Seltene Erden: China kappt Nachschub, EU-Handelskammer alarmiert

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China drosselt den Export von Schlüsselelementen für Europas Industrie. Die EU-Handelskammer ist alarmiert. Deutsche Stellen warnen vor "erheblichen Lieferstörungen". EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen weilte im Sommer in Peking . Eigentlich galt es, den 50. Jahrestag der bilateralen Beziehungen zwischen China und der EU zu feiern. Aber über dem Treffen lasteten der Zollstreit mit den USA sowie Chinas Reaktion auf das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump . Peking drosselte die Ausfuhr wichtiger Rohstoffe – auch nach Europa. Und so mahnte von der Leyen nach ihrem Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping mit deutlichen Worten: "Diese Ausfuhrkontrollen stellen für einige europäische Unternehmen eine erhebliche Belastung dar. Um das Vertrauen in unsere Handelsbeziehungen zu wahren, brauchen wir eine zuverlässige und sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen aus China." Getan hat sich seither nur wenig. Am Mittwoch schlug die Europäische Handelskammer in China (EUCCC) – ein Zusammenschluss von rund 1.600 Unternehmen – Alarm. Vor der Veröffentlichung der Jahresbilanz klagte Kammerpräsident Jens Eskelund in der "Financial Times": "Wir haben eine Reihe von Mitgliedern, die aufgrund dieser Engpässe derzeit erhebliche Verluste erleiden." Der Grund für Eskelunds Unmut: Bei der jüngsten Ausschreibung der begehrten Seltenen Erden blieben drei Viertel der europäischen Nachfragen unerfüllt. Bündnis: Wolfgang Ischinger über die Allianz von China, Indien und Russland Lieferstopp: China bremst Trumps Waffenindustrie aus Seltene Erden sind eine Gruppe von Metallen, ohne die in der Hochtechnologie nichts geht. Sie stecken in Halbleitern von Rechnern, Magneten von Windkraftanlagen und in Hightechkameras von Kampfjets. Zuletzt wurde der US-Hersteller Lockheed Martin in Unruhe versetzt. China kappte die Ausfuhr des Schlüsselelements Germanium, notwendig für die Hightechkameras der Kampfflieger F-35. Der Preis für das Metall erreichte zuletzt ein Zehnjahreshoch. t-online erklärt den Streit um die begehrten Metalle, ihre Verwendung und mögliche Alternativen. Begehrte Metalle Die Liste reicht von A wie Antimon bis Z wie Zirkonium. Fachleute sprechen von Seltenen Erden. Ohne sie läuft in diesen Zeiten wenig, weder im Automobilbau noch in der Chipfertigung noch in der chemischen Autoindustrie. Lanthan etwa dient als Katalysator bei der Erdölverarbeitung, Germanium findet für optische Spitzengeräte Verwendung, etwa für Nachtsichtgeräte beim Militär. Neodym wird zur Herstellung von künstlichem Kautschuk genutzt. Gadolinium dient derweil als Ausgangsbasis für Kontrastmittel bei MRT-Untersuchungen, Neodym wird für Permantmagneten genutzt und Europium lässt LED-Lampen leuchten. Das Problem: China besitzt das Monopol für die Veredelung der begehrten Metalle. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat kommen rund 46 Prozent der in Europas Industrie genutzten Seltenen Erden aus China. Bei einigen Schlüsselelementen liegt die Quote deutlich höher. So stammten im Vorjahr in Deutschland etwa 76,3 Prozent der Lanthan-Verbindungen aus China. In Europa sieht es bei anderen Metallen noch eindeutiger aus: So stammten im Vorjahr 14,2 Tonnen von insgesamt 14,4 Tonnen importiertem Neodym, Praseodym und Samarium aus China. Die Quote: 97,7 Prozent. