Bis zuletzt blieb Giorgio Armani ein zurückhaltender Mensch – öffentlich wie privat. Umso bemerkenswerter wirkt rückblickend ein Interview, das er zuletzt gab. Er kam aus armen Verhältnissen – und baute ein milliardenschweres Modeimperium auf. Jetzt ist Giorgio Armani tot. Wie sein Konzern am Donnerstag mitteilte, starb der kinderlose Modemacher im Kreise "seiner Liebsten". Wer genau diese Liebsten sind? Unklar. Armani galt als Asket und Workaholic. Insofern wirkt es naheliegend, dass seine engsten Weggefährten aus dem beruflichen Kosmos kommen. In seinem letzten Interview, das erst am vergangenen Wochenende in der "Financial Times" erschien, sagte er: "Das Einzige, was ich in meinem Leben bedauere, ist, dass ich zu viele Stunden bei der Arbeit und nicht genug Zeit mit Freunden und Familie verbracht habe." "Ich hatte Frauen und manchmal auch Männer" Es sind bemerkenswert offene Worte, die man so von dem Italiener nicht gewohnt war. Giorgio Armani sprach selten über sein Privatleben – und noch seltener über seine Sexualität. Doch in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera", das er vergangenes Jahr anlässlich seines 90. Geburtstags gegeben hatte, blickte der weltbekannte Modemacher ungewöhnlich offen auf seine Jugend zurück – und auf ein Erlebnis, das für ihn zur Weichenstellung wurde. Zwar hatte Armani bereits im Jahr 2000 in dem US-amerikanischen Magazin "Vanity Fair" angedeutet, dass er sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlte: "Ich hatte Frauen in meinem Leben. Und manchmal auch Männer." Detaillierter wurde er jedoch nie – bis zu jenem Interview, das rückblickend nun wie eine späte Offenbarung wirkt. Darin erinnerte sich Armani an sein erstes sexuelles Erlebnis, das er mit einem Mädchen aus seiner Schulzeit gehabt habe. Doch schon bald darauf sei ihm klar geworden, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühlte – und zwar in einem Ferienlager an der Adria. "Da hat mein Leben eine andere Wendung genommen" "Darüber habe ich vorher nie gesprochen", sagte er damals und erzählte: Die Szene spielte sich vor einem Schuppen am Strand von Misano ab, gegen 17 Uhr, als die Jugendlichen Freizeit am Meer hatten. In der Gruppe sei ein junger Aufseher gewesen, der sofort seine Aufmerksamkeit erregte. "Ich wusste damals nicht genau warum und habe das nicht weiterverfolgt. Aber von da an hat mein Leben eine andere Wendung genommen." In späteren Jahren pflegte Armani eine enge Verbindung mit dem Architekten Sergio Galeotti, den er in den Sechzigerjahren kennengelernt hatte. Aus einer beruflichen Zusammenarbeit entwickelte sich eine private Beziehung, die bis zu Galeottis Tod 1985 andauerte. Er war an den Folgen von Aids gestorben. Armani schilderte den Verlust als tiefgreifend: "Ein Teil von mir ist mit ihm gestorben", sagte er. Fast ein Jahr habe er Galeotti am Krankenbett begleitet – und das in einer Phase, in der die gemeinsame Karriere international Fahrt aufgenommen habe. "Ich musste alle meine Kraft zusammennehmen, um mit dem Schmerz und der Qual umgehen zu können." Er war die Person, die Armani "am nächsten" war Später fand Armani erneut privates Glück – an der Seite von Leo Dell’Orco, der die Männermode bei Armani verantwortete. Zwar seien sie nicht verheiratet, wie der Designer betonte, doch er trage "einen wunderbaren Ring mit einem Diamanten". Eine offizielle Bezeichnung für ihre Beziehung habe er nie angestrebt. Dell’Orco sei einfach "die Person, die mir am nächsten ist". Giorgio Armani bekannte sich nie aktiv zu seiner Homosexualität oder sah sich als Teil einer queeren Community. Allerdings zeigen seine späten Interviewaussagen, dass er sich zeit seines Lebens eher dem männlichen Geschlecht hingezogen fühlte. Dennoch kam es vor, dass Armanis Aussagen auch kontrovers diskutiert wurden. So sprach er 2015 in einem Interview mit der britischen "Sunday Times" über Homosexuelle und Mode. "Ein homosexueller Mann ist zu 100 Prozent ein Mann. Er muss sich nicht schwul anziehen", so der mit Vorliebe schlicht gekleidete Modemacher. Wenn Homosexualität offensiv zur Schau gestellt werde – "Ah, du weißt, ich bin schwul" – , dann sei das nichts für ihn. "Ein Mann muss ein Mann sein."