Gold erlebt ein Comeback – getrieben von Schulden, Unsicherheit und geopolitischen Spannungen. Doch wie lange hält der Höhenflug an? Anfang Oktober durchbrach der Goldpreis die Marke von 4.000 Dollar pro Unze – ein Rekord, der selbst erfahrene Marktbeobachter staunen lässt. Zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten übertreffen die Goldreserven der Zentralbanken ihre Bestände an US-Staatsanleihen. Weltweit verschiebt sich das Machtgefüge der Finanzmärkte – weg vom Dollar, hin zum glänzenden Edelmetall, das seit Jahrtausenden Vertrauen symbolisiert. Was steckt hinter diesem beispiellosen Goldrausch? Und wie weit kann der Preis bis Ende 2025 noch steigen? Zentralbanken setzen auf Gold Laut Mirko Kohlbrecher, Investmentstratege bei Spiekermann & Co, vollzieht sich gerade eine bemerkenswerte Trendwende. Der renommierte Ökonom Mohamed El-Erian, Präsident des Queens' College der Universität Cambridge, bestätigte jüngst: Zentralbanken halten erstmals seit 1996 mehr Gold als US-Staatsanleihen. "Diese Verschiebung ist kein Zufall, sondern eine bewusste Diversifizierungsstrategie, die durch die geopolitischen Veränderungen der vergangenen Jahre beschleunigt wurde", erläutert Kohlbrecher. Die Zahlen belegen den Trend: 2024 kauften Zentralbanken über 1.000 Tonnen Gold – mehr als doppelt so viel wie der langjährige Durchschnitt von 473 Tonnen. Polen und die Türkei führen die Käuferliste an. Die globalen Zentralbankreserven stiegen auf über 36.000 Tonnen. Ihr Marktanteil kletterte seit 2010 von zwei auf 23 Prozent – sie sind heute die größten Nachfrager am Goldmarkt. Schwindendes Vertrauen in den US-Dollar Zugleich spiegelt die Entwicklung laut Kohlbrecher auch den wachsenden Vertrauensverlust in den US-Dollar wider. Analyst Jens Klatt vom Online-Broker XTB verweist auf die politische Unsicherheit: "Trumps Angriffe auf Institutionen wie die Fed lassen Zweifel aufkommen, ob die USA die globalen Märkte weiterhin anführen können." Kohlbrecher ergänzt: "Trump hat angekündigt, Fed-Chef Jerome Powell ablösen zu wollen und drängt zugleich öffentlich auf Zinssenkungen." Das verstärke bei vielen Zentralbanken die Sorge vor einer Politisierung der US-Geldpolitik. China reagiert darauf, indem das Land mit über 1,4 Milliarden Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 18,75 Billionen US-Dollar seine US-Staatsanleihen seit dem Ukraine-Krieg von 1,1 Billionen auf etwa 775 Milliarden Dollar reduziert und stattdessen massiv in Gold investiert. Über die Shanghai Gold Exchange, die weltweit größte Börse für physisches Gold, ermutige die People's Bank of China sogar verbündete Staaten, Goldbarren zu kaufen und im eigenen Land zu lagern. Indirekt profitierten davon auch die USA als größter Goldhalter der Welt, sagt XTB-Analyst Klatt. Gold als Spiegel der Weltlage Gold gilt seit Jahrzehnten als Gradmesser für Vertrauen und Stabilität. Kaum ein anderes Anlagegut reagiert so sensibel auf wirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen. Die folgende Grafik zeigt, in welchen Jahren der Preis für das Edelmetall an der Börse besonders stark gestiegen ist: Nach einer zehnjährigen Hausse, also einem stetig steigenden Börsenkurs, bis 2011 mit einem Hoch von 1.900 US-Dollar, folgte eine längere Konsolidierung. Zwischen 2013 und 2018 stagnierte der Kurs, ehe Gold im Sommer 2019 zurückkehrte, erklärt Börsenexperte Ronald Gehrt vom Lynx Broker. Glanz, Macht und Triumph: Warum Gold seit Jahrtausenden begehrt ist Mit dem Überschreiten der 2.075-Dollar-Marke 2020 begann eine neue Aufwärtsphase – gestützt durch niedrige Zinsen, hohe Staatsverschuldung und Misstrauen gegenüber Papierwährungen. 