"End of Summer Sadness": Das steckt hinter dem Phänomen

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Wenn der Sommer geht, steigt bei vielen ein Gefühl von Wehmut auf. Ein Psychologe erklärt, warum das normal und eigentlich auch schön ist und wie wir das Beste daraus machen können. Der Himmel ist trüb, die Ferien sind vorbei und die Sonne geht demnächst wieder vor acht Uhr abends unter. Kein Wunder, dass auch die Laune bei vielen Menschen im Spätsommer sinkt. "End-of-Summer Sadness" heißt das oft bei Instagram und Tiktok, wo viele noch mal ein paar Sommer-Higlights posten oder gedankenvoll aufs Meer blicken. Mit schönen Erinnerungen vermischt sich vielleicht auch der Gedanke, den Sommer nicht "richtig" ausgenutzt zu haben: dass man nicht öfter zum See gegangen oder nicht weggefahren ist. Es ist "eine Mischung aus Dankbarkeit und Verlustgefühl – der Sommer hat leise die Koffer gepackt", und es ist ganz normal, sagt Dirk Stemper, Psychologe und Psychotherapeut in Berlin : Es "signalisiert einen Rhythmuswechsel – keine Störung, sondern einen Übergang". Er erklärt, warum das so ist und hat Tipps, wie wir diesen Übergang gut gestalten. Woher kommt das diffuse Wehmutsgefühl? Die Stimmungsveränderung lässt sich neurobiologisch erklären: Weniger Tageslicht verschiebt die innere Uhr in unserem Körper. Dies beeinflusst auch die Serotonin- und Dopamin-Systeme – Stimmung, Antrieb und Schlaf geraten leichter aus dem Takt. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass menschliche Rhythmen weiterhin auf Jahreszeiten reagieren, trotz Kunstlicht und Büroalltag. Psychologisch bedeutet das: Das Sommerende markiert einen Rahmen- und Rhythmuswechsel. Freiheit, Außenkontakte, Lichtfülle – all das geht zurück. Die Psyche bewertet den Übergang mit Wehmut. Sollte man das Gefühl wegdrücken oder positiv kanalisieren? Wegdrücken verstärkt den sogenannten Rebound-Stress. Sinnvoller ist es, die Wehmut zuzulassen. Sie gehört zum Jahreszeitenwechsel in unseren Breiten. Darum gibt es auch so viele Volkslieder und Gedichte, die den Abschied vom Sommer, mit seinem Licht und seiner Wärme, und die Wehmut vor dem lichtlosen, kalten Winter, mit kurzen Tagen und beengtem Leben beschreiben. Sinnvoller als Wegdrücken ist: die Wehmut zulassen, rahmen, steuern – also Gefühle benennen, Bedeutung geben und den Alltag gezielt strukturieren. Diese Haltung erhöht die Bewältigungskompetenz und senkt sekundären Stress. Was Sie tun können, damit der Übergang leichter ist "Morgens Licht, tagsüber Bewegung, abends Ruhe – dieser Dreiklang stabilisiert", sagt Psychologe Stemper. Er empfiehlt fünf evidenzbasierte Strategien für einen guten Übergang, die aus der Forschung zur Seasonal Affective Disorder kommen: Licht am Morgen priorisieren: Direkt nach dem Aufstehen 20 bis 30 Minuten helles Tageslicht, idealerweise draußen; bei Bedarf medizinisch geprüfte Lichtbox (10.000 Lux, UV-arm). Schlaf-Rhythmus stabilisieren: Feste Zubettgeh- und Aufstehzeiten, abends Displays dimmen. Der gleichmäßige Takt glättet Stimmungsschwankungen. Drei Anker pro Woche setzen: Ausdauerbewegung, Naturkontakt, soziale Verabredung – fix im Kalender, unabhängig von aktueller Laune. Das aktiviert antidepressive Mechanismen. Kognitive Mini-Übungen: Gedankenstopp und Reframing in zwei Sätzen: "Übergang ist kein Verlust. Ich achte heute auf Licht, Bewegung, Kontakt." Kurze, klare Selbstinstruktionen reduzieren Grübelschleifen. Achtsamkeit: Alltagswege "achtsam gehen" (Sinne fokussieren, Atem zählen) und mit einer kleinen Tätigkeit koppeln (zum Beispiel ein 10-Minuten-Spaziergang nach dem Mittag). Das stärkt Akzeptanz und Präsenz. Was, wenn die Traurigkeit trotzdem bleibt? Wichtig: Bei anhaltender Niedergeschlagenheit, ausgeprägten Schlaf-/Appetitveränderungen oder Funktionsverlust empfiehlt sich immer fachliche Abklärung, dazu rät auch Stremper. Etwa beim Hausarzt oder approbierten Psychotherapeuten, die dann weiterhelfen. Lichttherapie und Kongnitiv-Behaviorale Therapie zeigen hier gute Wirksamkeit.
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