Trump: US-Regierung will Treibhausgase als "harmlos" einstufen lassen

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Es wäre ein massiver Rückschlag für den Klimaschutz – nicht nur in den USA: Die Trump-Regierung macht in ihrem Kampf gegen Umweltschutzauflagen ernst. Lee Zeldin hatte sich für seine Erklärung einen ungewöhnlichen Ort ausgesucht. Der Leiter der amerikanischen Umweltschutzbehörde Environment Protection Agency (EPA) stand am Dienstag in der Halle eines LKW-Händlers im US-Bundesstaat Indiana. Hinter ihm waren riesige Schwerlaster eines bekannten US-Herstellers aufgereiht. Dann machte Zeldin eine Ankündigung, die womöglich weitreichende Folgen für das Klima haben könnte. Zeldin verkündete, dass seine Behörde beantragen werde, Treibhausgasemissionen nicht mehr als gesundheitsschädlich einzustufen. "In Bezug auf die Regulierungen für den Ausstoß von Treibhausgasen wird (dieser Antrag) die Richtlinien für kleine, mittlere und schwere Lastkraftwagen nicht nur zurückdrehen – er wird sie vollständig abschaffen", so Trumps Umweltschutzbeauftragter. Und er machte auch deutlich, was das konkret bedeuten würde: "Dieser Antrag ist ein Antrag, der die Gefährdungsfeststellung abschaffen wird, und der die Standards für den Ausstoß von Treibhausgasen komplett abschaffen wird." Auf dem Spiel steht die sogenannte "Gefährdungsfeststellung" – und damit die rechtliche Grundlage für den Kampf gegen den Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂) in den USA . 1970 ermächtigte der US-Kongress die Umweltschutzbehörde EPA mit einem Gesetz, dem Clean Air Act, "Luftverschmutzung, die die öffentliche Gesundheit begründeterweise gefährden kann", zu regulieren. Jahrzehntelang galt das Gesetz für Schadstoffe wie Blei, Ozon und Ruß. Patton: "Wäre eine der folgenschwersten Maßnahmen" Mit der wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Treibhausgase zur Erderwärmung führen, wuchs der Druck auf die EPA, auch deren Ausstoß zu begrenzen– vor allem bei Autos und Lastwagen. 2007 entschied der Oberste Gerichtshof, dass Treibhausgase als Luftschadstoffe gelten und wies die Umweltschutzbehörde an, auch diese zu berücksichtigen. Daraufhin erklärte die EPA 2009 Treibhausgase für gesundheitsschädlich. Diese Entscheidung, bekannt als "Endangerment Finding" ("Gefährdungsfeststellung"), bildet seither die rechtliche Grundlage für viele Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels. Vorgaben für Autos bis hin zu Regelungen für Gas- und Kohlekraftwerke "gehen auf diese Feststellung von 2009 zurück", sagt Meredith Hankins von der Nichtregierungsorganisation Natural Resources Defense Council. Mit deren Abschaffung würde die Trump-Administration die Axt an einen der wesentlichen Pfeiler des Klimaschutzes in den USA legen. "Dies wäre eine der folgenschwersten Maßnahmen überhaupt – wirklich – in der gesamten Geschichte der Environmental Protection Agency", sagte Vickie Patton, von der Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund dem Sender NPR, "wenn die Regierung das tatsächlich umsetzt und einfach aufhört, das amerikanische Volk vor einigen der gefährlichsten Schadstoffe in unserem Leben zu schützen". Zu den Auswirkungen von klimaschädlichen Treibhausgasen zählen Hitzewellen, schwere Brände, Überschwemmungen, Erdrutsche, aber auch die gesundheitlichen Gefahren durch Smog und Ruß durch Fahrzeuge. Zeldin: "Haben die Bedenken deutlich vernommen" Es geht der Trump-Administration offenbar darum, eine weitere Errungenschaft demokratischer Vorgänger-Regierungen zurückzudrehen. "Die Regulierungen wurden von der EPA unter der Obama-Regierung als politisches Instrument missbraucht, ohne dass dafür (wissenschaftliche) Beweise vorgelegen hätten. Das hat Amerikas Wettbewerbsfähigkeit geschadet", fügte Indianas republikanischer Gouverneur Mike Brown hinzu. Bereits in Trumps erster Amtszeit wurde die "Gefährdungsfeststellung" vor Gericht angefochten, hatte jedoch Bestand. Amerikas Automobilindustrie , aber auch Ölunternehmen wehren sich seit Jahren gegen die ihrer Meinung nach überzogenen Umweltschutzstandards. "Wir haben die Bedenken laut und deutlich vernommen", sagte Zeldin