Für den FC Bayern wird das Duell mit dem FC Arsenal zur nächsten Standortbestimmung. Ex-Arsenal-Profi Moritz Volz ordnet die Partie für t-online ein. Nach dem Champions-League-Gipfel ist vor dem Champions-League-Gipfel. Auf den 2:1-Sieg bei Titelverteidiger Paris Saint-Germain folgt für den FC Bayern in der Königsklasse am Mittwochabend in London gleich das nächste Duell mit einem Titelfavoriten. Der deutsche Rekordmeister ist beim FC Arsenal zu Gast. Genau wie die Bayern sind auch die "Gunners" makellos mit vier Siegen in den Wettbewerb gestartet und stehen im Tableau punktgleich mit den Münchnern auf Rang zwei. Im direkten Duell der beiden momentan formstärksten Teams Europas geht es in der britischen Hauptstadt nun um Platz eins. Auch wenn er als Co-Trainer von 1899 Hoffenheim nicht direkt daran beteiligt ist blickt Moritz Volz mit besonderem Interesse auf das Kräftemessen der beiden Topklubs. Schließlich wurde der 42-Jährige einst bei Arsenal zum Profi und verbrachte den Großteil seiner Karriere in der Premier League . Im Interview mit t-online spricht er über das Duell seines Ex-Klubs mit den Bayern und erklärt, was den Ausschlag geben könnte. t-online: Herr Volz, Uli Hoeneß schickte den FC Bayern im Sommer noch als vermeintlichen Außenseiter in den Wettbewerb und sprach damals vom "Hoffenheim der Champions League". Wie sind diese Aussagen bei Ihnen und in Hoffenheim insgesamt angekommen? War das respektlos? Moritz Volz: Für mich als ganz frischer Hoffenheimer, der sowieso sehr gelassen mit vielem umgeht, hatte das wenig Einfluss. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sich hier intern meine neuen Kollegen in irgendeiner Art und Weise angegriffen oder beleidigt gefühlt haben, sondern dass alle das einzuschätzen wussten. Wenn man mal auf Marktwerte schaut, mag es den Anschein haben, dass die englischen Klubs übermächtig sind aufgrund ihrer Kaufkraft. Um mit einer Mannschaft Erfolg zu haben, ist aber vor allem eine gesunde Teamhygiene sehr wichtig. Alle notwendigen Rollen müssen besetzt sein, dürfen aber auch nicht überbesetzt sein. Das ist entscheidend dafür, wie gut etwas zusammenpasst. Paris Saint-Germain ist da ein gutes Beispiel dafür. Inwiefern? Weil sie über viele Jahre mit einem Ensemble von Weltstars diesen ganz großen Erfolg nicht erreicht haben – und erst, als eine wirklich gute Mannschaft zusammengefunden hat, hat es mit dem Champions-League-Sieg geklappt. Wo steht Bayern nach dem 2:1-Sieg beim Titelverteidiger in Paris denn nun tatsächlich im Vergleich zu den anderen europäischen Topteams? Bayern hat gezeigt, dass sie eigentlich auf Augenhöhe agieren können, solange ihre Spieler fit und in Topform sind. Die Frage ist immer: Wie ist die Form der Spitzenteams im März, April, Mai? Grundsätzlich sehe ich die Bayern ganz klar auf Augenhöhe mit Mannschaften wie PSG und auch Arsenal. Beim FC Arsenal tritt der FC Bayern am Mittwoch als Tabellenführer der Champions League bei seinem direkten Verfolger an. Ein Spiel, das Sie mit besonderem persönlichem Interesse verfolgen dürften, oder? Definitiv. Weil ich Arsenal nach wie vor sehr zugeneigt bin – aus meiner Vergangenheit dort beim Verein. Gerade die Duelle mit Bayern, von denen es in den vergangenen 20, 25 Jahren ja sehr viele gab, waren schon immer speziell. Einige habe ich auch live im Stadion verfolgt mit einem