Wer an Prädiabetes leidet, hört meist denselben Rat: abnehmen. Doch auch Menschen, die ihr Gewicht halten, können ihr Diabetesrisiko mit einer anderen Maßnahme deutlich senken. Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts hat etwa jeder fünfte Erwachsene in Deutschland einen Prädiabetes, die Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Die Blutzuckerwerte sind dabei bereits erhöht . Bleibt diese Stoffwechselstörung unbehandelt, entwickelt sich daraus häufig ein echter Diabetes. Der wiederum kann schwerwiegende Folgen haben: von Nervenschäden über Herz-Kreislauf-Leiden bis hin zu Nierenversagen oder Erblindung. Daher ist es wichtig, spätestens im Stadium des Prädiabetes gezielt dagegenzuwirken. Bislang galt die Gewichtsreduktion als wichtigster Hebel in der Diabetes-Vorbeugung. Eine neue Analyse des Universitätsklinikums Tübingen und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zeigt nun: Entscheidender als die Gewichtsreduktion ist es, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Nature Medicine" veröffentlicht. Nicht alle Menschen verlieren Gewicht durch Lebensstilveränderung Für die Studie werteten die Forscherinnen und Forscher Daten von mehr als 1.100 Teilnehmenden der sogenannten Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS) aus. Alle Probanden hatten ein erhöhtes Diabetesrisiko und wurden einer der drei Gruppen zugeteilt: einer konventionellen Lebensstilintervention, einer intensiven Lebensstilintervention oder einer Kontrollgruppe. Faktencheck : Kann der Verzicht auf Frühstück das Diabetesrisiko erhöhen? Oft lange unbemerkt : Diese Gewohnheit erhöht das Diabetesrisiko deutlich Beide Lebensstilinterventionen zielen unter anderem darauf ab, das Körpergewicht mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung zu senken. 234 Personen verloren trotz der zwölfmonatigen Veränderungen des Lebensstils kein Gewicht oder nahmen sogar leicht zu – und wurden für die aktuelle Studie weiter untersucht. Bei ihnen wurde analysiert, ob sich durch die Lebensstilinterventionen dennoch der Zuckerstoffwechsel normalisiert hat oder nicht. Fettverteilung spielt entscheidende Rolle Das Ergebnis: Etwa 22 Prozent der Probanden erreichten trotz gleichbleibenden Gewichts normale Blutzuckerwerte. Ihr Risiko, in den folgenden neun Jahren an Typ-2-Diabetes zu erkranken, sank um ganze 71 Prozent – fast genauso stark wie bei jenen, die durch Gewichtsverlust erfolgreich waren. Aber warum hilft ein gesunder Lebensstil auch ohne Abnahme? Die Analyse zeigt: Entscheidend ist, wo das Fett im Körper gespeichert wird. Menschen, die normale Zuckerwerte erreichten, hatten weniger gefährliches Bauchfett (viszerales Fett), dafür mehr Fett unter der Haut (subkutanes Fett). Diese Verteilung wirkt sich günstig auf die Insulinempfindlichkeit aus. Bei ihnen ist das Fett also nicht weniger geworden, es hat sich aber zugunsten des harmloseren Fetts verschoben. Andreas Birkenfeld, Studienleiter und Direktor des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) der Helmholtz-Gemeinschaft München an der Universität Tübingen erklärt: "Die Wiederherstellung eines normalen Nüchternblutzuckerspiegels ist das wichtigste Ziel bei der Vorbeugung von Typ-2-Diabetes und nicht unbedingt die Zahl auf der Waage". Allerdings weist er darauf hin, dass Abnehmen weiterhin hilfreich sei und sowohl dafür als auch für die Normalisierung des Blutzuckerspiegels mehr Bewegung und eine ausgewogene Ernährung essenziell seien.