2024 legte der Goldpreis um 26,5 Prozent zu, 2025 summiert sich das Plus bis Oktober bereits auf rund 55 Prozent. "Gold ist der klassische sichere Hafen, wenn die Welt ins Wanken gerät", sagen Marktbeobachter übereinstimmend. Emotionen treiben den Markt Gold sei kein gewöhnliches Asset, sondern emotional aufgeladen, erklärt Gehrt weiter: "Gold bringt keine Zinsen, aber es vermittelt ein Gefühl von Sicherheit – seit Jahrtausenden in den Köpfen der Menschen verankert." Emotionen seien jedoch für Geschäfte mit Wertpapieren an der Börse schlechte Ratgeber. Sie führten zu impulsiven Entscheidungen, während politische Entwicklungen und fundamentale Faktoren wie Angebot und Nachfrage in den Hintergrund treten. "Das macht Prognosen schwierig", so Gehrt. Trotz der bestehenden Unsicherheiten wagen Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan Mittelfristprognosen: Beide erwarten einen Goldpreis von 5.000 US-Dollar bis 2026. Das Jahresziel von 4.000 US-Dollar hat Gold bereits übertroffen. Zu den Skeptikern zählen vor allem Analysten der Citigroup und von Fitch Ratings sowie einzelne Rohstoffstrategen deutscher Banken. Konsens ist hier eine Konsolidierung des Goldpreises zwischen 2.500 und 2.700 US-Dollar, bevor langfristig wieder neue Höchststände erreicht werden können. Ihnen zufolge ist eine Trendwende beim Goldpreis oder zumindest eine deutliche Korrektur ab der zweiten Jahreshälfte 2026 möglich. Begründet wird dies mit einer Kombination aus Gewinnmitnahmen nach der Rekordrally, einer sich verbessernden weltweiten Konjunktur und einer nachlassenden Nachfrage durch Investoren und Zentralbanken. Dem Trend folgen – statt der Glaskugel Gehrt warnt jedoch: "Selbst in Jahren, in denen Prognosen am Jahresende stimmten, lagen Analysten zwischendurch oft weit daneben." Die Handelsspannen von rund 30 Prozent pro Jahr zeigten, wie unberechenbar die Börse sei. "Beim Goldpreis ist nichts unmöglich." Dem Trend des Geldes zu folgen sei meist effektiver, als auf Glaskugelprognosen zu vertrauen, so Gehrt. Seit Anfang 2024 befindet sich Gold nach einem Ausbruch aus der Seitwärtsbewegung in einem klaren Aufwärtstrend. "Die Aufwärtsbewegung verläuft wie auf Schienen entlang der Trendlinie", so Gehrt. Fundamentale Treiber bleiben stark Auch die Rahmenbedingungen sprechen für weiter steigende Kurse. Die US-Staatsschuldenquote liegt bei 121 Prozent des BIP und dürfte weiter steigen, erklärt Investmentstratege Kohlbrecher. Laut World Gold Council planen 43 Prozent der Zentralbanken, ihre Goldreserven auszubauen – der höchste Wert seit acht Jahren. Zudem hat sich Gold von der Zinsentwicklung entkoppelt. Früher drückten steigende Zinsen den Preis, doch laut Kohlbrecher gilt dieser Zusammenhang nicht mehr: "Die Nachfrage der Zentralbanken bildet eine Untergrenze, die unabhängig von kurzfristigen Zinsbewegungen wirkt." Fazit: Gold bleibt die Währung des Vertrauens "Geopolitik, Welthandel und Inflation schaffen ein Umfeld, das weitere Kursgewinne wahrscheinlich macht", sagt Gehrt. Anleger sollten trotzdem die Besonderheiten des Goldmarktes beachten. Nach starken Kursanstiegen sind zwischenzeitliche Rückschläge möglich. Neue Höchststände führen häufig zu kurzfristigen Schwankungen. Doch wie viel Gold ist gut fürs Depot? Kohlbrecher rät, rund zehn bis 20 Prozent des Portfolios in Edelmetalle zu investieren – kombiniert mit soliden Unternehmensanleihen und dividendenstarken Aktien. Der Branchenverband der Goldindustrie World Gold Council und klassische Banken empfehlen etwa fünf bis zehn Prozent Goldanteil als optimalen Rahmen zur Risikodiversifikation.