Von Müsli über Pudding bis zum Eis – Produkte "Mit extra viel Protein" überschwemmen die Supermärkte. Doch wie gut sind die neuen Proteinquellen? Protein liegt im Trend und das nicht mehr nur in der Fitness-Szene. Es soll lange sättigen und so dabei helfen, Gewicht zu reduzieren und Muskulatur aufzubauen. Fakt ist: Der Mensch ist auf eine ausreichende Zufuhr bestimmter Aminosäuren über die Nahrung angewiesen, da er sie selbst nicht herstellen kann. Proteine aus Milch, Fleisch und Hülsenfrüchten liefern dem Körper diese Aminosäuren. Eine ausreichende Proteinzufuhr ist daher durchaus gesundheitsfördernd. Wie viel Protein braucht der Mensch? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für gesunde Erwachsene (19 bis 65 Jahre) eine tägliche Zufuhr von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einer Person mit einem Körpergewicht von 70 Kilogramm entspricht das einer Proteinmenge von 56 Gramm am Tag. Für Erwachsene ab 65 Jahren empfiehlt die Fachgesellschaft eine Zufuhr von 1,0 g/kg Körpergewicht pro Tag, also 70 Gramm für eine 70 Kilogramm schwere Person. In Deutschland nehmen Männer im Schnitt 85 Gramm und Frauen 64 Gramm Protein am Tag zu sich – und das mit der üblichen Mischkost. Neben natürlichen Proteinquellen wie Milch, Fisch und Hülsenfrüchten sind heute immer mehr neue Produkte erhältlich. Hersteller von Brot, Süßigkeiten und sogar Käse werben mit Aufdrucken wie "High Protein", "reich an Protein" oder "Proteinquelle". Es stellt sich also die Frage: Sind High-Protein-Produkte sinnvoll? Nein, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Aus ernährungsphysiologischer Sicht seien High-Protein-Produkte überflüssig. "Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Protein und spart sich das Geld für die meist teureren Produkte", so DGE-Sprecherin Antje Gahl. Einzelne Innovationen können laut Antje Gahl sinnvoll sein, etwa Nudeln aus Linsen oder Erbsen für Menschen mit Glutenunverträglichkeit. Ansonsten habe der Großteil der Bevölkerung kein Problem mit der Proteinversorgung und ein gesundheitlicher Nutzen durch die Extraportion Protein sei nicht zu erwarten. Das gilt sowohl für "Allesesser" als auch für Veganer und Vegetarier, die auf die meisten tierischen Lebensmittel verzichten. Veganer müssen allerdings auf eine gezielte Auswahl eiweißreicher pflanzlicher Lebensmittel achten. Über die Kombination von Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und Nüssen lässt sich aber auch ihr Bedarf decken. Auch Sportler sind gut versorgt Wer Sport treibt, braucht automatisch mehr Protein. Dieser (Irr-)Glaube ist bei vielen Menschen vorhanden. Laut der DGE kommt es allerdings auf die Intensität an. Freizeitsport Für erwachsene Freizeitsportler, die bei mittlerer Intensität etwa zwei bis drei Stunden pro Woche Sport treiben, gibt es keine gesonderte Empfehlung. Die Proteinversorgung ist mit der empfohlenen Zufuhr von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht und Tag über eine normale Mischkost sichergestellt. Leistungssport Anders sieht es bei ambitionierten Freizeitsportlern und Leistungssportlern aus. Eine intensive körperliche Belastung von mindestens fünf Stunden pro Woche kann eine erhöhte Proteinzufuhr erforderlich machen. Die International Society of Sports Nutrition und das American College of Sports Medicine empfehlen je nach Sportart und Trainingsziel eine erhöhte Proteinversorgung mit ca. 1,4 bis zwei Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Warum der Verzehr von High-Protein Produkten trotzdem nicht notwendig ist, verdeutlicht eine einfache Rechnung: Ein 70 Kilogramm schwerer