VW, BMW, Mercedes: Wie tief sitzt die Auto-Krise wirklich?

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VW, BMW, Mercedes: Alle großen deutschen Autobauer haben derzeit Schwierigkeiten. Vor allem E-Autos verkaufen sich schlechter als geplant. Doch das allein ist nicht das Problem. Die Stimmung bei den großen deutschen Automobilkonzernen ist derzeit verhalten, geprägt von angestrengter Zuversicht. Verdenken kann es ihnen niemand. Gleich mehrere Marken melden dieser Tage Gewinneinbrüche um die 30 Prozent. Was bei der Vorstellung der Jahresergebnisse deutlich wird: Aktuell kämpft die gesamte Branche. Sie kämpft mit Schwierigkeiten auf dem chinesischen Markt, der Zurückhaltung europäischer Kunden beim Kauf von E-Autos und den eigenen Strategieentscheidungen früherer Jahre. Bei der ein oder anderen Marke führt das dazu, dass Entscheidungen wieder zurückgedreht werden. Autoexperte Christoph Stürmer befürchtet, dass die Autobauer damit in eine Falle tappen. "Die deutschen Autokonzerne haben den Ernst der Lage offenbar immer noch nicht begriffen", sagt er im Gespräch mit t-online. "Statt verdruckst über niedrigere Gewinne zu sprechen, sollten sie sich viel mehr Gedanken über deutlich höhere Investitionen machen." Doch die Konzerne sind damit derzeit zurückhaltend. Volkswagen senkt Investitionsbudget Nach einem turbulenten Jahr verzeichnete der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen einen Gewinn von 19 Milliarden Euro. Das sind 15,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Noch deutlicher zeigte sich das am Ergebnis nach Steuern , dieses lag für 2024 mit 12,4 Milliarden Euro sogar 30,4 Prozent unter dem Vorjahresergebnis. Insgesamt lieferte das Unternehmen 2,3 Prozent weniger Autos aus als im Vorjahr. Mehr zu den Zahlen lesen Sie hier . Der Konzern will künftig umfassend sparen. Neben Stellenstreichungen soll auch das Investitionsbudget heruntergeschraubt werden. Von 2025 bis 2029 sollen insgesamt nur noch rund 165 Milliarden Euro in neue Anlagen, Technik und Software fließen. Von 2024 bis 2028 waren zuvor 180 Milliarden Euro geplant gewesen. Genau darin sieht Experte Stürmer das Problem: "Elektromobilität erfordert eine völlig neue Art, Autos zu entwickeln. Da müssen die Konzerne voll reingehen. Was wir aktuell sehen, ist eine Fortsetzung der alten Strukturen." Doch ein entsprechend mutiges Vorangehen kostet Zeit und Geld, beides ist den Aktionären in der aktuell angespannten Lage nur schwer zu vermitteln. Zumal der E-Autoabsatz in Deutschland deutlich langsamer wächst als erwartet. Viele Kunden sind weiter skeptisch, was die Reichweite und das Ladenetz angeht. Aber auch die tendenziell höheren Preise im Vergleich zu Verbrennermodellen schrecken ab. In Summe führt das dazu, dass der E-Auto-Anteil in Deutschland aktuell bei 3,3 Prozent liegt. Bei den Neuzulassungen im Jahr 2024 machten E-Autos 13,4 Prozent aus. Gewinneinbruch bei Porsche : Das war eine Fehleinschätzung Tatsächlich will VW deswegen künftig auch weiter auf Verbrenner setzen. Besonders deutlich machte Konzernchef Oliver Blume das bei Porsche. Die Marke gehört zum Konzern und wird ebenfalls von ihm geführt. Das Heikle an dieser Nebeneinander-her-Strategie ist die Doppelbelastung in Entwicklung und Produktion. BMW will mit "Neuer Klasse" durchstarten Auch der Münchner Autohersteller BMW verzeichnete im Jahr 2024 deutliche Gewinneinbußen. Nach Steuern verdiente der Konzern 7,7 Milliarden Euro, das sind 37 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Auch beim Umsatz gab es einen deutlichen Dämpfer: 142 Milliarden Euro sind ein Minus von 8,4 Prozent. Mehr zu den Zahlen lesen Sie hier . Bei den Elektroautos steht BMW besser da als die anderen deutschen Hersteller und konnte seinen Absatz vergangenes Jahr deutlich steigern. Doch die verkauften 427.000 E-Fahrzeuge machen nicht einmal ein Fünftel der Gesamtproduktion aus. Zusätzlichen Schub soll hier die sogenannte Neue Klasse bringen, mit der BMW einen breiten Generationswechsel einleitet. Deren erstes Serienfahrzeug soll Ende 2025 in Produktion gehen. Dafür hat BMW vergangenes Jahr viel Geld in die Hand genommen. Für Forschung und Entwicklung gab der Konzern insgesamt 18 Milliarden Euro aus. Die Ausgaben dafür sollen in den kommenden Jahren aber wieder sinken. Das Konzernergebnis beim Stuttgarter Hersteller Mercedes fiel kaum besser aus. Im Jahresvergleich ging der Gewinn um gut 28 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz fiel im Gesamtjahr um 4,5 Prozent auf 145,6 Milliarden Euro. Für dieses Jahr rechnet der Autobauer mit insgesamt noch stärkerem Gegenwind und weniger Ergebnis. Die Stuttgarter erwarten zudem beim Absatz von Pkw ebenfalls einen leichten Rückgang. 