ARD-Format "Werwölfe": Reality-Show löst Kontroverse aus

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Ein Spiel um Täuschung und Strategie – ist das vereinbar mit dem Rundfunkbeitrag? Das neue ARD-Format "Werwölfe" löst Diskussionen aus. Die ARD sorgt derzeit mit einer ungewöhnlichen Reality-Show für Gesprächsstoff. "Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" steht seit dem 9. Oktober komplett in der Mediathek zum Abruf bereit – am 2. Oktober liefen bereits die ersten beiden Folgen im ARD-Hauptprogramm. In dem Format stellen sich dreizehn Teilnehmende einem psychologischen Taktikspiel, das auf dem Gesellschaftsspiel "Die Werwölfe von Düsterwald" beruht. Ganz ohne prominente Besetzung, dafür mit einem ausgeklügelten Konzept von Täuschungen und Gruppendynamiken: In jeder Folge müssen die Spielenden herausfinden, wer unter ihnen die Rolle eines "Werwolfs" einnimmt. Dabei ist nicht nur Intuition gefragt, sondern gezielte Manipulation, Menschenkenntnis und strategisches Denken. Das Teilnehmerfeld ist divers besetzt – darunter eine Schachgroßmeisterin, ein Psychologe, ein Rapper, eine Pokerspielerin und ein Cybersecurity-Experte. "Das ist doch alles gequirlter Mist" Noch bevor alle Folgen zu sehen waren, rief die Produktion bereits Kritiker auf den Plan. TV-Moderator Hugo Egon Balder äußerte sich Anfang dieser Woche im Podcast "Road to Glory" zum Format: Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten seiner Ansicht nach für derartige Inhalte keinen Rundfunkbeitrag erheben dürfen. Balder sieht "Werwölfe" als Beispiel für eine Entwicklung, bei der der ursprüngliche Bildungs- und Kulturauftrag verloren gehe. Das Erste mache nun Formate, "die mit dem Auftrag, den sie mal hatten, nichts mehr zu tun haben", so Balder im Gespräch, und weiter: "Das ist doch alles gequirlter Mist." Die Argumentation geht dabei so: "Werwölfe" weise strukturelle Ähnlichkeit zu Formaten aus dem Privatfernsehen auf. Insbesondere RTL habe mit "Die Verräter – Vertraue niemandem!" bereits eine vergleichbare Produktion im Programm. Auch dort gehe es um List, Täuschung und strategische Entscheidungen in einem abgeschotteten Setting. Eine ARD-Kopie sei daher unnötig, so der einstige Moderator von Shows wie "Tutti Frutti" oder "Genial daneben". Dabei nennt Hugo Egon Balder allerdings nicht die deutlichen Unterschiede: "Werwölfe" verzichtet auf eine prominente Besetzung und unterscheidet sich auch bei Konzept und Tonalität. Im Gegensatz zu "Die Verräter" können Zuschauer bei der ARD-Serie miträtseln, weil sie größtenteils im Unklaren gelassen werden, wer die sogenannten Werwölfe sind. ARD möchte gezielt jüngeres Publikum ansprechen Comedian Michael Kessler, der als Sprecher alle Folgen aus dem Off kommentiert, widerspricht Hugo Egon Balder: "Es heißt immer, die ARD solle moderner werden – und ich finde, das wird sie nicht zuletzt durch dieses Format. Als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt sollte sie dieses Genre bedienen", sagt er in einem Interview des Senders mit Blick auf die Frage, ob die ARD mit ihrem ersten Reality-Format der Sendergeschichte ein Genre bedient, das sonst dem Privatfernsehen zuzuordnen ist. Tatsächlich verfolgt die ARD mit dem neuen Format eine klare Strategie: jüngere Zielgruppen erreichen, non-lineare Formate in der Mediathek stärken und neue Erzählweisen im Unterhaltungsbereich erproben. Auf eine Anfrage von t-online antwortet der Bayerische Rundfunk, der neben SWR und WDR bei der Produktion federführend ist: Man wolle junge Menschen begeistern, "die durch das klassische Fernsehen kaum noch erreicht werden, und ihnen ein zeitgemäßes Unterhaltungsangebot machen". Mit der Kritik von Hugo Egon Balder konfrontiert, verweist eine Sendersprecherin auf den Programmauftrag der ARD: "Wir sollen nicht nur informieren, bilden und kulturell fördern, sondern eben auch unterhalten." Aber funktioniert das auch – und vor allem: Wie viel lassen sich die Sender das kosten? Schließlich schließt sich die Diskussion um "Werwölfe" einer breiter geführten Debatte über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an. Regelmäßig wird die inhaltliche Ausrichtung von ARD und ZDF infrage gestellt – besonders dann, wenn Unterhaltungsformate stärker in den Fokus rücken. Die zentrale Frage bleibt dabei: Wie weit darf ein Sender gehen, der sich aus Beiträgen der Allgemeinheit finanziert? Der Spieltrieb der Sender, wie hier im Fall der ersten Reality-Gameshow, kann da schnell zum Prüfstein für das Vertrauen ins System werden. Genau an dieser Stelle verfällt die ARD in alte Muster – und hüllt sich in Schweigen. "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu Produktions- und Vertragsdetails nicht äußern", heißt es auf mehrfache Nachfragen zum Budget der Serie. "Werwölfe" ist eine Auftragsproduktion, der BR hat sie bei der Produktionsfirma ITV Studios Germany eingekauft. Die macht sonst Formate wie "Make Love, Fake Love" und "Love Island" für RTL und RTLzwei, aber auch "Gefragt Gejagt" oder "Quizolymp" für die ARD. Wie teuer zwölf Folgen von "Werwölfe" sind, kann nur gemutmaßt werden. "Für unsere Produktionen zahlen wir linear wie non-linear branchenübliche Preise", teilt die ARD dazu lediglich mit. Die Produktion fand am Original-Set von Canal+ in Frankreich statt. Im Nachbarland erhielt die erste Staffel bereits vergangenes Jahr überwiegend positive Resonanz, wie ein Blick in öffentlich einsehbare Bewertungsplattformen zeigt. ITV Studios Germany konnte also in einer bereits fertiggestellten Kulisse drehen, aber allein die Tatsache, dass "Werwölfe" von gleich drei ARD-Anstalten übernommen wird, deutet auf eine hohe Investitionssumme hin. Am Ende könnte die Rechnung aufgehen. Zwar liefen die ersten beiden Folgen im Ersten mit rund 600.000 Zuschauern im Nachtprogramm eher unter dem Radar, aber die Abrufe in der Mediathek scheinen zu stimmen. "Dass 'Werwölfe' vom Publikum angenommen wird, spiegelt sich sowohl in den guten Abrufzahlen in der ARD Mediathek mit bislang rund 2 Millionen Abrufen als auch in der überwiegend positiven Resonanz in den sozialen Medien wider", teilt die ARD auf Anfrage mit – und das trotz kritischer Stimmen wie der von Hugo Egon Balder. Teilen Sie Ihre Meinung mit Wie gefällt "Werwölfe" Ihnen? Und teilen Sie Hugo Egon Balders Kritik? Schreiben Sie eine E-Mail an [email protected] . Bitte nutzen Sie den Betreff "Werwölfe" und begründen Sie.
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