großen Arsenal-Herz. Deswegen war ich auch häufig enttäuscht über die Watschn, die wir dann bekommen haben. Es ist auch ein Spiel, das für mich als Fußballfan von ganz hoher Bedeutung ist. Weil ich noch immer so begeistert bin von dem letzten Champions-League-Spiel der Bayern gegen PSG. Bei so vielen Fußballspielen, die ich jedes Jahr schaue, ist es immer wieder komplett beeindruckend, wenn man die Weltspitze auf absolutem Top-Niveau sieht – und das war in diesem Spiel der Fall. Und genau das wünsche ich mir und erwarte ich auch in dem Spiel der Bayern bei Arsenal. Mit welchen Erwartungen schauen Sie auf das Spiel in London – auch taktisch? Ich bin gerade mit Blick auf das sehr stark mannorientierte Pressing der Bayern gespannt, wie Arsenal damit umgehen wird. Das bietet die Möglichkeit, gewisse Missmatches zu provozieren und die Bayern aus ihrer Struktur zu ziehen. Aber die bisherige Saison der Bayern ist beeindruckend und sie haben gezeigt, dass sie aus dieser Art und Weise mehr Profit schlagen, als dass sie den Gegnern Möglichkeiten liefert. Das ist ein taktischer Punkt, den ich sehr interessant finde. Arsenal hat in der Champions League noch gar kein Gegentor zugelassen, in der Premier League sind es gerade einmal sechs Treffer. Was müssen die Bayern tun, um diese Defensive zu überwinden? Arsenals Mannschaft ist ein richtiges Bollwerk – sehr robust, zweikampfstark, physisch extrem stark. Sie agieren als Mannschaft mit sehr hoher Bereitschaft gegen den Ball. Da ist es keinem Spieler gestattet, sich rauszunehmen, und das macht es schwierig, gegen sie zu spielen. Auf der anderen Seite hat Bayern individuell so viel Qualität auf beiden Flügeln und im Zentrum, dass das Normalrezept sein wird: schnell spielen, sauber spielen, um kleine Momente der Unordnung zu nutzen. Auch im Umschaltspiel bieten sich dort immer große Möglichkeiten. Auffällig ist auch die Standardstärke, die sich Arsenal in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Sehen Sie das als eine Ihrer stärksten Waffen? Es ist statistisch belegt, dass es eine große Waffe von Arsenal ist. Sie arbeiten und feilen seit mehreren Jahren mit einem speziellen Set-Piece-Coach, also einem Standardtrainer, an ihren offensiven und defensiven Standardsituationen. Das steht ein bisschen für das neue Arsenal, das wieder mehr an das "boring, boring Arsenal" ("langweiliges Arsenal"; Anm. d. Red.) der 80er und 90er erinnert als an das sehr kreative Spiel der Ära von Arsène Wenger (Chefcoach von 1996 bis 2018; Anm. d. Red.). Die Null steht sehr häufig. Dafür ist das Offensivspiel häufig beschränkt auf individuelle Qualität und nicht mehr dieser Lustfußball der Wenger-Tage. Bayern war in der Vergangenheit eine Art Angstgegner für Arsenal. Ist diese Zeit vorbei? Wie wird Bayern aktuell in England wahrgenommen? Auf fußballerischer Seite wird man Bayern mit Respekt angehen, aber nicht mit Angst. Auf der Fan-Seite ist es emotionaler, da herrscht sicherlich etwas Nervosität. Allerdings hat Arsenal aktuell auch allen Grund zum Selbstbewusstsein, aufgrund der Saison, die sie bisher spielen. Sie sprechen die emotionale Ebene an. Welche Rolle werden da mit Serge Gnabry und Harry Kane die beiden England-Rückkehrer bei Bayern spielen? Harry Kane wird immer eine besondere Rolle spielen, schon aufgrund seiner Wertigkeit für seine Mannschaft. Und als