in einem Statement unter Anspielung auf den Einfluss unter anderem der Automobilindustrie gegen die Standards, "die (strengen) Regeln der EPA in Sachen Treibhausgase, nicht nur die für Kohlendioxid, dessen Einfluss nie wirklich unabhängig untersucht wurde, sind die größte Bedrohung für den Wohlstand der Amerikaner". "Es gibt Menschen, die im Namen des Klimawandels bereit sind, das Land zu ruinieren", sagte Zeldin. Laut einer Pressemitteilung der EPA würde die geplante Aufhebung aller Treibhausgasstandards im US-Haushalt jährlich rund 54 Milliarden Dollar einsparen. Kohlendioxid gilt als einer der größten Klimakiller Vor seiner Ankündigung hatte Zeldin bereits im konservativen "Ruthless Podcast" erklärt, dass er die Gefahren, die von Kohlendioxid ausgehen, für überschätzt hält. "Mit Blick auf die Einstufung als Gefahr heißt es, Kohlendioxid sei ein Schadstoff, und das war's dann auch schon", sagte Zeldin. "Niemals wird irgendeine Art von Nutzen oder Notwendigkeit von Kohlendioxid anerkannt." Dabei werde nicht gewürdigt, "wie wichtig es für den Planeten ist". Laut dem Umweltbundesamt hat Kohlendioxid den größten Anteil an den Treibhausgasen. Allein in Deutschland entfallen 87,1 Prozent auf das Gas. Es dauert zudem viele Jahrhunderte, bis das Gas in der Atmosphäre abgebaut wird. Anthropogenes, also durch den Menschen verursachtes Kohlendioxid wird durch die natürlichen physikalischen und biogeochemischen Prozesse im Erdsystem nur sehr langsam abgebaut. "Nach 1000 Jahren sind davon noch etwa 15 bis 40 Prozent in der Atmosphäre übrig. Der gesamte Abbau dauert jedoch mehrere hunderttausend Jahre", so die Experten des Umweltbundesamtes. "Das ist nicht nur ein Angriff auf die Wissenschaft, sondern auf den gesunden Menschenverstand", sagte Zealan Hoover, ehemals leitender Berater bei der EPA unter Präsident Joe Biden . Er verwies auf "über 2.000 Seiten detaillierter Belege dafür, dass der Klimawandel unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden schädigt. Aber man kann genauso gut auch einfach die Millionen von Amerikanern fragen, die ihre Häuser und ihre Existenz durch extreme Brände, Überschwemmungen und Stürme verloren haben", so Hoover weiter. "Und es wird jeden Tag schlimmer". In den USA ist der Verkehr der größte CO₂-Verursacher. Dena Adler vom Institute for Policy Integrity der Universität New York nennt es deshalb "schwer vorstellbar", dass Fahrzeugemissionen nicht mehr als Mitverursacher des Klimawandels gelten, wie von der Regierung beabsichtigt. Seit 1970 übersteigen diese Emissionen in den USA laut einer Analyse des Instituts die Gesamtemissionen der neun Länder, die in der Liste der größten Umweltverschmutzer auf die USA folgen. Lange juristische Auseinandersetzung könnte folgen Die Trump-Regierung muss nun jedoch mit Klagen gegen die Aufhebung der "Gefährdungsfeststellung" rechnen. Nach der Ankündigung der Umweltbehörde haben Klimaschützer, andere Organisationen und die Industrie zunächst 45 Tage Zeit für eine öffentliche Stellungnahme. Auch der US-Bundesstaat Kalifornien hat unmittelbar nach der EPA-Ankündigung bereits mitgeteilt, sich gegen die Deregulierung in Sachen Klimaschutz zur Wehr setzen zu wollen. Umweltrechtsexpertin Adler rechnet mit langen juristischen Auseinandersetzungen. Es werde "Jahre dauern", bis der Fall vor dem Obersten Gerichtshof lande, betont sie. Bekäme die Regierung Recht, wäre das eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs: Denn es war dessen Urteil von 2007, das zur "Gefährdungsfeststellung" führte. Allerdings entschied das inzwischen mehrheitlich konservativ besetzte Gericht zuletzt immer wieder zu Gunsten von Trump. Sollte die Regierung ihr Ziel erreichen, dürfte die Industrie dennoch nicht zwangsläufig ihre Praktiken von heute auf morgen ändern, meint John Tobin-de la Puente, Wirtschaftsprofessor an der Cornell University. Stromversorger zum Beispiel "werden ihre Entscheidungen über große Investitionen nicht auf der Grundlage kurzfristiger politischer Veränderungen treffen", die von einer nachfolgenden Regierung rückgängig gemacht werden könnten, sagt er.
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