Was als technologische Revolution begann, droht sich zum riskanten Börsenfieber zu entwickeln. Der IWF mahnt zur Vorsicht – und Hedgefonds-Legende Paul Tudor Jones sieht Parallelen zu 1999. Der Internationale Währungsfonds (IWF) zeichnet ein düsteres Bild für die Weltwirtschaft. Das globale Wachstum werde sich deutlich abschwächen, von durchschnittlich 3,7 Prozent vor der Pandemie auf nur noch rund 3,2 Prozent zwischen 2027 und 2030. Für Deutschland erwartet der IWF sogar nur ein mageres Plus von 0,5 Prozent. Zugleich warnt er vor "überbewerteten Vermögenswerten" und einem möglichen "Schock im Finanzsystem". Die Kombination aus schwächerer Konjunktur, Zinssenkungen, hohen Schulden und Börseneuphorie rund um Künstliche Intelligenz birgt Sprengstoff. Droht nach dem KI-Boom der große Crash? KI-Boom treibt Chip-Giganten Künstliche Intelligenz gilt derzeit als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft – und zugleich als Risiko. Kaum ein anderer Sektor zieht so viel Kapital an. Der Boom rund um KI-Chips, Rechenzentren und Software hat Unternehmen wie Nvidia, TSMC, Alphabet und Micron auf Rekordhöhen getrieben. Der weltgrößte Chipfertiger TSMC meldete im dritten Quartal einen Umsatzsprung von 30 Prozent, und Micron spricht von einer "starken Dynamik" zum Start des neuen Geschäftsjahres. Die Begeisterung der Anleger lässt auch die Bewertungen in schwindelerregende Höhen steigen. So kommt Nvidia auf einen Börsenwert von 4,3 Billionen Dollar, Alphabet auf 2,97 Billionen Dollar und TSMC auf etwa 1,24 Billionen Dollar. OpenAI , der Entwickler von ChatGPT und nicht börsennotiert, wurde zuletzt mit 300 Milliarden Dollar bewertet und strebt Insidern zufolge bereits 500 Milliarden Dollar an. Das Unternehmen spielt eine zentrale Rolle im Projekt "Stargate", einem milliardenschweren Vorhaben zum Aufbau neuer KI-Rechenzentren in den USA . Energiehunger treibt Investitionen Nvidia will sich mit bis zu 100 Milliarden Dollar an OpenAI beteiligen. Die geplanten Rechenzentren der beiden Unternehmen werden voraussichtlich einen Strombedarf von zehn Gigawatt haben, was in etwa dem Strombedarf mehrerer Großstädte oder eines ganzen Bundeslandes entspricht. Durch die Partnerschaft mit OpenAI und die gemeinsame Entwicklung von Hard- und Software stellt Nvidia laut Analyst Matt Britzman vom Brokerhaus Hargreaves Lansdown sicher, dass seine Prozessoren das Rückgrat der nächsten Generation der KI-Infrastruktur bilden. Auch andere Industrien profitieren: etwa der Schweizer Elektrotechnikkonzern ABB , der mit Nvidia an Stromversorgungslösungen für Rechenzentren arbeitet, deren Energiebedarf sich laut Prognosen bis 2030 fast verdreifachen dürften. Gleichzeitig investieren US-Vermögensverwalter wie Brookfield Asset Management Milliarden in die Energieversorgung von KI-Fabriken. IWF warnt vor KI-Blase Was Anleger freut, bereitet Ökonomen Sorgen: Der IWF warnt, dass die Begeisterung für führende KI-Unternehmen die Marktkonzentration weiter verschärfen und die Preise von Risikoanlagen "deutlich über die fundamentalen Werte" hinaustreiben könnte. Die Frage ist nicht mehr, ob KI die Wirtschaft verändert, sondern ob sich die Investitionen in Milliardenhöhe für die Unternehmen auch lohnen. "Macht Euch bereit": Spitzenbanker warnt vor US-Börsencrash Crash am Kryptomarkt: Warum Bitcoin plötzlich kein sicherer Hafen mehr ist Zudem wirken sich geopolitische Einflüsse zunehmend bremsend auf das weltweite Wirtschaftswachstum aus. Der IWF gibt zu bedenken, dass Handelskonflikte, hohe Staatsdefizite und protektionistische Maßnahmen die Stabilität des globalen Finanzsystems gefährden könnten. Besonders der Machtkampf zwischen den USA und China sorgt für Spannungen. Laut der "Financial Times" drängt die chinesische Internetbehörde CAC heimische Technologiekonzerne wie Alibaba