Sportler beginnt mit einem intensivem Krafttraining und erhöht im Zuge dessen auch seine insgesamte Energiezufuhr auf 3.500 Kilokalorien pro Tag. Umgerechnet auf das Körpergewicht entsprechen 131 Gramm Protein etwa 1,9 Gramm je Kilogramm Körpergewicht am Tag. Das liegt bereits am oberen Ende der Empfehlungen für Leistungssportler. Teuer und überflüssig Das Fazit der Verbraucherzentrale ist eindeutig: "Proteinangereicherte Lebensmittel sind bei einer ausgewogenen Ernährung nicht notwendig, sie enthalten meist viele Zusatzstoffe und sind im Durchschnitt knapp dreimal so teuer, wie beispielsweise Quark." Die Nährwerte seien zwar in Ordnung – sowohl Fett- als auch Zuckergehalte sind meist nicht sehr hoch – dafür enthalten die Produkte viele Zusätze wie Süßstoffe, Verdickungsmittel und Stabilisatoren, so die Verbraucherzentrale. Zu diesem Schluss kommt auch die DGE. Sie führt aus, dass viele High-Protein-Produkte hoch verarbeitete Lebensmittel sind, die meist aus kostengünstigen Zutaten produziert werden, dafür aber intensiv vermarktet und ansprechend verpackt werden. Kein Ersatz für natürliche Lebensmittel Die DGE warnt außerdem davor, Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse durch die High-Protein-Produkte zu ersetzen. Die verminderte Aufnahme dieser natürlichen Lebensmittel kann langfristig dazu führen, dass nicht genügend Nähr- und Ballaststoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe aufgenommen werden. Das wiederum kann die Entstehung von Übergewicht und anderen ernährungsbedingten Krankheiten begünstigen, so die DGE. High-Protein-Produkte liefern meist mehr Protein, als nötig ist. Bei gesunden Erwachsenen schade dies zwar nicht, versichert die DGE. Dennoch empfiehlt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die tägliche Proteinzufuhr auf das Doppelte der Zufuhrempfehlung zu beschränken, also maximal etwa zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Der Grund: Überflüssiges Protein baut der Körper ab. Dabei entsteht Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden werden muss. Das kann auf Dauer die Nieren belasten. Deshalb ist ausreichendes Trinken bei hoher Proteinzufuhr wichtig. Wenn Sie an einer eingeschränkten Nierenfunktion leiden, sollten Sie daher aufpassen: Zu viel Protein kann problematisch werden und zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Das Wunschgewicht erreichen Sie nicht allein durch mehr Protein Auch wer abnehmen will, sollte realistisch sein: Gewichtsreduktion und Muskelaufbau passieren nicht allein durch mehr Protein bei ansonsten unveränderter Ernährung und Bewegung. Fakt ist: Eine proteinreiche Ernährung sättigt stärker und länger. Wenn Sie im Zuge einer Diät die Kalorienaufnahme insgesamt verringern, kann eine proteinreiche Ernährung somit zu einer effektiveren Gewichtsreduktion beitragen. Insgesamt ist aber die Energiebilanz entscheidender für den Erfolg beim Abnehmen. Für eine langfristige Gewichtsreduktion muss die Kalorienaufnahme demnach geringer sein, als ihr Kalorienbedarf. Wie Sie Ihren persönlichen Kalorienbedarf berechnen und langfristig Gewicht reduzieren können, erfahren Sie hier: Kalorienbedarf berechnen: Wie viele Kalorien braucht Ihr Körper ? Für eine nachhaltige Gewichtsreduktion empfiehlt die DGE eine Kombination aus Ernährungsumstellung, Verhaltensänderung und einer Steigerung der körperlichen Aktivität. Es reicht nicht allein aus, ungesunde Lebensmittel durch solche, mit angereichertem Protein zu ersetzen. Viel Protein mache hoch verarbeitete Produkte wie Chips und Schokoriegel nicht automatisch zu einem "gesunden Genuss", so die DGE.