Zum 1. Januar 2026 will die Bundesregierung einen 2.000-Euro-Bonus für Rentner einführen. Doch diese Aktivrente ist verfassungsrechtlich heikel. Der Fahrplan steht. Auf ihrer Koalitionsklausur in Würzburg haben die Spitzen von Union und SPD nicht nur versucht, einen neuen Teamgeist heraufzubeschwören, sondern sich auch darauf verständigt, welche Gesetzesvorhaben in nächster Zeit Priorität haben. Eines davon: die Aktivrente. Die Idee ist schnell erklärt: Wer die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht hat und neben der Rente weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Aufs Jahr gerechnet ergibt sich so ein steuerfreier Betrag von 24.000 Euro, also fast doppelt so viel wie für normale Arbeitnehmer. Die Regierung verspricht sich davon gleich mehrere Effekte: mehr Fachkräfte im Arbeitsmarkt, eine Entlastung der Sozialkassen und zusätzliche Steuereinnahmen durch höhere Beschäftigung. Doch wäre es überhaupt verfassungsgemäß, eine Gruppe so zu bevorteilen? Aktivrente: Verstößt sie gegen das Grundgesetz? Dieser Frage hat sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags (WD) im Auftrag des Grünen-Abgeordneten Sascha Müller angenommen und ein Gutachten vorgelegt. Der Tenor: Steuerliche Lenkungsnormen wie die Aktivrente sind zwar grundsätzlich zulässig, können aber erhebliche verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, insbesondere was den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes angeht. Und das tut die Aktivrente. Laut Gutachten des WD handelt es sich bei dem 2.000-Euro-Bonus für arbeitende Rentner um eine "erhebliche Abweichung von der gleichmäßigen Lastenverteilung der Einkommensteuer". So eine Ungleichbehandlung allein ist allerdings noch kein Grund, ein Gesetzesvorhaben für verfassungswidrig zu erklären. Denn sie kann überragenden Gemeinwohlinteressen dienen. Dass dem so ist, müsste die Bundesregierung überzeugend begründen. Hier liegen die Verfassungsprobleme Da die Aktivrente nur bestimmte Einkünfte einer bestimmten Altersgruppe steuerfrei stellt, liegt für die Wissenschaftler eine doppelte Ungleichbehandlung vor: nach Alter und nach Tätigkeit. Schon auf dem Weg: Das plant die Regierung jetzt bei der Rente Nur wer die Regelaltersgrenze überschritten hat, profitiert vom Steuerbonus. Jüngere Arbeitnehmer mit identischem Einkommen würden hingegen weiter Steuern zahlen müssen. Im Gutachten heißt es dazu jedoch: "Das Alter ist gerade kein systemimmanenter Grund für unterschiedlich hohe Steuern." Auch unter Gleichaltrigen führt die Aktivrente zu Ungerechtigkeiten. Wer als Rentner noch angestellt arbeitet, profitiert, wer hingegen selbstständig tätig oder verbeamtet ist, nicht. "Mit Blick auf das vordergründig verfolgte Ziel, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und damit die Wirtschaft zu stärken, bestehen zwischen diesen beiden Vergleichsgruppen (…) keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können", schreiben die Gutachter. Zudem wären Rentner benachteiligt, die nicht arbeiten können oder keine Beschäftigung finden. Auch die Logik des Einkommensteuertarifs führt zu einer zusätzlichen Verzerrung: Weil die Einkommensteuer progressiv steigt, profitieren Besserverdienende überproportional von der Steuerbefreiung. Die Folge: "Die am wenigsten Bedürftigen erhalten die höchste Steuerentlastung", so das Gutachten. Großzügige oder strenge Auslegung? Ob die Aktivrente am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, hängt maßgeblich davon ab, welchen Prüfungsmaßstab die Richter in Karlsruhe anlegen würden. Großzügige Auslegung: Wenn das Gericht nur prüft, ob die Regelung nicht willkürlich ist, könnte die Aktivrente bestehen bleiben. Schon das Gemeinwohlziel – Fachkräftemangel abfedern – wäre dann ausreichend. Strenge Auslegung: Wendet Karlsruhe dagegen den vollen Gleichheitsmaßstab an, spricht vieles dafür, dass die Steuerbefreiung zu weit geht. Laut WD spricht dann vieles dafür, dass die erhebliche Abweichung der Aktivrente von der gleichmäßigen Lastenverteilung unangemessen ist. Die Spanne reicht also von einem widerspruchslosen Durchwinken bis hin zu einer Klage mit hoher Erfolgsaussicht. Damit die Aktivrente nicht vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden kann, müsste die schwarz-rote Koalition sie also sicherheitshalber von vornherein so gestalten, dass sie sich mit überragenden Gemeinwohlzielen rechtfertigen lässt. Ein Gesetzentwurf aus dem Finanzministerium ist für diesen Herbst angekündigt.