Musikalisch gab es etliche Sänger, die Ozzy Osbourne überragt haben. Trotzdem hat Osbourne nicht nur den Heavy Metal erfunden, sondern auch eine neue Art des Prominenten. Ein Nachruf. Manchmal gibt es merkwürdige Parallelen in der Weltgeschichte: Es ist erst wenige Monate her, da hatte sich ein sichtlich angeschlagener Mann ein letztes Mal auf die große Bühne geschwungen. Sein schlechter Gesundheitszustand war mehr als offensichtlich. Stehen konnte er nicht mehr, seine Stimme war brüchig – und doch hatte man den Eindruck, dass sich dieser Mann nichts sehnlichster wünschte, als noch einmal vor der Weltöffentlichkeit aufzutreten. Nur ein Tag später, am Ostermontag, starb dieser Mann. Sein Name war Jorge Mario Bergoglio, besser bekannt als Papst Franziskus . Ein ähnliches Gefühl wie der Papst hat vielleicht auch Ozzy Osbourne in sich gespürt, als er erst vor wenigen Tagen ein letztes Mal zu seiner Art der Messe vor seine Jünger getreten war: In Birmingham, Osbournes Heimatstadt, hatte der 76-jährige Frontmann mit seinen alten Bandkollegen von Black Sabbath sein lange geplantes Abschiedskonzert gespielt. Ozzy Osbourne ist tot: So teilte es seine Familie mit Osbourne über den Tod: "Habe Sharon gesagt, sie soll den Stecker ziehen" Auch Osbourne war sein Gesundheitszustand anzusehen: Wie der Papst konnte der 76-Jährige nur noch sitzend auftreten – und genau wie bei Franziskus war dem Sänger trotz seiner schwachen Gesundheit anzumerken, dass er diesen Auftritt unbedingt wollte. Nur stimmlich stellte Osbourne den Pontifex deutlich in den Schatten. Osbourne, Frontmann der Heavy Metal-Kombo, später erfolgreicher Solokünstler, immer sogenannter "Schockrocker", nannte sich selbst gerne "Fürst der Finsternis". Dass sein jetziger Tod in der Abfolge der Ereignisse frappierend den letzten Tagen des Oberhauptes der katholischen Kirche ähnelte – Osbourne hätte wohl selbst daran Gefallen gehabt. Denn die Inszenierung war immer ein Teil seines Erfolges. Selbst in seiner Blütephase gab es Sänger, die Ozzy Osbourne um Längen überragten. Dennoch wird Osbourne für immer ein Fixpunkt in der Musikgeschichte bleiben. In gewisser Weise war er ein doppelter Pionier: Zuerst als Prototyp des Heavy-Metal-Frontmanns und später als Prominenter, der im Reality-TV eine Erfolgsgeschichte schrieb. Mobbing, Gefängnis – und die Drogen Die große Karriere war John Michael Osbourne allerdings nicht in die Wiege gelegt: Geboren 1948 in der englischen Industriestadt, wuchs er in einfachen Verhältnissen auf. Der Junge, den alle wegen seines Nachnamens nur Ozzy nannten, verließ früh die Schule, in der er mit Lese-Rechtschreibschwäche nicht zurechtkam. Danach schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, musste zwischenzeitlich nach einem Diebstahl für einige Wochen ins Gefängnis. Seine Bestimmung findet Osbourne Ende der Sechziger Jahre, als er mit Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward Black Sabbath gründet – und so klingt, wie keine Band zuvor: Mit den düsteren, harten Klängen setzt die Black Sabbath 1970 einen Gegenpunkt zur Hippiebewegung der Sechziger. Im ersten Song der Debütplatte singt Osbourne darüber, wie einem Mann der Teufel erscheint. Das Genre "Heavy Metal", passend zu Birminghams Schwerindustrie, war