Social-Media-Verbot für Jugendliche: Australien zeigt nur den Anfang

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Die Welt schaut gespannt nach Australien – dem jetzt ersten Land mit einem Social-Media-Verbot für Jugendliche. Unsere Kolumnistin gibt eine Antwort auf die Frage, ob Australien zum Vorbild taugt. Es passiert wirklich nicht oft, dass meine Timelines sich fast ausschließlich um ein einziges Thema drehen. Wenn das so ist, ist meistens etwas wirklich Krasses passiert. Ein Anschlag, ein Tsunami , oder aber Dieter Bohlen hat sich mal wieder mit Expertise für alles zu allem geäußert. Keiner dieser drei Fälle greift momentan, und trotzdem: Instagram, Threads, Facebook, Bluesky – es geht überall nur um ein einziges Thema: das Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige in Australien . "Ist das naiv?", fragen die einen, "Ist das ein Vorbild für uns?", fragen die anderen. Auch unsere Bundesregierung ist mittlerweile mit dem Thema befasst. Einerseits gut, weil lange überfällig. Andererseits belegen andere Beiträge im Social Web: Da machen wir immer noch den Bock zum Gärtner. Denn eigentlich, in einer idealen Welt, sollte man ALLEN die Teilhabe an den sozialen Netzwerken verbieten. Auch politisch Verantwortlichen. Jedenfalls so lange, bis sie endlich wenigstens ein Mindestmaß an digitaler Kompetenz erkennen lassen. Schauen wir sorgfältig hin So schrieb beispielsweise die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) kürzlich auf der Plattform X: "Auf diesem Account posten wir keine Inhalte mehr. Schauen Sie gerne auf unserer Website vorbei oder folgen Sie uns auf Instagram, Facebook, LinkedIn, Bluesky oder Mastodon." Nun schauen wir uns das mal mit der gebotenen Sorgfalt, die wir auch von der Politik erwarten können, an. Was genau steht da? Richtig: Da werden erstens fünf (!) Plattformen plus die Homepage der BPB als alternative Informationsquellen genannt. Niemand plant also, sich abzuschotten und den Steuerzahler um sein Recht auf Information zu bringen. Ah, wo ich es gerade schreibe, Stichwort "plant": Der Post ist nicht mal eine Ankündigung, sondern lediglich eine Feststellung. Wer sich nämlich die durchaus überschaubare Mühe macht, mal nachzuschauen, wie wahnsinnig bahnbrechend diese Entscheidung nun ist und dafür auf den X-Account der BPB geht, sieht: Vor der Ankündigung, nichts mehr zu posten, wurde das letzte Mal im April etwas gepostet. Im April! Da war noch nicht mal diese Regierung im Amt! Was für ein trauriger Post Der Post war ein willkommener, weil rarer Moment für die stellvertretende Generalsekretärin der CDU , sich endlich mal wieder in Erinnerung zu rufen. Leider aber wird diese nach dem Einwurf von Christina Stumpp (so heißt sie) nicht allzu gut sein. Jedenfalls bei denen, die einigermaßen im Stoff sind. "Es ist widersinnig, einen großen Kanal wie X aufzugeben, während die @bpb auf kleineren Plattformen wie Mastodon verbleibt. Demokratische Institutionen brauchen auch dort Präsenz, wo Gegenwind herrscht. Der Rückzug in die Wohlfühlzone ist falsch", schrieb Stumpp. Auf X. Wo angeblich "Gegenwind" herrscht. Was für ein in seiner offensichtlichen Inkompetenz trauriger Post! Wo fange ich an? Erstens: Seit April war Frau Stumpp nicht aufgefallen, dass da gar nichts mehr passierte. Nun Kritik zu üben – nun ja. Stumpps Interesse war also anscheinend auch nicht groß genug gewesen, den Kanal der Bundeszentrale regelmäßig zu konsultieren. Aber gut, das kann man unter "wohlfeil" abhaken. Party von Rassisten, Antisemiten und anderen Extremisten