Neue Chefin, alte Probleme: Die bisherige DB-Regio-Chefin Evelyn Palla soll die Führung des gesamten Konzerns inmitten einer schweren Krise übernehmen. Sie ist die erste Chefin der AG, die selbst Züge steuern darf. Evelyn Palla soll den langjährigen Bahnchef Richard Lutz beerben – und den bundeseigenen Konzern aus der Krise führen. Nach dem Vorschlag des Bundesverkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) muss Palla noch vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn berufen werden. Dessen nächste Sitzung beginnt am Dienstag. Mitte August hatte Schnieder mitgeteilt, dass er für die Zukunft einen neuen Bahnchef einsetzen will, der auch die neue Strategie für den Konzern umsetzen soll. Die Südtirolerin, 1973 in Bozen geboren, hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine internationale Karriere aufgebaut, die sie von Italien und Österreich bis nun an die Spitze der Deutschen Bahn führte. Interne Chats aufgedeckt: Lässt die Bahn Züge ausfallen – für mehr Pünktlichkeit ? Preis-Hammer: Deutsche Bahn erhöht abermals die Ticketpreise Stationen in München, Großbritannien und Tokio Aufgewachsen in Südtirol studierte Palla von 1992 bis 1997 Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, ergänzt durch ein Gastsemester an der Universität zu Köln. Stationen führten sie unter anderem zu Siemens in Großbritannien , Infineon in München sowie zur Österreichischen Handelskammer in Tokio. 2011 kehrte Palla nach Österreich zurück und übernahm Verantwortung im Personenverkehr der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Dort begann sie als Leiterin Controlling und für den Schienenfahrzeugeinkauf, bevor sie 2015 in den Vorstand der ÖBB-Personenverkehr AG berufen wurde. Als eine von drei Vorständen verantwortete sie zentrale Ressorts wie Nah- und Regionalverkehr, Finanzen, Recht und Einkauf. Parallel übernahm sie den Vorsitz des Aufsichtsrats der ÖBB-Postbus AG. 2019 wechselte Palla, verheiratet, drei Kinder, zur Deutschen Bahn, wo sie Finanzvorständin in der Fernverkehrssparte wurde. 2022 stieg sie in den Vorstand des Gesamtkonzerns auf: Dort ist sie für den Regionalverkehr tätig und zugleich Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG – eine der wichtigsten Sparten des Unternehmens. "Wollte wissen, wie sich anfühlt, im Führerstand zu sitzen" Besonderes Aufsehen erregte jüngst ihr Engagement jenseits des Vorstandsbüros. Palla absolvierte berufsbegleitend die Ausbildung zur Triebfahrzeugführerin – als einzige im Bahnvorstand. Sie dürfte damit die erste Chefin der Deutschen Bahn AG sein, die selbst Züge steuern kann – über ihre Vorgänger ist diesbezüglich nichts bekannt. Damit reiht sich die Managerin in eine Berufsgruppe ein, die für das Funktionieren des Konzerns zentral ist. Fast 20.000 Lokführerinnen und Lokführer steuern bundesweit die Züge der Deutschen Bahn. Jahrelang hatte sich die Lokführergewerkschaft GDL darüber beschwert, dass der Bahnvorstand keine Ahnung habe, was an der Basis – im Führerstand – geleistet werde. Das dürfte nun passé sein. Der Erwerb des Lokführerscheins, den sie neben ihrer regulären Tätigkeit im Bahnvorstand machte, war für sie mehr als ein symbolischer Akt. "Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, im Führerstand zu sitzen. Und auch verstehen, was unsere Mitarbeitenden täglich leisten und was unser Geschäft ausmacht", sagte sie der "Schwäbischen Zeitung" im Herbst vergangenen Jahres. Palla gibt zu: "Die Prüfung ist wirklich hart, muss es aber auch sein. Als Lokführerin hat man schließlich Verantwortung für die Fahrgäste." Bahn steckt in schwerer Krise Nun soll sie den Gesamtkonzern verantworten – und das inmitten einer schweren Krise. Im August waren nur knapp 60 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich unterwegs, die Infrastruktur ist marode und gilt als Hauptgrund für die schlechte betriebliche Leistung. Auch die wirtschaftlichen Zahlen sehen seit Jahren nicht gut aus, auch wenn zuletzt eine leichte Verbesserung zu erkennen war. Zur Bewältigung der Herausforderungen soll Palla eine neue Strategie des Bundes an die Hand bekommen, über die bislang wenig bekannt ist. Der Titel gibt aber schon einen Hinweis, wo der Fokus liegen wird: "Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene." Die Bahn müsse "pünktlich, sicher und sauber sein", sagte Verkehrsminister Schnieder zuletzt. Zudem müsse der Konzern "schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher" werden. Derzeit sei die Lage "dramatisch". Die Entwicklung der Infrastruktur und des Bahnbetriebs hängt stark vom Wohlwollen im Regierungsviertel ab – und vom Geld, das die Politik bereitstellt. Die Rückendeckung des zuständigen Ministers sollte Palla nun haben. Doch reicht das, um die Bahn wieder nach vorne zu bringen?