oder ByteDance dazu, keine Nvidia-Prozessoren mehr einzusetzen – aus Sorge um nationale Sicherheitsrisiken und mögliche "Hintertüren" in den Chips. USA subventioniert eigene Wirtschaft Auch wirtschaftspolitisch verschärft sich die Lage. Die EU akzeptierte höhere Zölle und importiert im großen Stil Energie und KI-Chips aus den USA, während Washington seine Industrie mit milliardenschweren Subventionen absichert. Zuletzt übernahm die US-Regierung zehn Prozent an Intel , um die heimische Halbleiterproduktion zu stützen. Analyst Matt Britzman spricht von "einer strategischen Allianz mit geopolitischen Implikationen und nicht nur einer Finanztransaktion". Parallel dazu wächst die Gefahr im kaum regulierten Finanzsektor. Laut Einschätzung des IWF halten Versicherer, Pensionsfonds und Hedgefonds inzwischen rund die Hälfte aller weltweiten Finanzanlagen. Diese sogenannten Schattenbanken sind eng mit klassischen Instituten verflochten, was das Risiko von Schocks verstärken könnte. Laut IWF wäre bei zehn Prozent der US-Banken und 30 Prozent der europäischen Banken das Eigenkapital gefährdet, sollte es zu Turbulenzen an den Märkten kommen. Wendepunkt der Chipbranche Zusammenfassend könnte man die Lage so beschreiben: Die Finanzmärkte zeigen derzeit zwei Gesichter: Euphorie und Überhitzung. Analyst Jens Klatt vom Onlinebroker XTB erklärt die anhaltend starke Performance der US-Indizes damit, dass der Boom der Künstlichen Intelligenz "alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette beflügelt". Sie versorgten sich gegenseitig mit Aufträgen, was einen sich selbst verstärkenden Kreislauf geschaffen habe. Europa hingegen sei zurückgefallen, während China versuche, aus seiner aktuellen Wachstumsflaute herauszukommen. Gleichzeitig deutet sich eine Verschiebung des Marktes an. Um die Abhängigkeit von Nvidia zu verringern, arbeitet OpenAI inzwischen mit Broadcom und AMD an eigenen Prozessoren. AMD-Manager Forrest Norrod sprach von einem "Wendepunkt für die gesamte Branche". Solche Entwicklungen könnten ein weiteres Signal dafür sein, dass der Höhenflug der KI-Schwergewichte ins Stocken gerät und sich allmählich eine Blase bildet. Explosive Endphase droht Hedgefonds-Manager Paul Tudor Jones warnte jüngst vor einer gefährlich späten Phase des Börsenzyklus. Der Milliardär, der bereits den Crash von 1987 vorhergesagt hatte, sieht die Märkte heute in einer "explosiven Endphase des Bullenmarkts" – einer Rally, die in einem spektakulären Finale enden könnte, bevor alles kollabiert. "Mein Gefühl ist, dass alle Zutaten für eine gewaltige Blow-off-Rally vorhanden sind", sagte Jones im Gespräch mit CNBC. Jones vergleicht die aktuelle Situation mit der Lage kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 1999. Auch damals trieben Gier und die Angst, etwas zu verpassen, die Kurse in schwindelerregende Höhen. Diesmal aber, so Jones, sei die Lage "noch potenziell explosiver". Denn im Gegensatz zu damals stehen die Zeichen nicht auf Zinserhöhungen, sondern auf Lockerung. Während die Fed in den späten 1990er-Jahren bremste, pumpt sie heute Liquidität in die Märkte. Hinzu komme ein Haushaltsdefizit von rund sechs Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts – ein "toxischer Cocktail", der kurzfristig Kursfeuerwerke auslösen, langfristig aber zu massiven Verwerfungen an den Märkten führen könne. Jones spricht von der "gefährlichsten Phase eines Bullenmarkts": Die größten Gewinne entstehen in den letzten Monaten einer Hausse. Wer nicht rechtzeitig abspringt, riskiert den Absturz. Kurzfristig setzt Jones auf "schnelle Pferde" wie Gold , Kryptowährungen und Technologiewerte, die von der Euphorie profitieren könnten. Danach aber drohe ein "post-AI-Bust" – ein jäher Absturz, wenn die Realwirtschaft mit den überzogenen Erwartungen nicht Schritt halten kann.