"Tatort" aus Dortmund: Ein Krimi wie ein Wurmloch – in schlecht

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Der neue "Tatort" aus Dortmund setzt sehr viel Vorwissen voraus. Doch das ist nur eines von mehreren Problemen. Der ARD-Krimi verzettelt sich heillos. Dies ist ein Warnhinweis: Bei den folgenden Ausführungen könnte Ihnen schwindlig werden. Bitte halten Sie sich fest und nehmen Sie eine sichere Sitzposition ein. Der Versuch, die personellen Veränderungen im Dortmunder "Tatort" zusammenzufassen, dürfte kompliziert werden – wir versuchen es trotzdem. Stefan Konarske ist zurück. Als Ermittler Daniel Kossik war er ab 2012 in zehn Fällen des Dortmunder "Tatort"-Teams zu sehen, verabschiedete sich 2017 zum LKA nach Düsseldorf – und feiert jetzt, nach acht Jahren Abwesenheit, sein Comeback. Das Personalkarussell in Dortmund dreht sich also schneller, als man das dafür doppeldeutige, aber passende Wort Schwindelei aussprechen kann. Denn es gleicht einem Betrug an den Zuschauern, wie mit dem Stammpersonal umgegangen wird. Von einem "Tatort"-Team, von Kontinuität im Kommissariat kann jedenfalls keine Rede sein – und wenn, dann wird sie in Dortmund nur vorgetäuscht. Oder hat das Durchwechseln der Besetzung System? Abgänge scheinen zur Dortmunder DNA zu werden: Neben Konarskes Ermittler Daniel Kossik sind aus dem "Tatort"-Team bereits die von Aylin Tezel gespielte Nora Dalay ausgestiegen. Außerdem Martina Bönisch, die von Anna Schudt verkörpert wurde, und Jan Pawlak, gespielt von Rick Okon – und das alles seit Ende 2020. Eine Geduldsprobe an Selbstbezogenheit Lustig ist das nicht mehr. Der "Tatort" aus dem Ruhrpott gerät so zur reinen "Bäumchen wechsle dich"-Farce. Das ist kein Krimiformat mehr, sondern ein Kammerspiel mit wechselnden Gaststars. Dabei war das Dortmund-Team im "Tatort"-Kosmos einst eine Größe, ein Garant für spannende Unterhaltung und raffinierte Fälle. Die neueste Episode "Tatort: Abstellgleis" zeigt: Diese Zeiten sind längst vorbei – in Dortmund kreist der Sonntagskrimi nur noch um sich selbst. Womöglich war das auch Drehbuchautor Jürgen Werner bewusst, weshalb er sich dazu entschied, einen 90-minütigen Film über ein Kommissariat in Aufruhr zu schreiben. Ermittler richten ihre Waffen aufeinander, verdächtigen den jeweils anderen, durchsuchen persönliche Habseligkeiten von Kollegen. Ein Film wie ein Wurmloch: Folgt man einer Spur, reist man durch die Vergangenheit eines Dortmunder Polizeibeamten – und kommt am Ende wieder im Kommissariat heraus. Was klingt, wie ein vertrackter "Twin Peaks"-"Tatort", ist allerdings für den Zuschauer nur eine langweilige Nabelschau. Dazu passt es, dass die neue Mordkommissions-Chefin Ira Klasnić (Alessija Lause) die Ermittler Peter Faber und Rosa Herzog zur Klärung eines unspektakulären Falls schickt: tödlicher Verkehrsunfall mit Fahrerflucht . Später wird eine weitere Leiche gefunden – und diese steht, welch Überraschung, eng mit den handelnden Personen im Dortmunder "Tatort" in Verbindung. Vorkenntnisse vorausgesetzt Manch Zuschauer mag nun einwenden, dass die horizontale Erzählweise in Dortmund seit jeher Tradition hat. Aber wie dies in diesem Fall auf die Spitze getrieben wird, ist fast schon unfreiwillig komisch und nicht nur selbstreferenziell: "Tatort: Abstellgleis" steht sinnbildlich dafür, wie wenig Interesse die Macher daran haben, spannende neue Ideen zu entwickeln. Der Krimi zeigt beispielhaft, wie sehr man sich nur mit sich selbst beschäftigt. Dabei gerät vollkommen außer Acht, dass es neben dem Stammpublikum auch Zuschauer geben soll, die nicht jeden Vorgängerfall des Krimis in- und auswendig kennen. Das scheint den zuständigen WDR aber wenig zu stören: In "Abstellgleis" wird munter auf das Geschehen früherer Episoden zurückgegriffen, Beziehungen zwischen einstigen Hauptfiguren (Kossik und Faber) als selbstverständlich vorausgesetzt und Familiengeschichten von Kommissarinnen (Herzog) ohne Erklärungen als dramaturgisches Element benutzt. Wer da noch durchblickt, scheint einen Master in Dortmund-Tatortologie abgelegt zu haben – oder so ähnlich. Der neueste Fall endet zu allem Überfluss damit, dass einige personelle Fragen offen bleiben. Ach ja, und eine weitere Veränderung innerhalb des Kommissariats ist sicher. Bald kann der "Tatort" aus dem Westen als Wanderzirkus durch die Republik ziehen, Arbeitstitel: "Faber und Co.".
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