Jeden Tag beantwortet ein Experte aus der t-online-Ratgeberredaktion eine Leserfrage rund ums Geld. Heute geht es darum, ob der Einsatz von KI bei der Geldanlage sinnvoll ist. Aktuell dreht sich an der Börse vieles um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Unternehmen wie Nvidia, AMD oder Microsoft erreichen ein neues Hoch nach dem anderen, da Anleger ihnen eine rosige Zukunft mit hohen Gewinnen voraussagen. KI beflügelt jedoch nicht nur Unternehmen, sondern auch die Entscheidungen von Privatanlegern. Immer mehr Menschen nutzen KI zur Anlageberatung. Aber welche Risiken birgt der Boom von ChatGPT und Co. beim Geldanlegen? Das wollte ein t-online-Leser wissen. Er fragt: "Sind KI-gestützte Geldanlagen sinnvoll?" Und weiter: "Wird Künstliche Intelligenz bald die traditionelle Beratung bei der Geldanlage ersetzen?" Was KI heute leisten kann – und was nicht Ob KI-gestützte Geldanlagen sinnvoll sind, lässt sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Vielmehr hängt der Nutzen stark davon ab, wie die Systeme eingesetzt werden und was Anleger von ihnen erwarten. Die Idee, Anlageentscheidungen automatisiert durch Technik zu unterstützen, ist nicht neu. Schon seit 2010 bieten sogenannte Robo-Advisor digitale Vermögensverwaltung an. Dabei erstellt ein Algorithmus auf Basis von Nutzerangaben wie Anlageziel, Risikoneigung und Zeithorizont ein passendes Portfolio und passt es regelmäßig an. Diese Form der Beratung ist standardisiert und weitgehend automatisiert, aber streng reguliert. In Deutschland gibt es seit rund zehn Jahren eine wachsende Zahl solcher Anbieter. Robo-Advisor: Wenn ein Roboter Ihre Geldanlage steuert Künstliche Intelligenz wie ChatGPT geht einen Schritt weiter: Sie kann nicht nur Muster in Finanzdaten erkennen, sondern auch Informationen aus Texten, Grafiken und Tabellen verarbeiten und daraus Handlungsempfehlungen ableiten. Damit wird erstmals eine Form von "Beratung" möglich, die sich direkt an Privatanleger richtet – ohne Zwischenstufe, rund um die Uhr und kostenlos. Doch genau darin liegt auch das Risiko: Die Systeme sind (noch) nicht auf Finanzberatung spezialisiert. Sie können zwar große Mengen öffentlich zugänglicher Daten analysieren, haben aber keinen Zugriff auf Daten hinter Bezahlschranken, Echtzeitkurse oder professionelle Finanzdatenbanken von großen Geldhäusern. Zudem berücksichtigen sie persönliche Ziele, Erfahrungen oder Absicherungen gegen Risiken nur, wenn diese explizit abgefragt und korrekt eingegeben werden. Eine ganzheitliche Beratung, wie sie ein Mensch bieten kann, bleibt daher schwer ersetzbar. Rasanter Anstieg bei Anlage-KIs Die Nachfrage nach digitalen Anlagehilfen wächst. Schätzungen zufolge soll der Markt für Robo-Advisory weltweit von rund 62 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 auf fast 471 Milliarden Dollar im Jahr 2029 steigen – ein Wachstum von etwa 600 Prozent. Auch KI-Modelle wie ChatGPT oder Gemini von Google gewinnen an Bedeutung: Laut einer Umfrage des Online-Brokers eToro wäre rund die Hälfte der befragten Privatanleger weltweit bereit, solche Tools für die Aktienauswahl zu nutzen. 13 Prozent tun das bereits. Die neue Technologie zeigt beeindruckende Ergebnisse. In einem öffentlich dokumentierten Experiment stellte ChatGPT ein Portfolio aus 38 Aktien zusammen – mit einer Wertentwicklung von rund 55 Prozent innerhalb weniger Monate. Damit schnitt es deutlich besser ab als viele klassische Fonds. KI ersetzt Analystenarbeit, garantiert aber keinen Erfolg Auch erfahrene Analysten wie Jeremy Leung, der 20 Jahre bei der Großbank UBS Unternehmen analysierte, nutzen KI-Modelle inzwischen als Werkzeug. Selbst das einfache ChatGPT-Tool kann laut Leung vieles von dem nachbilden, was er früher gemacht hat, zum Beispiel Unternehmensdaten analysieren und Investmentthesen entwickeln. Das allein garantiert aber noch keinen Anlageerfolg. Experten wie Dan Moczulski, Geschäftsführer des Brokers eToro in Großbritannien , warnen vor übertriebenem Vertrauen in die Technologie. Das Risiko entstehe, wenn Menschen allgemeine Modelle wie ChatGPT oder Gemini wie eine Kristallkugel behandelten, so Moczulski. KI-Strategien bei Börsenabsturz fraglich Die Qualität der KI-Ergebnisse hängt stark davon ab, wie präzise die Fragen gestellt werden – im Fachjargon: wie gut der Prompt ist. Wer vage formuliert, riskiert fehlerhafte oder irrelevante Empfehlungen. Zudem fehlt bei vielen Modellen eine nachvollziehbare Strategieprüfung. Anders als klassische Anlagesysteme lassen sich KI-generierte Entscheidungen oft nicht im Rückblick bewerten ("Backtesting"), da der Entscheidungsweg nicht dokumentiert wird. Die 80-Prozent-Regel: Darum ist Struktur wichtiger als Timing Börsen-ABC: Diese Begriffe sollten Sie jetzt kennen Auch ein möglicher Abschwung an den Börsen bereitet Fachleuten Sorgen. Viele KI-Strategien haben nach Ansicht von Jeremy Leung bislang nur in Phasen steigender Märkte funktioniert. Was passiert, wenn die Kurse plötzlich fallen, ist unklar. Besonders für unerfahrene Privatanleger bestehe das Risiko, in unsicheren Phasen falsch zu reagieren, weil ihnen das nötige Risikomanagement fehle, so Leung. Nicht blind vertrauen, sondern klug nutzen Ja, KI-gestützte Geldanlagen können eine sinnvolle Ergänzung für informierte Anleger sein. Und nein, sie ersetzen keine persönliche Beratung. Wer sich auf ChatGPT und Co. verlässt, sollte die Grenzen dieser Technologie kennen. Fazit: Sich ausschließlich auf Künstliche Intelligenz zu verlassen, dürfte auch in Zukunft keine gute Idee sein. Wer Geld anlegen will, sollte sich eigenes Wissen aneignen, die Funktionsweise der Börse verstehen und verschiedene Anlagestrategien kennen. Nur so lässt sich einschätzen, welche Empfehlungen sinnvoll sind und welche Sie besser ignorieren sollten.