Kool Savas im Interview: "Lan Juks" und der größte Verlust des Rappers

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Rapper Kool Savas provozierte früher mit sexistischen und homophoben Texten. Heute zeigt er sich verletzlich – warum, erklärt er bei einem Treffen in Berlin. Kool Savas, der mit bürgerlichem Namen Savas Yurderi heißt, empfängt t-online im Garten einer Mehrfamilienvilla im Grunewald. Er trägt Jogginghose, ein schwarzes Cap mit AMG-Schriftzug und Turnschuhe mit quietschgrüner Sohle. Yurderi albert mit dem Gärtner des Anwesens herum, verabschiedet ihn mit einem Klopfen auf den Rücken und nimmt auf einer weißen Holzbank Platz. Hinter ihm die Statue einer nackten Frau, vor ihm ein Garten mit akkurat gekürztem Rasen. "Stört es Sie, wenn ich dampfe?", fragt er vor dem Gespräch und streckt eine rote E-Zigarette in die Höhe. Savas Yurderi wurde in den Nullerjahren bekannt durch seinen aggressiven Rap mit teils vulgären Texten. Der mittlerweile 50-Jährige rappt noch immer, aber er zeigt auch eine andere Seite von sich. Mit t-online spricht er über seine traumatische Kindheit in Kreuzberg, über Gewalt, Vaterschaft und über seinen größten Verlust. t-online: Herr Savas Yurderi, wann werden Rapper erwachsen? Savas Yurderi: Ich verhalte mich vielleicht kindisch, aber ich habe mich eigentlich schon immer erwachsen gefühlt. Als ich sechs war, ist mein Vater in den Knast gekommen, meine Mutter und ich sind aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Schon als Kind war ich der Mann im Haus und musste gezwungenermaßen erwachsen werden. Ich hatte keinen Vater, der mir zeigte, wie ich Probleme löse. Ich musste meine eigene Vaterfigur werden. Wie war Ihre Kindheit in Kreuzberg? Als Halbtürke habe ich mich nie so richtig zugehörig gefühlt. Ich war anders als die meisten, aber ich habe versucht, meinen Platz zu finden. Ist Ihnen das gelungen? Meine Zeit mit einer Zugehörigkeit zu einer Gang hat mich geprägt. Ich habe damals Freunde gefunden, die ich zum Teil bis heute noch habe. Aber ich habe mich damals von der Situation gemobbt gefühlt. Wie meinen Sie das? Ich dachte, ich kann mich nicht durchsetzen, weil ich Gewalt als Währung nicht mitbringe. Deshalb musste ich einen anderen Weg finden, mir einen Namen zu machen und Respekt zu verschaffen. Hip-Hop hat mich mit offenen Armen empfangen, weil es eine Jugendkultur war, die keinen Unterschied gemacht hat, woher du kommst oder woran du glaubst. Aggressiver Rap war meine Art, mit der Gewalt umzugehen. Macht das immun gegen Zweifel? Nein. Aber gegen Zweifel immun zu sein, war eine Attitüde, die ich haben musste, um zu überleben. Ich habe mich als Verlierer und Opfer wahrgenommen. Und ich musste etwas ändern, sonst wäre ich daran kaputtgegangen und hätte kein normales Leben führen können. Ich musste lernen, dass ich einen Wert habe. Wie haben Sie das gelernt? Meinen Wert fand ich nicht auf der Straße. Ich konnte Leute nicht zusammenschlagen oder mich wehren. Aber ich konnte rappen, hatte eine geile Stimme. Ich bin der geilste Rapper, den es gibt. Darüber kann ich mich definieren. Heißt das, Sie wurden verprügelt? Ja, unter anderem. Es war nicht immer körperlich, es ging auch um Ansehen innerhalb der Gang. Haben Sie deshalb Angst vor Kitsch, vor Gefühlen als Zeichen von Schwäche? Für mich als Rapper ist es nicht leicht, zu sagen, dass ich mich früher als Verlierer oder Opfer wahrgenommen habe. Aber ich habe kein Problem damit, "ich liebe dich" zu sagen, wenn ich es so meine. Das ist nicht kitschig. Es ist eine ehrliche Emotion. So wie die Gefühle in dem Song, den Sie Ihrem verstorbenen Freund gewidmet haben? Ja. Mein Freund Smoove ist 2018 gestorben. Das war der größte Verlust meines Lebens. Man ist darauf vorbereitet, dass Großeltern sterben. Aber dass mein Freund aus meinem Leben ging, das war und ist noch immer schwierig für mich. Ich habe Smoove geliebt. Er war ein sanftmütiger, cooler Mensch. Sie haben vor einiger Zeit auch einen Song über Ihren starken Vater geschrieben. Sie haben selbst einen Sohn. Was für ein Vater wollen Sie sein? Ich möchte meinem Sohn geben können, was er braucht. Wenn er einen besten Freund braucht, dann will ich sein bester Freund sein. Wenn er mit mir seine Fußballleidenschaft teilen will, dann will ich mit ihm ins Stadion gehen. Wenn er einen Vater braucht, der ihn aufbaut, oder der ihm etwas erklärt, dann will ich das sein. Ich möchte, dass er Vertrauen in mich hat und weiß, dass ich für ihn da bin. Für das neue Album haben Sie sich mit alten Aufnahmen von vor über 20 Jahren konfrontiert. Wie war das? Es war, als würde ich mich zu jemandem setzen, der mir Dinge erzählte, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Ich erinnere mich nicht an alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, aber die Musik hilft, mich zurück in die Situation zu bringen. Es war eine wichtige Zeitreise für mich, mit der ich Traumata verarbeiten konnte. Die Texte würde ich heute so nicht mehr schreiben, aber ich verstehe, warum ich sie damals so gerappt habe. Und ich kann darüber auch lachen. Allein im ersten Song des neuen Albums fällt 13 Mal das Wort "Bitch". Haben Sie nichts aus den vergangenen Diskussionen um Ihre sexistischen Texte gelernt? Ich verwende den Begriff heute anders. Ich probiere, nicht abwertend über Frauen zu sprechen oder respektlos zu sein. Die Beleidigung ist immer auf Rapper bezogen oder auf Menschen, mit denen ich Probleme habe, egal welchen Geschlechts. Und dann sind sexistische Ausdrücke wie "Bitch" in Ordnung? Mein Rap ist mein Rap. Aber es macht einen Unterschied, bei wem er ankommt. Jemand, der mit Rap aufgewachsen ist, versteht das. Wenn ich meiner Mutter die Texte damals gezeigt hätte, hätte sie mich gefragt, ob ich eine Meise habe. Nur weil ich in meinem Text zu jemandem respektlos bin, muss ich es im normalen Leben nicht sein. Battle Rap ist für mich wie Box-Sport. Ich würde da Worte wie Bitch, Nutte oder Schlampe nicht überbewerten. Welche Art von Männlichkeit vermitteln Sie damit? Ich möchte niemandem ein Bild von Männlichkeit vermitteln. Wenn ich mich wie eine arme Wurst fühle und nach außen den Harten geben würde, wäre das für mich ein Problem. Aber das mache ich nicht. Im Gegenteil: Ich zeige mich verletzlich und habe Selbstzweifel. Ich bin kein übelst krasser Typ, sondern arbeite an mir und möchte ein besserer Mann werden. Wäre der elfjährige Savas von damals heute stolz auf Sie? Ich denke schon, dass er stolz auf mich wäre.
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