Wolfram Weimer irritiert mit Instagram-Fauxpas und unklarer Reaktion

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Wolfram Weimer agiert als Kulturstaatsminister umtriebig und engagiert sich in zahlreichen Debatten. Ein Fauxpas auf Instagram stellt jedoch seine Professionalität infrage. Die Regierung Merz ist noch nicht allzu lange im Amt. Taufrisch ist sie aber auch nicht mehr. Manche Kabinettsmitglieder müssen sich langsam beeilen, um an Profil zu gewinnen. Andere hingegen haben die Zeit genutzt. Ganz vorn mit dabei: Wolfram Weimer. Der ehemalige Journalist und Chefredakteur – unter anderem der zum Springer-Verlag gehörenden "Welt" und des "Cicero" – ist Kulturstaatsminister und äußerst umtriebig. Kaum ein Thema, dessen Weimer sich nicht annimmt. Gerade erst zum Beispiel verfügte er: Kein Gendersternchen, Binnen-I oder Ähnliches bei seinen Mitarbeiter:innen . (Der Transparenz halber: Ich habe eine Zeit lang gendergerechte Sprache in Form des Doppelpunkts verwendet und auch gesprochen. Nach teilweise unfassbaren Zuschriften bis hin zu Todesdrohungen habe ich es wieder gelassen. Dafür lohnt es sich nicht; das Thema treibt ohnehin längst eher den Blutdruck derjenigen in die Höhe, die das Gendern ablehnen, als bei denen, die es sowohl okay finden, es zu tun oder es zu lassen. Dieser Kampf dient vor allem der Symbolik.) Die rund 460 in Weimers Behörde Beschäftigten dürfen jedenfalls Sterne, Doppelpunkte und anderes nicht mehr in dienstlichen Schreiben verwenden. Gendergerechte Sprache sei aus seiner Sicht "nicht nur unnötig, sondern beschädigt auch die Schönheit unserer Sprache", so Weimer. Klare Ansage. Weitere Themen, zu denen Weimer sich auslässt: die Ostdeutschen, die er als "die Helden der letzten 100 Jahre" feiert. Die Wichtigkeit unabhängiger Buchhandlungen. Die Notwendigkeit von Zweidrittelmehrheiten im Parlament für die Wahl von Bundesverfassungsrichtern und -richterinnen. Weimer stellt sie infrage und reagiert damit natürlich auf das Drama um Frauke Brosius-Gersdorf . Weimers Besetzung ist umstritten Kurz: Weimer reitet quer durch den Themengarten, und statt das eine oder andere mögliche Hindernis dabei auszulassen, scheint er die Herausforderung im Gegenteil sogar zu suchen. Der Mann, der im Vorfeld der Kabinettsbildung mit die meiste Aufregung auslöste, scheut diese also nicht. Als "Fehlbesetzung" und "der falsche Mann am falschen Platz" wurde Weimer etwa von einem der Herausgeber der altehrwürdigen "FAZ" bezeichnet . Und von sehr viel weiter links kamen ebenfalls entsetzte Reaktionen. Zu sehr alter weißer Mann, zu polarisierend, zu einseitig, zu konservativ, hieß es. Es gibt viel Kritik an Weimer, und natürlich hält sie auch weiter an. Eines aber kann man ihm nicht nachsagen: dass er einen Bogen machen würde um vermeintlich moderne, oder, wie Fachleute sagen würden, zeitgemäße Themen. So brachte der 60-Jährige bereits kurz nach Dienstantritt eine Digitalsteuer für die Tech-Riesen ins Spiel. Das Thema ploppt immer mal wieder auf, und immer wieder versandet es als einer von vielen Belegen für das Ungleichgewicht zwischen den mächtigen Silicon-Valley-Unternehmen und den zögernden Regierungen dieser Welt. Umso ehrenwerter, dass Weimer sich trotzdem vorwagte. Auch in die Debatte um ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche schaltet Weimer sich ein – als Befürworter. Auch in der Praxis beschäftigt er sich mit den sozialen Netzwerken: Der Instagram-Account @bundeskultur wird fortlaufend mit Inhalten bespielt. Gerade erst setzte Weimer sich dafür vor die Kamera und beantwortete die Kritik eines Fabian an der Hufeisentheorie, die rechts und links gleichsetzt. Eine Theorie, mit der sich vor allem die CDU intensiv auseinandersetzen muss, weil sie für Zweidrittelmehrheiten im Parlament entweder die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachtete AfD oder die Linkspartei braucht. Die wird zwar nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, steht aber auf der Unvereinbarkeitsliste der CDU. Darüber wird viel gestritten, auch parteiintern. Weimer wird in seiner Antwort überhaupt nicht konkret, sondern sagt sehr vage, dass Rechtsextremismus genauso schlimm sei wie Linksextremismus . Weimer wirkt nahbar, wie er da entspannt in seinem Sessel im Büro sitzt und den Fragesteller duzt. Seine Antwort aber macht ihn weder greifbar noch angreifbar. Er weiß: Manche Kämpfe lohnen sich, andere nicht, aber sich zumindest gesprächsbereit zu geben, das schadet nicht. Weimer ist Medienprofi. Ein Fauxpas ohne Entschuldigung oder Richtigstellung Umso erstaunlicher, was auf seinem offiziellen Account vor wenigen Tagen passiert ist: "Wer die Kultur eines Volks zerstören will, zielt auf seine Seele", war dort zum Jahrestag des Warschauer Aufstands von 1944 zu lesen, wie in der Unterzeile stand. Der Text gehörte zu einem Foto, das Zivilisten mit erhobenen Händen in Begleitung eines Wehrmachtsoldaten zeigt. Entstanden ist das Bild in Polens Hauptstadt Warschau . Das Problem: Es stammt aus dem Jahr 1943 und zeigt in Wirklichkeit eine Szene aus dem Aufstand im Warschauer Ghetto vom April, den die Nazis niederschlugen. Und es ist Teil der Nazi-Propaganda, und, wie die "taz" schreibt, "Teil des sogenannten Stroop-Reports, benannt nach dem Warschauer SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop. Der war für die Unterdrückung des Aufstands verantwortlich und stellte ein Album über dessen Niederschlagung mit den entsprechenden Fotos zusammen." Ein peinlicher Vorgang. Nach Hinweisen verschwand der Post wieder vom Account. Allerdings ohne Hinweise, ohne nachträgliche Erklärung oder gar Entschuldigung. Erst auf Nachfrage der "taz" erklärte eine Sprecherin aus Weimers Behörde , es sei nicht beabsichtigt gewesen, ein Propagandafoto der Nationalsozialisten zu verwenden, weshalb man den Post "umgehend" gelöscht habe. Ein erstaunlich unprofessioneller Umgang mit dem Fehler. Etwas anderes aber macht Weimer sehr klug: Zwar besitzt er auch einen privaten Instagram-Account. Dort aber postet er: nichts. Und kommt so, anders als zum Beispiel die mindestens ebenso umstrittene Bundestagspräsidentin Julia Klöckner , gar nicht erst in die Verlegenheit, dort im Zweifel großen Wirbel auszulösen und sich auf die dilettantische "War ja mein privater Account"-Ausrede zurückzuziehen. Offenes Visier. Auch wenn Weimers Konturen nicht allen gefallen: Sie sind klar erkennbar. Zumindest da macht er (bisher noch) keine Fehler.
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