2024 lag er bei 1,98 Millionen Einheiten. Konzerne machen weiter Milliardengewinne Wie schwerwiegend ist die aktuelle Krise? Vor allem bei Volkswagen sah es im vergangenen Jahr düster aus. Bei der Kernmarke will das Unternehmen bis 2030 jeden vierten Job streichen. Bei Porsche fallen noch einmal 1.900 Stellen weg. Auch Mercedes will die Kosten in den kommenden Jahren um mehrere Milliarden Euro drücken und hat ein Abfindungsprogramm angekündigt. BMW fällt hierbei aus dem Raster, schuf im vergangenen Jahr sogar 4.000 neue Stellen. Was bei solch drastischen Maßnahmen teilweise aus dem Blick gerät: Gewinneinbrüche sind keine Verluste. Alle genannten deutschen Konzerne machen Milliardengewinne. Branchenexperte Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover sagt dazu: "Wir sehen im Moment eine Normalisierung nach einer Sondersituation mit bisher nicht gekannten Profiten." Durch den Chipmangel während der Coronapandemie habe sich der Markt auf teurere Modelle verlagert, zudem habe es kaum Rabattaktionen gegeben, wodurch die Hersteller deutlich größere Margen erwirtschafteten. Das Beispiel BMW zeigt: Ein Rekordgewinn von 18,6 Milliarden Euro im Jahr 2022, drumherum ebenfalls gute Zahlen, lassen die aktuellen 7,7 Milliarden im Vergleich niedrig wirken. Doch vom früheren Rekordgewinn von 8,7 Milliarden Euro im Jahr 2017 sind sie deutlich weniger weit entfernt. Grund zur Entwarnung ist das aber nicht: Denn die Zeiten seien herausfordernd und die Hersteller hätten berechtigte "Sorge vor einer drohenden Krise und tun gut daran, die Strukturen frühzeitig wetterfest anzupassen", sagt Schwope. Stürmer geht sogar noch einen Schritt weiter. "Die Fokussierung der deutschen Konzerne auf Gewinne ist in der aktuellen Situation falsch", sagt der Experte. "Transformation ist unmöglich, wenn dabei immer auf die Dividende geschielt wird." Der internationale Vergleich zeigt, dass viele erfolgreiche Elektro-Marken bislang horrende Verluste einfahren. "Der Markt in China wird im Moment nur mit massiven Subventionen am Leben gehalten", so Stürmer. Mit den chinesischen Herstellern mithalten zu wollen und dabei auch noch die Gewinnerzielungsabsichten zu erreichen, ist entsprechend kaum machbar. Den chinesischen Markt gänzlich aufzugeben, ist für viele Marken aber auch keine Option. Denn eigentlich gibt es auf dem Markt eine große Nachfrage nach Autos im Allgemeinen und auch nach E-Autos im Speziellen. Doch die deutschen Hersteller tun sich schwer, die Kundenwünsche zu erfüllen. Mehr zu den Problemen von VW in China lesen Sie hier . Trump bringt Verunsicherung in den Markt Weiter erschwert wird die Lage darüber hinaus durch geopolitische Unsicherheiten. Dadurch werden Handelsbeziehungen infrage gestellt, Lieferketten werden unzuverlässiger. US-Präsident Donald Trump hat einige Länder bereits mit hohen Zöllen belegt, anderen droht er mit ähnlichen Schritten. Die Zölle, aber auch die allgemeine Inflation führen zu höheren Material- und Arbeitskosten. Gerade in Deutschland kommen dann noch verhältnismäßig hohe Energiekosten und viel Bürokratie dazu. Die Krise trifft auch Zulieferer Es könnten aber sogar noch mehr Jobs und Unternehmen auf der Kippe stehen. "Dieser politische Schlingerkurs kann nicht zum Erfolg führen. Die Autokonzerne setzen damit auch die Existenz der Zulieferer aufs Spiel, die klare Ansagen für ihre Strategie brauchen", so Experte Stürmer. Bei diesen Firmen herrscht bereits Unsicherheit, wie eine Umfrage des Verbands der Automobilindustrie (VDA) unter 150 Zulieferern zeigt. Demnach planen rund 75 Prozent der Unternehmen, Investitionen in Deutschland zu verschieben, zu verlagern oder ganz zu streichen. Das waren sechs Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage im Oktober des vergangenen Jahres. Fast 30 Prozent denken demnach über eine Verlagerung ins Ausland nach. "Die Aussichten für den deutschen und europäischen Automobilmarkt machen vor allem Erweiterungsinvestitionen nicht erforderlich, das Marktwachstum findet andernorts statt", teilte der VDA mit. Weitere 14 Prozent planen der Umfrage zufolge, Investitionen ganz zu streichen. Als zentrale Belastung gaben knapp 60 Prozent der Unternehmen hohe Arbeitskosten an. Viele seien nach wie vor von hohen Energiepreisen betroffen. Zudem spiele die niedrige Absatzerwartung für den deutschen und europäischen Automarkt für mehr als die Hälfte der Firmen bei ihren Investitionsplanungen eine Rolle. Sorge bereitet der Industrie auch die US-Zollpolitik unter Präsident Donald Trump. "86 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass die Zölle der USA gegen zahlreiche Staaten und Regionen auch sie betreffen werden", hieß es.
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