Max Verstappen kämpft verbissen um seinen fünften WM-Titel. Doch schon in Las Vegas könnte der Traum endgültig platzen – und den Weltmeister vor eine ungewisse Zukunft stellen. Er fuhr "wie ein Besessener" und lieferte "eine der großartigsten Fahrten aller Zeiten": Das Lob für Max Verstappen nach dem Großen Preis von Brasilien hätte kaum größer ausfallen können. In seiner Kolumne für den englischen Ableger des TV-Senders Sky schwärmte Ex-Fahrer und TV-Experte Martin Brundle über die Fahrt des viermaligen Weltmeisters. Auf dem Kurs in Interlagos war Verstappens Red Bull einmal mehr ein Problemfall gewesen. Das Qualifying war zum Desaster geraten: nur Platz 16 für den Niederländer. Red Bull entschied sich im Austausch für ein neues Setup und einen neuen Motor sogar, aus der Boxengasse zu starten. Die Aussichten auf eine gute Platzierung im WM-Kampf waren düster, doch Verstappen lieferte mit dem veränderten Auto ab. Im Rennen pflügte er sich durch das Feld und holte einen starken dritten Platz. Damit unterstrich Verstappen erneut, dass er bereit ist, wie ein Löwe um seinen fünften WM-Titel in Folge zu kämpfen. Dennoch könnte der Traum schon in Las Vegas platzen – und Verstappens Zweifel, was seine Zukunft bei Red Bull betrifft, dürften größer werden. Der Rückstand ist gewachsen Fakt ist: Trotz seiner atemberaubenden Aufholjagd hat Verstappen in Brasilien Punkte auf WM-Spitzenreiter Lando Norris verloren – denn der gewann das Rennen. Bei noch drei ausstehenden Rennen plus einem Sprint sind noch 83 Punkte zu vergeben. Verstappens Rückstand auf Norris beträgt aktuell 49 Zähler. Rechnerisch ist der Titel also noch möglich – doch schon in Las Vegas könnte alles vorbei sein. Büßt Verstappen in der Wüste Nevadas schließlich nur neun weitere Punkte auf Norris ein, wäre eine Titelverteidigung endgültig unmöglich. Bei dann noch zwei ausstehenden Rennen und einem Sprint könnte Verstappen bei dann 58 Punkten Rückstand nämlich nur noch mit Norris gleichziehen. In einem solchen Fall entscheidet zunächst die Anzahl der Siege, bei denen Verstappen auch noch gleichziehen könnte, und dann die Anzahl der zweiten Plätze über die WM. Hier hat Norris schon jetzt garantiert die Nase vorn. Ein erster Platz von Norris (25 Punkte) und ein dritter Platz (15 Punkte) von Verstappen wie in Brasilien würde also schon reichen, um den Niederländer aus dem Titelrennen zu eliminieren. Schon jetzt besteht allerdings kaum noch Hoffnung. Für eine Titelverteidigung müssten die verbleibenden Rennen für beide McLaren – Norris' Teamkollege Oscar Piastri befindet sich mit 24 Punkten Rückstand schließlich auch noch vor Verstappen – katastrophal verlaufen. Das ist angesichts der Tatsache, dass die beiden Schlussstrecken im vergangenen Jahr McLaren-Land waren, jedoch äußerst unwahrscheinlich. Piastri fuhr in Katar auf Platz zwei, in Abu Dhabi gewann Norris, sein Teamkollege wurde Dritter. Aufholjagd abrupt ausgebremst Für Verstappen und Red Bull ist das eine bittere Erkenntnis. Sah es doch bis vor wenigen Wochen noch aus, als könne der 28-Jährige eine der spektakulärsten Aufholjagden der Formel-1-Geschichte starten. Innerhalb von fünf Rennen nach der Sommerpause hatte Verstappen seinen Rückstand in der WM von über 100 Punkten auf 40 Zähler reduziert. Die alte Dominanz schien nach einem mehr als schwierigem Saisonstart wieder zurück. Doch genauso plötzlich kehrten in den vergangenen beiden Rennen in Mexiko und Brasilien die Probleme zurück. Wie schon zu Saisonbeginn vermasselte Red Bull das Setup des Boliden, machte den Wagen für Verstappen fast unfahrbar. Es waren Probleme, die seit dem Rauswurf von Ex-Teamchef Christian Horner und dem Engagement von Laurent Mekies im Juli eigentlich überwunden schienen. Der plötzliche Rückfall dürfte Verstappen nun nicht nur den WM-Titel gekostet haben, sondern könnte ihn auch seine Zukunft beim österreichischen Rennstall überdenken lassen. Denn das Wiederauftreten der Probleme hing ausgerechnet mit neuen Updates am Auto zusammen, die Red Bull im WM-Kampf eigentlich neuen Schub verleihen sollten. Stattdessen bedeuten sie wohl das Ende aller Hoffnungen. Abschiedsgerüchte gab es bereits Bei Verstappen dürfte dieser Umstand Fragen aufwerfen, was die technische Leitungsfähigkeit seines Rennstalls angeht. Nach dem letztjährigen Abschied von Design-Guru Adrian Newey, der bislang alle Weltmeister-Autos von Red Bull entwarf, übernahm der Franzose Pierre Waché die Entwicklung der Boliden. Jahr eins unter Waché verlief nun enttäuschend. Die gescheiterten Updates dürften Verstappens Zweifel daran, ob Waché ihm tatsächlich ähnlichen Erfolg wie Newey ermöglichen kann, nur verstärkt haben. Abschiedsgerüchte von Verstappen hielten sich bereits seit dem vergangenen Jahr hartnäckig. Konkurrent Mercedes um Teamchef Toto Wolff baggerte öffentlich am Weltmeister. Zunächst entschied sich Verstappen für einen Verbleib. Doch nach dem voraussichtlichen Verlust des WM-Titels in diesem Jahr wird die nächste Saison richtungsweisend. Ein riskanter Schritt Die umfassenden Regeländerungen 2026 bringen für alle Teams Ungewissheit mit sich. Für Waché gilt es dann zu beweisen, dass er unter den veränderten Voraussetzungen ein konkurrenzfähiges Auto bauen kann. Auch bei den Motoren wird das Reglement umfassend angepasst. Nachdem Red Bull lange mit Honda zusammenarbeitete, wird der Motor ab der kommenden Saison in Zusammenarbeit mit US-Hersteller Ford, der neu in die Rennserie einsteigt, entwickelt. Angesichts der mangelnden Erfahrung auf beiden Seiten ein riskanter Schritt, der zusätzliche Unsicherheit bedeutet. Geht die Strategie von Red Bull nicht auf und Verstappen ist auch im nächsten Jahr gezwungen, hinterherzufahren, dürfte sein Abschied beschlossene Sache sein. Der Niederländer kann sich in der kommenden Saison anschauen, welches Team mit dem neuen Reglement am besten zurechtkommt. Daran, dass jeder Rennstall wohl bereit wäre, einen Platz für den nach einhelliger Meinung besten Fahrer im Feld freizuräumen, gibt es wenig Zweifel. Die Tatsache, dass Mercedes in diesem Jahr mit der Vertragsverlängerung der ebenfalls hochtalentierten George Russell und Kimi Antonelli wartete, bis Verstappen final abgesagt hatte, unterstreicht das. Verstappen und Red Bull: Was lange als Traumpaarung galt, könnte sich also schon bald doch nur als Ehe auf Zeit erweisen. Die aktuelle Saison dürfte den viermaligen Weltmeister jedenfalls gründlich ins Grübeln bringen.