geboren. Songs wie "Paranoid", "Iron Man" oder "War Pigs" gehen in die Musikgeschichte ein. Doch es ist weitaus mehr als die Musik, mit der Osbourne ein Genre nicht nur geprägt, sondern eigentlich mit geschaffen hat. Die schwarze Kleidung, das Okkulte, die Eskapaden abseits der Bühne, schlichtweg das Spiel mit dem Bösen: All das, was noch heute gewissermaßen zum Rock-ABC gehört, lässt sich größtenteils auf den charismatischen Sänger zurückführen. Dementsprechend lang ist auch die Liste von Osbournes Verfehlungen: Beim Drogenkonsum ließ er nahezu nichts aus, sodass selbst andere hart gesottene Bands auf Tourneen über die Ausdauer des Sängers staunen mussten. Osbourne zog sich lebende Ameisen durch die Nase, trank seinen eigenen Urin oder biss auf der Bühne einer Fledermaus den Kopf ab – auch wenn er dachte, es habe sich um eine Attrappe gehandelt. Ende der Siebziger wurde es selbst seinen Bandkollegen zu bunt. Osbourne musste Black Sabbath verlassen und machte als Solokünstler weiter. Osbournes zweiter Frühling erblüht im Fernsehen Am Leben blieb Osbourne vermutlich nur so lange, weil ihm seine Frau Sharon früh in seiner Karriere Halt gab. In der Industrie als knallharte Managerin bekannt, zog seine Frau ihn durch weite Teile seiner Karriere. Sharon war es auch, die ihrem Mann Anfang der Nullerjahre einen zweiten, ungewöhnlichen Frühling bescherte: Gemeinsam mit dem Sender MTV entwickelte sie die Idee, das Leben der Familie von einem Filmteam begleiten zu lassen. Die Serie "The Osbournes" revolutionierte die Fernsehwelt. Was dort eine gänzlich neue, junge Generation von Osbourne zu sehen bekam, hatte mit dem düsteren Image des in die Jahre gekommenen Sängers wenig zu tun: Osbourne trug zwar noch immer leidenschaftlich gerne Schwarz, aber wie jeder Durchschnittsvater auch gerne Jogginghose. Die Weltöffentlichkeit sah ihm zu, wie er mit seinen Hunden schimpfte, seinen Fernseher nicht bedienen konnte oder seinen Kindern empfahl, die Finger von Drogen zu lassen. Nach der Erfindung des Heavy Metal wurde Osbourne so ungeplant erneut zu einem Pionier: Weit vor Paris Hilton oder Kim Kardashian wurde er zu einem der ersten Promis, die das Reality-TV als Karrieresprungbrett nutzen konnten. Die Plattenverkäufe gingen danach wieder nach oben, Osbourne schaffte es bis auf die Couch von Thomas Gottschalks "Wetten, Dass..?", wo er ein Duett mit Tochter Kelly spielte. Ein Ende, fast zu kitschig für einen Rockstar Die schrullige Fernsehsendung schadete Osbourne nicht. Allerdings hinterließen Jahrzehnte Rock'n'Roll seine Spuren bei dem Sänger. Eine Parkinson-Erkrankung machte Osbourne in den letzten Jahren öffentlich, da waren die Auswirkungen der Erkrankung schon längst erkennbar. Noch 2013 musste er nach einem Rückfall einen weiteren Drogenentzug machen. Bis zum Ende seines Lebens gelang es Osbourne, sowohl die Klatschspalten als auch die Musikfans zu bedienen: Sein letztes Konzert wurde verfilmt und kommt im kommenden Jahr in die Kinos. Der Boulevard hingegen bejubelte, dass seiner Tochter Kelly nach dem Auftritt vor laufenden Kameras ein Heiratsantrag gemacht wurde. Viel besser konnte der Tag im Leben eines Rockstars und Vaters wohl kaum sein. Am Dienstagmorgen starb Ozzy Osbourne im Alter von 76 Jahren.