Spieler vom ehemaligen Erzfeind (Tottenham Hotspur; Anm. d. Red.) wird er natürlich laut und nicht gerade sehr freudig begrüßt werden. Bei Serge Gnabry bin ich mir sicher, dass es ein ganz besonderes Spiel für ihn ist. Er ist ähnlich wie ich zu einer Zeit zu Arsenal gekommen, in der er eine große Entwicklung durchlaufen hat – persönlich wie fußballerisch. Er hat sich in dieser Zeit sehr wohlgefühlt und hatte damals ein hohes Ansehen. Ich glaube, dass er sehr warm empfangen wird. Muss man sagen, dass Gnabry in London verkannt wurde und Arsenal sich nicht rückblickend ärgern, dass man ihn nicht länger im Klub gehalten hat? Geärgert hat sie das bestimmt ein wenig, vor allem unmittelbar nachdem Serge gegangen ist. Verkannt wurde er aber nicht. Er hatte früh seine ersten Profi-Einsätze, die gut waren. Dann kamen Verletzungen dazu, die ihm das Momentum ein wenig genommen haben. Es gab Leihgeschäfte, die nicht optimal liefen. Und letztlich war es nicht Arsenal, das gesagt hat, er packt es nicht, sondern er selbst, der gesagt hat: "Ich sehe einen anderen Weg für mich." Und dann ist es so gekommen. Das Schöne ist: Eine Qualität wie die von Serge Gnabry kann man nicht verkennen – und so hat er es trotzdem in die absolute Spitze geschafft. Unter anderem über eine Leihstation in der Saison 2017/18 bei Hoffenheim. Die TSG-Mannschaft gehört aktuell zu den Überraschungsteams der Bundesliga , feierte dort zuletzt vier Siege in Folge. Wollen Sie denn das echte Hoffenheim der Champions League werden? Was ist das Geheimnis Ihres aktuellen Erfolgs? Erfolg ist in der Regel kein Geheimnis. Man kann jedes unserer Spiele anschauen und Einblicke bekommen. Unser Spiel spricht die Sprache: Es ist ein sehr fleißiges, ein gemeinschaftliches Spiel. Ich würde den Erfolg auf Intensität und Gemeinschaft herunterbrechen. Das wollen wir so weiterführen. Oliver Baumann ist in Hoffenheim eine wichtige Säule und hat zuletzt auch in der WM-Qualifikation konstant starke Leistungen abgeliefert. Wie bewerten Sie seine Entwicklung speziell mit Blick auf seine Rolle als momentane Nummer eins der Nationalmannschaft und die WM im kommenden Jahr? Es verbietet sich mir, bei einem 35-jährigen Torhüter, der gerade sein 500. Bundesliga-Spiel gemacht hat, von Entwicklung zu sprechen. Oliver Baumann ist einer der konstantesten Torhüter Deutschlands. Für mich ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass er in der Nationalmannschaft die gleichen Leistungen abruft wie bei uns. Es freut mich riesig. Er ist das Aushängeschild für unseren Verein – und das lebt er auch. Fisnik Asllani ist einer der Shootingstars der bisherigen Saison. Wie sehen Sie seine Entwicklung und sein Potenzial für die Zukunft? Es wird bereits konkret über das Interesse unter anderem des FC Bayern an ihm berichtet. Wie nehmen Sie das wahr – und trauen Sie ihm den Sprung zu einem solchen Topklub grundsätzlich zu? Fisnik ist ein toller Typ und ein richtig geiler Kicker. Es macht Spaß, das nicht nur in den Spielen zu sehen, sondern auch im Training. Jetzt gilt es für ihn zunächst einmal, sich komplett im Bundesliga- und internationalen Fußball zu etablieren. Dann wird man sehen. Unser Fokus liegt darauf, weiterhin mit "Fis" an seinen Potenzialen zu arbeiten. Da ist schon eine Menge sichtbar, aufgrund seines Alters ist vieles weiterhin entwicklungs- und ausbaufähig.