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte zuletzt: "Ob Elektromobilität, Windkraft, Verteidigungselektronik oder Halbleitertechnik: Ohne Seltene Erden, vor allem in Magnetform, stehen Maschinen still. Deutschland ist als Hochtechnologie-Standort strukturell vom Import dieser Rohstoffe abhängig." Die Abnehmer und die "erheblichen Lieferstörungen" Niemand spricht gern über Abhängigkeiten. Schon gar nicht die Industrie. Die Deutsche Agentur für Rohstoffe (DERA) nennt in ihrer jüngsten Studie "Seltene Erden, Projekte – Förderung – Weiterverarbeitung" aber doch einige Namen. Die BASF , größter Chemiekonzern der Welt mit einem kriselnden Stammwerk in Ludwigshafen , ist demnach "ein sehr großer Verbraucher Seltener Erden". Genutzt werden die Metalle oft als Katalysatoren, um schwierige Verfahren bei chemischen Reaktionen zu vereinfachen. Bayer greift in den Werken in Berlin und Bergkamen auf das Schlüsselelement Gadolinium für die Herstellung von Kontrastmitteln zurück. Clariant nutzt laut DERA Seltene Erden an "den Standorten Bitterfeld-Wolfen, Gendorf und Bruckmühl-Heufeld für Katalysatoren für die Erdöl- und Spezialchemieindustrie". Carl Zeiss setzt laut Studie in den Werken "Jena, Oberkochen und Göttingen u. a. optische Komponenten für Spezialanwendungen" ein. Die Schott AG aus Mainz nutzt laut Studie die Schlüsselelemente für "Spezialgläser und Glaskeramiken für zahlreiche Branchen wie die Hausgeräte-, Pharma-, Elektronik-, Halbleiter-, Optik-, Life-Science-, Automobil- und Luftfahrtindustrie". Neben den Großunternehmen sind auch viele Mittelständler aus Deutschland auf die Schlüsselelemente aus der Volksrepublik angewiesen. Umso eindringlicher ist die Mahnung der Europäischen Wirtschaftskammer in China im jüngsten Jahresbericht vom Mittwoch: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind jedoch viele Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere Betriebe des Mittelstands – weiter von erheblichen Lieferkettenstörungen betroffen, und es wurde noch keine langfristige, nachhaltige Lösung vorgeschlagen." Die Gegenstrategie und ihre Tücken Die EU versucht, gegenzusteuern. Seit dem Vorjahr greift der sogenannte Critical Raw Materials Act (CRMA): Das Ziel: Bis 2030 sollen zehn Prozent der strategischen Schlüsselelemente wie Germanium und Neodym in Europa gewonnen, 40 Prozent hier veredelt und 25 Prozent der eingesetzten Metalle recycelt werden. Es lassen sich erste bescheidene Erfolge verzeichnen. "Lithium 'made in Germany'", titelte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zuletzt. So wird nahe der rheinland-pfälzischen Weinbaumetropole Landau Lithium aus dem Tiefenwasser von Geothermieanlagen gewonnen. Das Metall ist entscheidend für die Akkus von E-Autos. In Dormagen am Niederrhein soll eine Recyclingfabrik für Lithium entstehen. Doch birgt der Aufbruch in die strategische Autonomie auch Tücken. Rheinabwärts in den Niederlanden fürchten die Wasserversorger eine zu hohe Lithiumbelastung für das aus dem Fluss gewonnene Trinkwasser. Von einem "wachsenden Risiko für die Wasserqualität und die Trinkwasserversorgung in den Niederlanden" sprechen die Betriebe und schalteten die EU-Kommission ein. Auch im brandenburgischen Guben entsteht eine Anlage zur Lithiumgewinnung. Der Betreiber Rock Tech will dort Lithiumvorkommen aus Kanada weiterverarbeiten. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln von Bund und EU. Dabei kooperiert das Unternehmen mit einem Batteriehersteller aus China. Er will das in der Lausitz gewonnene Metall in seinem Werk im nahegelegenen Polen weiterverarbeiten.
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