den Sensoren werden beim deutschen Halbleiterhersteller Infineon oder Partnern in Asien hergestellt. Geld verdient PMD Technologies vor allem mit Lizenzen, Patenten und Beteiligungen an den Erlösen von Entwicklungspartnern. Bei der Technologie hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge nicht viel Konkurrenz. "Vor vielen Jahren gab es noch eine Handvoll Wettbewerber, die mittlerweile alle für immense Summen von großen Unternehmen aufgekauft wurden – unter anderem von Apple", sagt der Geschäftsführer Buxbaum. "Wir sind damit der einzig verbliebene freie Anbieter auf dem Markt." PMD Technologies hat keine eigene Fertigung, vertreibt damit im Gegensatz zu anderen Unternehmen keine eigenen Produkte, die in diversen Märkten eingesetzt werden können. "Somit sind wir nicht gebunden an einen Produkthersteller", sagt Buxbaum. PMD Technologies ist seit 2024 Tochterunternehmen von IFM und kooperiert insbesondere im Industriebereich in der 3D-Sensorsparte mit dem Essener Konzern. IFM entwickelt, produziert und vertreibt Sensoren, Steuerungen, Software und Systeme für die industrielle Automatisierung in mehr als 145 Ländern. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit: Gute Aussichten Der Mutterkonzern IFM erzielte im vergangenen Jahr einen Erlös von 1,37 Milliarden Euro und damit knapp drei Prozent weniger als im Vorjahr. Als Grund nennt IFM-Vorstand Christoph von Rosenberg in einer Mitteilung die angespannte wirtschaftliche Situation im Heimmarkt Deutschland. Als Tochterunternehmen ist PMD Technologies an mehreren Produktgruppen des Essener Konzerns beteiligt. Der Umsatz ist laut Geschäftsführer Bernd Buxbaum in diesem Jahr insgesamt "sehr gut" gewachsen. Er rechnet damit, dass sie in diesem Jahr noch den 30-millionsten PMD-Chip verkaufen werden. "Das zeigt ganz klar: Das Geschäft ist etabliert und entwickelt sich weiter gut", sagt Buxbaum. Genauere Angaben zum Umsatz macht er allerdings nicht: Wettbewerber sollen keine Rückschlüsse auf Stückzahlen oder Technologieeinsatz ziehen können. Auch die Chipbranche leidet unter den Herausforderungen unserer Zeit. Geopolitische Unsicherheiten, sinkende globale Nachfrage und neue US-Importzölle setzen viele Hersteller unter Druck. Hinzu kommen Fachkräftemangel und Unsicherheiten in der Automobilindustrie , die für zahlreiche Sensorhersteller als Zulieferer dieser Branche ein wichtiger Absatzmarkt sind. Auch von der seit Juli geltenden Zoll-Obergrenze von 15 Prozent auf EU-Exporte in die USA sind Sensorikhersteller betroffen. Rund 69 Prozent der AMA-Mitglieder beliefern Nordamerika, fast ein Fünftel (18 Prozent) ihres Umsatzes entfällt auf den Markt. Das führt zu höheren Kosten und zunehmendem Margendruck. Einige Unternehmen reagieren laut AMA mit Investitionsverschiebungen oder prüfen alternative Absatzmärkte. Wie stark die Handelshemmnisse langfristig wirken, lässt sich laut dem Verband derzeit noch nicht abschätzen. US-Handelskonflikt noch nicht spürbar für den Mittelständler Einen direkten Effekt des Handelskonflikts zwischen den USA und der EU spürt PMD-Geschäftsführer Buxbaum bislang nicht. Die aktuellen US-Handelszölle seien "problematisch", doch Buxbaum ist optimistisch: "Die Flexibilität unserer Lösungen in technischer und auch kommerzieller Hinsicht hilft uns, uns hier immer wieder neu zu orientieren." Der schwache Dollar und allgemeine Marktunsicherheit seien hingegen deutlich spürbar, der internationale Handel herausfordernder als zuvor, das Klima angespannter. Die Gründe sieht Buxbaum unter anderem in der Zollpolitik der Trump-Regierung und der zunehmenden Marktabschottung auf chinesischer Seite. "Die Beziehung zu Kunden in Asien war schon einmal leichter. Durch die weltpolitische Lage wird das nicht einfacher – es entsteht gerade eine gewisse Abgrenzung", sagt Buxbaum. Die kleine Brille mit den Wackelaugen von der Hannover Messe im Jahr 2016 liegt heute hinter Glas in einer kleinen Vitrine. Sie erinnert daran, wie weit es der Mittelständler aus Siegen gebracht hat: von einer Uni-Ausgründung zum Weltmarktführer. Zehn Jahre später ist die Stimmung angesichts geopolitischer Spannungen und Handelsbarrieren angespannter. PMD Technologies muss wie viele weitere Mittelständler aus der Branche zeigen, dass sich Hightech aus der Provinz weiterhin in einer Welt behaupten kann, die immer weniger planbar ist.