Aber weiter: Sich ausgerechnet Mastodon herauszupicken und so zu tun, als wäre das der einzige Kanal, auf den die BPB verweist – das ist schon mehr als wohlfeil. Das ist irreführend. Und es ist relativ entlarvend: Nicht nur die Followerzahl nämlich ist eine relevante Größe, sondern auch die der Interaktionen. Scheint Frau Stumpp nicht zu wissen oder aber nicht so wichtig zu finden. Und dass Instagram klein ist und das so oft unterschätzte Facebook etwas mit Wohlfühlzone zu tun hat, kann nur behaupten, wer sich in den sozialen Medien nur blicken lässt, um mal eben einen rauszuhauen. Drittens: Gegenwind? Ernsthaft? So bezeichnet Frau Stumpp eine Plattform, deren Besitzer jeden Tag eine Party von Rassisten, Antisemiten und anderen Extremisten veranstaltet? Der eine KI walten lässt, die den Holocaust nicht nur leugnet? Der gerade angekündigt hat, die EU zerstören zu wollen, sie gar als "Viertes Reich" bezeichnet, weil man ihn zu einer Strafe heranziehen will für die ja noch vergleichsweise harmlosen Vergehen, die er auf X zulässt, fördert oder aktiv begeht? Interessant. Ich würde Stumpp ja entgegnen: Das ist doch mal ein guter Umgang mit unseren Steuergeldern, die an die BPB gehen! Ist doch schön, dass man dort damit nicht noch anteilig Elon Musk und sein digitales Drecksloch unterstützen will. Das Verbot ist naiv Entweder ist das ausgeprägte politische Dreistigkeit, vielleicht auch in Kombination mit dem verzweifelten Wunsch nach Aufmerksamkeit, oder es ist schlicht und einfach der Beweis, wie weit entfernt Politikerinnen und Politiker hierzulande immer noch von Sachkenntnis in puncto Digitalmedien sind. Und das ist schlecht, gerade jetzt, wo das erste Verbot dieser Welt endlich greift. Wer selbst mal jung war, weiß zwar: Wir hatten damals andere Themen, über die unsere Eltern und/oder die Politik diskutiert haben. Zu meiner Zeit waren das: TV-Konsum via Röhrenfernseher, die Doktor-Sommer-Seiten in der Bravo und meine Atari-Spielkonsole. Das sind völlig andere Themen als die, um die es mit Blick auf die Jugend heute geht. Was aber alle jungen Leute weltweit und zu jeder Epoche gemeinsam haben, das ist kriminelle Energie. Natürlich wird es kreative Ideen geben, das Verbot zu umgehen. So wie ich auch mit 14 das erste Mal an einem Bier genippt habe. Da ich leider so doof war, mich dabei in flagranti von meiner Mutter erwischen zu lassen, habe ich ihr Entsetzen sehr ungefiltert mitbekommen. Aber auch andernfalls hätte ich gewusst, dass das nicht okay ist. Das macht einen Unterschied. Deshalb ist ein Verbot durchaus sinnvoll, auch wenn es ein wenig naiv erscheinen mag. Und doch passiert etwas Und aus meiner Sicht der noch viel größere Vorteil des australischen Vorpreschens: Das Thema wird diskutiert. Es wird ein Bewusstsein geschaffen dafür. Andere Länder ziehen nach. Schulen auch hierzulande verhängen Smartphone-Verbote. Ein Gymnasium in Osnabrück wirbt sogar damit, ab dem kommenden Schuljahr eine Smartphone-freie Klasse einzuführen. Und in Japan arbeitet die Regierung an Tipps für ein gesundes Maß an Handynutzung. Auch für Erwachsene. Es passiert etwas. Damit das aber dann auch durchdacht, nachhaltig – und: Achtung: denn nur darum geht es doch – zum Besten von Kindern und Jugendlichen passiert, damit verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden können, braucht es ein Mindestmaß von Ahnung. Das offensichtlich immer noch nicht bei allen existiert. Solange lautet mein Tipp auch an alle Erwachsenen: Finger weg von Social Media.
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