Vergangene Woche hatte der Dax 41 Mitglieder. Autozulieferer Aumovio ging als Abspaltung von Continental an die Börse. Wie erfolgreich kann ein solcher Schritt sen? Ich liebe das ja: Wenn ein Unternehmen an die Börse geht, dann ist in Frankfurt auf dem Parkett richtig was los. Manche Unternehmen bringen ihre gesamte Belegschaft mit – auch wenn es ein paar Hundert Leute sind. Und wenn der erste Kurs dann tatsächlich höher ist als der Ausgabepreis (was gar nicht selbstverständlich ist, es gab auch schon ordentliche Bauchklatscher), dann ist manchmal das Hurra so groß und dann läuten die Unternehmen die Börsenglocke minutenlang so laut, dass ich meine eigenen Worte nicht mehr verstehe. Es ist etwas ganz Besonderes. In diesem Jahr blieben diese besonderen Momente an der Frankfurter Börse bislang weitgehend aus: Börsengänge gab es eher an der Wall Street . Zum Beispiel ging der schwedische Finanzdienstleister Klarna kürzlich in New York an die Börse. Andere Unternehmen hierzulande haben ihre Börsenpläne kurzfristig ausgesetzt. Doch mit Aumovio startete nun endlich – im September – der erste Kandidat im streng regulierten obersten deutschen Börsensegment . 41 Dax-Mitglieder für einen Tag Der Autozulieferer Continental hatte lange geplant, seine Autoteilesparte Aumovio an die Börse zu bringen. Das Ungewöhnliche: Für einen einzigen Tag war es auf einmal voller im Dax: Statt 40 hatte er 41 Mitglieder. Und das kam so: Continental war der bisherige Besitzer von Aumovio und Aumovio ein Geschäftsfeld unter vielen. Jetzt macht es als eigenes Unternehmen und als ein börsennotiertes weiter, ist also selbstständig. Damit aber fällt ein Teil des Geschäfts bei Continental weg, der an der Börse etwas wert ist. Dieser Börsenwert wird sozusagen auf Aumovio übertragen. Damit bekommen Aktionäre von Continental nun zusätzlich Aumovio-Aktien. Das heißt: Conti-Aktionäre hatten jetzt plötzlich Aktien beider Unternehmen im Depot und konnten entscheiden, ob sie diese weiter halten oder eben verkaufen wollten. Damit sie die Aktien aber im wahrsten Sinne des Wortes handeln konnten, war Aumovio neben Conti einen Tag lang im Dax. Gutes Börsendebüt Das Börsendebüt gelang gut. Aumovio wird mit 3,5 Milliarden Euro bewertet. Und Großaktionäre wie Schaeffler haben sich verpflichtet, sechs Monate nicht zu verkaufen. Das ist Zeit, um sich zu beweisen. Vor ein paar Jahren lief das Autoteile-Geschäft wie geschmiert. Doch dann wurde die Konkurrenz, insbesondere aus Asien, immer größer und die Verluste von Aumovio zeitweise auch. Die Sparte ging durch eine harte Sanierung. Zuletzt verbesserte sich der Gewinn wieder. Das heißt nicht, dass es auch an der Börse automatisch gut funktioniert. Denn Abspaltungen können so oder so laufen. Die Hoffnung ist oft, dass Einzelsparten eines Unternehmens womöglich mehr wert sein und sich besser entwickeln könnten als das große Ganze. Eine andere Idee ist, dass man ein schwieriges Geschäft abspaltet, weil man es nicht mehr fortsetzen möchte. Was bringen solche Abspaltungen? Die Frage ist: Was bringt so eine Abspaltung, so ein Spin-Off, den Anlegern? Studien zeigen, dass der Aktienkurs des Mutterkonzerns bei der Ankündigung profitiert. So war das auch bei Continental, als es den Abschied von Aumovio verkündete. Aber grundsätzlich und auf lange Sicht? Das ist so einfach nicht zu sagen. Ein Beispiel: Siemens und sein Energiegeschäft Energy. Siemens hatte ja mehrere Abspaltungen, die bis heute börsennotiert sind. Aber Energy war recht spektakulär – in mehrfacher Hinsicht: Siemens Energy fertigt zum Beispiel Windräder und war vor ein paar Jahren richtig in der Krise, als die spanische Windkraft-Tochter Gamesa mit Qualitätsmängeln der Windräder die ganze Unternehmung in Verruf gebracht hatte. Vom Problemkind zum Börsenstar 2022/23 machte Siemens Energy 4,5 Milliarden Euro Verlust – die Kosten für die Reparaturen der spanischen Windräder waren enorm. Eine staatliche Bürgschaft rettete Siemens Energy, weil damit die Finanzierung von Aufträgen gesichert war. Und dann bekam das Geschäft "Wind unter die Flügel": Siemens Energy ließ im vergangenen Jahr mit 75 Prozent Kursplus die Siemens-Aktie (22 Prozent) hinter sich. Eine Auswertung der Unternehmensberatung Bain von 350 Abspaltungen der Jahre 2000 bis 2020 mit mehr als einer Milliarde Dollar Unternehmenswert hat ergeben: Ein Viertel der Abspaltungen verlor nach zwei Jahren an Wert. Allerdings steigerte das oberste Viertel nach zwei Jahren die Marktkapitalisierung im Schnitt um 75 Prozent. Bei der Hälfte tat sich dagegen kaum etwas. Auf Perspektiven achten Fakt ist: Abspaltungen bergen Risiken. Synergien und Know-how können verloren gehen. Vertrauen auch. Auf jeden Fall muss die Story stimmen. Wenn Investoren das Gefühl haben, hier will ein Unternehmen einen unliebsamen Teil einfach nur loswerden, warum sollten sie dann davon Aktien kaufen? Die Auto-Zulieferer-Branche ist in der Krise. Transformation, Konkurrenz, Zölle – das alles lastet schwer auf ihr. Stellenabbau und Kostensenkungen sind nicht vorbei. Die Börse wird nun täglich bewerten, wie gut es läuft für Aumovio. Und ganz genau auf die Perspektiven achten. Ob die Börsenstory eine Erfolgsstory wird, wird sich erst noch zeigen.