Die Deutschen gehen besonders häufig zum Arzt. Doch eine neue Studie zeigt: Andere Europäer mit weniger Arztbesuchen schneiden bei der Lebenserwartung besser ab.  Ob wegen einer   Erkältung   ,   Rückenschmerzen    oder einer Vorsorgeuntersuchung: Deutsche suchen so häufig eine Arztpraxis auf wie die Bürger kaum eines anderen Landes in Europa. Das zeigt eine aktuelle Studie, an der auch das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) beteiligt war.  Spitzenreiter bei Arztbesuchen, aber nicht bei der Lebenserwartung  Die neue Untersuchung, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "The Lancet Regional Health Europe", analysierte, wie sich die Zahl der Arztbesuche in 27 europäischen Ländern seit 2004 entwickelt hat. Dabei lag der Fokus auf Menschen über 50 Jahre. Auffällig: Deutschland gehört seit Jahren zu den Spitzenreitern – und das, obwohl die Lebenserwartung im europäischen Vergleich nur durchschnittlich ist.  Für den Vergleich wählten die Forscher das Jahr 2019 als Endpunkt, um Verzerrungen durch die Corona-Pandemie zu vermeiden. Besonders deutlich wird: In Deutschland ist die Zahl der Arztbesuche im Vergleich zu anderen Ländern nicht gesunken, anders als etwa in   Frankreich    oder   Spanien   .  Weniger Praxisbesuche:      Ärzte fordern Krankschreibung ab dem vierten Tag    Kein Zufall:      Warum Ärzte im OP grüne oder blaue Kleidung tragen    Deutschland ganz vorn, Finnland ganz hinten  Im europäischen Vergleich liegt die Zahl der Praxisbesuche in Deutschland fast doppelt so hoch wie in   Finnland   , dem Land mit den wenigsten Arztkontakten pro Kopf. Diese Unterschiede bleiben auch dann bestehen, wenn man Alter und Gesundheitszustand der Bevölkerung berücksichtigt.  Die Studie zeigt, dass Länder wie Frankreich und Spanien in den vergangenen 20 Jahren ihre Besuchszahlen um etwa ein Viertel senken konnten, und das bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung. In Deutschland dagegen ist nur ein minimaler Rückgang zu verzeichnen.  "Diese Länder hatten damals eine ähnlich hohe Zahl an Praxisbesuchen wie Deutschland, konnten dann aber im Kontext einer steigenden Lebenserwartung einen deutlichen Rückgang erzielen", erklärt Studienautorin Anna Reuter vom BiB.  Häufig beim Arzt, aber nicht unbedingt gesünder  Ob häufige Arztbesuche automatisch mit besserer Versorgung gleichzusetzen sind, lässt sich aus den Zahlen nicht ableiten. Sicher ist nur: Deutschland hat eines der dichtesten medizinischen Versorgungsnetze in Europa und eine Bevölkerung, die es intensiv nutzt.  Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Effizienz. Denn Länder wie die Schweiz, Frankreich oder Spanien, in denen Menschen seltener eine Arztpraxis aufsuchen, erreichen bei der Lebenserwartung deutlich bessere Werte als Deutschland.  Die neue Studie macht deutlich: Häufige Arztbesuche allein sichern kein gesünderes oder gar längeres Leben. Länder mit weniger Kontakten zum Gesundheitssystem schneiden bei der Lebenserwartung oft besser ab. Das beweist der Blick über die Grenzen.